Auktion: 554 / Modern Art Day Sale am 08.06.2024 in München Lot 122000552


122000552
Ernst Ludwig Kirchner
Alter bärtiger Älpler in schwarzem Hut (Kaspar Cadiepolt), 1919.
Holzschnitt
Schätzpreis: € 30.000 - 40.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Alter bärtiger Älpler in schwarzem Hut (Kaspar Cadiepolt). 1919.
Holzschnitt.
Signiert und bezeichnet „Eigendruck” sowie mit der Widmung „Souvenir de votre visite chez E. L. Kirchner Frauenkirch". Eines von insgesamt nur 18 bekannten Exemplaren dieses Holzschnitts und von nur 9 Exemplaren dieses Druckzustands. Auf festem Velin. 58 x 34,7 cm (22,8 x 13,6 in). Papier: 70 x 41,5 cm (27,5 x 16,3 in).
Das Werk ist unter der Nummer SHG 781 a in der Sammlung Hermann Gerlinger registriert. [CH].

• Handdruck des Künstlers von besonders guter Druckqualität.
• Von den nur neun bekannten Exemplaren dieses Druckzustands befinden sich drei in Museumsbesitz: im Milwaukee Art Museum, im Städel Museum, Frankfurt a. Main, und im Kirchner Museum, Davos.
• Eines der bekanntesten druckgrafischen Porträts der Davoser Zeit.
• Im Entstehungsjahr hält Kirchner das prägnante Antlitz des älteren Bauern auch in einer Radierung (Gercken 1024), einer Fotografie (Kirchner Museum, Davos) und in einem Gemälde in Öl auf Leinwand fest (Gordon 622).
• E. L. Kirchner erwähnt die Arbeit an dem Holzschnitt 1919 mehrfach in seinem Tagebuch
.

PROVENIENZ: Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032, 2013 erworben, Galerie Kornfeld, Bern).

AUSSTELLUNG: Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2013-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR: Gustav Schiefler, Die Graphik Ernst Ludwig Kirchners, Bd. 2 (1917-1927), Berlin-Charlottenburg 1931, WVZ-Nr. H 407.
Annemarie u. Wolf-Dieter Dube, E. L. Kirchner. Das graphische Werk, München 1967, WVZ-Nr. H 411 a II (von III).
Günther Gercken, Ernst Ludwig Kirchner. Kritisches Werkverzeichnis der Druckgraphik, Bd. 4 (1917-1919), Bern 2015, WVZ-Nr. 1075 II (von III, m. Abb.).
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Galerie Kornfeld, Bern, 258. Auktion, Kunst des 19. bis 20. Jahrhunderts, Teil 1, 14.6.2013, S. 132, Los 61 (m. ganzs. Abb., S. 133).

"Der Kopf von Bold ist gut gelungen."

E. L. Kirchner über die Arbeit an diesem Holzschnitt, Tagebucheintrag vom 3. Oktober 1919, zit. nach: Lothar Grisebach (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchners Davoser Tagebuch, Wichtrach/Bern 1997, S. 54.

Ab 1917 reist E. L. Kirchner mehrfach nach Davos, um sich aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustands dort bei Dr. Frédéric Bauer, dem damaligen Chefarzt des Davoser Parksanatoriums, in Behandlung zu begeben, bevor er mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling schließlich endgültig in die Schweiz übersiedelt. Den Sommer 1918 verbringt er in den Bergen auf der "Stafelalp", die ihm der Bauer Martin Schmid überlässt. Ab September 1918 bis 1923 wohnt Kirchner im winterfesten Häuschen "In den Lärchen", das ihm die Bauernfamilie Müller aus der Hofgruppe "In den Lärchen" oberhalb der Längmatte in Frauenkirch zur Verfügung stellt. Die Alpenlandschaft, das arbeitsreiche Leben der dort ansässigen Bauernfamilien und die dörflich-bukolische Idylle sind Kirchner in diesen Jahren bedeutende Inspirationsquellen. "Ich bin so froh und glücklich hier zu bleiben. Hier kann ich wenigstens in den guten Tagen etwas arbeiten und ruhig unter diesen einfachen und guten Menschen sein“, schreibt Kirchner am 5.7.1919 an Henry van de Velde (zit. nach: Ernst Ludwig, Briefe an Nele und Henry van de Velde, München 1961, S. 99).

Mit beeindruckender Schaffenskraft arbeitet er in fortan an druckgrafischen Werken, Zeichnungen, Aquarellen, Gemälden und später sogar Holzskulpturen und Möbeln. Um 1918/19 entstehen sehr eindrückliche Holzschnitte einzelner Mitglieder der benachbarten Davoser Bauernfamilien, die zu den Höhepunkten von Kirchners druckgrafischem Œuvre zählen. In dem hier angebotenen Holzschnitt porträtiert Kirchner Kaspar Cadiepolt (1846–1923), auch der "alte Bold" genannt. Cadiepolt war einst Bauer in Davos Monstein und zu Kirchner Zeiten – nach dem Verkauf des eigenen Hofes nach seiner Scheidung – für die Bauernfamilie Biäsch als Melker tätig und für die Versorgung der Tiere auf der Stafelalp zuständig. Seine Tochter Anny heiratete den jungen Bauern David Müller in den Lärchen, den Kirchner 1919 ebenfalls in einem Holzschnitt porträtiert (Gercken 1094). Mehrfach erwähnt der Künstler seine Arbeit an dem Holzstock für das Porträt von Cadiepolt in seinem Tagebuch, schreibt am 14.9.1919: "Alten Bold gemalt und gezeichnet." (Lothar Grisebach/Lucius Grisebach (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Davoser Tagebuch, Ostfildern-Ruit 1997, S. 52) und am 3.10.1919: "Der Kopf von Bold ist gut gelungen." (Ebd., S. 54) Auch am 8.10.1919 findet sich eine kurze Notiz: "Holzschnitt von Bold". (Ebd.)

Das Interesse an den Gesichtern und Charakteren der in Davos ansässigen Menschen und auch die Bedeutung des hier gewählten Motivs bzw. Modells zeigt sich durch die Dichte an Arbeiten, die sich mit Cadiepolt beschäftigen: Im selben Jahr hält Kirchner das prägnante Antlitz des älteren Bauern auch in einer Radierung (Gercken 1024), einer Fotografie (Kirchner Museum, Davos) und später in dem Gemälde "Alter Bauer" in Öl auf Leinwand fest (1920, Gordon 622). Der 1919 entstandene Holzschnitt, von dem im Werkverzeichnis (Gercken) insgesamt nur neun Exemplare Erwähnung finden (drei davon in Museumsbesitz), zählt heute zu den herausragendsten Holzschnittporträts im Œuvre E. L. Kirchners. [CH]



122000552
Ernst Ludwig Kirchner
Alter bärtiger Älpler in schwarzem Hut (Kaspar Cadiepolt), 1919.
Holzschnitt
Schätzpreis: € 30.000 - 40.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.