Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 71

 

71
Andy Warhol
Friedrich II, 1986.
Farbserigrafie. Synthetisches Polymer auf Leinwand
Schätzung:
€ 500.000
Ergebnis:
€ 889.000

(inklusive Aufgeld)
Friedrich II. 1986.
Farbserigrafie. Synthetisches Polymer auf Leinwand.
Auf der umgeschlagenen Leinwand signiert und datiert. 214 x 183 cm (84,2 x 72 in).

• Unikat auf Leinwand in außergewöhnlichem Format.
• Ein weiteres Exemplar dieser großformatigen Farbserigrafie auf Leinwand befindet sich im Museum Würth, Künzelsau.
• Ein Jahr vor dem überraschenden Tod des Künstlers entstanden.
• Ikonisches Motiv: aus einer Ikone der deutschen Malerei schafft er eine Ikone der Pop-Art im Mega-Format
.

PROVENIENZ: Galerie Michael Haas.
Galerie Hans Mayer, Düsseldorf.
Sammlung Onnasch (1987).
Privatsammlung Süddeutschland.

AUSSTELLUNG: Neues Museum Weserburg, Bremen (Dauerleihgabe, verso mit einem Etikett).
Originale echt falsch, Neues Museum Weserburg, Bremen, 25.7-24.10.1999, Farbabb. S. 160.
Celebrities. Andy Warhol und die Stars. Sammlung Marx und Leihgaben, Hamburger Bahnhof, Berlin, 3.10.2008-11.1.2009, S. 47.

"You see, to pretend something's real, I'd have to fake it. Then people would
think I'm doing it real."
Andy Warhol, in: Martin Schwander (Hrsg.), Andy Warhol Paintings 1960-1986, S. 31

Deutschland hat für Andy Warhol eine besondere Bedeutung und das in vielerlei Hinsicht: Bereits 1967 richtet Rudolf Zwirner die erste deutsche Einzelausstellung des Künstlers in seiner Kölner Galerie aus, macht die Pop-Art hierzulande salonfähig und beginnt, die junge Kunst, die so eng mit den US-amerikanischen Bildwelten verwoben ist, in wichtigen Privatsammlungen zu platzieren. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Warhols Anerkennung hier dessen Siegeszug jenseits des Atlantiks erst vorbereitet hat. Tatsächlich konnte die deutsche Gesellschaft der 1960er Jahre aber die Aneignung der amerikanischen Werbe- und Medienbilder anders und früher in ihrer radikal künstlerischen Bedeutung wahrnehmen, da sie mit diesen Bildern eben nicht von Kindheit an täglich konfrontiert wurde.

"Friedrich II" (1986) ist ein außergewöhnlich großes Porträt auf Leinwand, steht in engen Bezügen zum Gesamtwerk des Künstlers und nimmt unter Warhols ikonischen Bildern berühmter Persönlichkeiten eine entscheidende Stellung ein. Sicher existieren zahlreiche Auftragsarbeiten, die auch deutsche Sammler bei Warhol in New York in Auftrag geben konnten. Bei der Wahl historischer Persönlichkeiten jedoch wählt Warhol selbst, und so gibt es nur wenige Motive, die mit "Friedrich II" direkt vergleichbar wären. "Goethe" ist ein Beispiel, dessen Kopf Warhol aus Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins "Goethe in der römischen Campagna" (1787) isoliert. Ihm ging es nicht um historische Kontexte, sondern sein Goethe tritt gleichberechtigt in eine Reihe mit Filmstars, Königinnen, Pop-Idolen und Kriminellen. Warhol malt den Mythos, der den Blick auf vermeintliche Fakten auf ewig versperren wird.

Das Bild von Friedrich dem Großen findet Warhol auf einem Gemälde von Anton Graff. Die Vorlage ist selbst schon eine Kopie und wird heute im Schloss Sanssouci aufbewahrt. Das Porträt des Preußenkönigs gehört zu den berühmtesten Darstellungen seiner Person und doch weiß niemand so genau, ob Friedrich II in Wahrheit so ausgesehen haben mag. Er saß ungern Modell und ohnehin war auch damals klar, dass Bilder Funktionen erfüllen; sie bezwecken nicht, möglichst nah und authentisch die Realität abzubilden. Bilder schaffen Mythen, die dann zur Realität werden. Dieser Gedanke hat Warhol zeitlebens beschäftigt.

Was fasziniert Warhol im Jahr 1986 an der Figur Friedrich II? Der 200. Todestag wird Anlass gegeben haben, doch sicher ist dies allein nicht Grund genug. Der Herrscher gilt als moderner Geist der Aufklärung Mitte des 18. Jahrhunderts. Nicht nur die Gewalt, die er selbst von seinem Vater erdulden musste, führt dazu, dass zu seinen ersten Reformen die Abschaffung der Folter gehört. Wie fortschrittlich und radikal dieser Schritt damals war, ist Warhol bewusst, der 200 Jahre später in den USA mit der Serie "Electric Chair" (1964) noch immer brutale und menschenverachtende Bestrafungen anprangert. Friedrich II soll zudem, genau wie sein Bruder Heinrich von Preußen, seine Homosexualität mehr oder weniger offen ausgelebt haben. Die Bedeutung von Sexualität im 18. Jahrhundert und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verbote und Konventionen lassen sich nicht auf das 20. Jahrhundert übertragen und doch wurde der Preußenkönig ungewollt zu einer Ikone des selbstbewussten Auslebens der eigenen Sexualität. "Jeder soll nach seiner Façon selig werden." Mit diesem berühmten Ausspruch zitiert der Volksmund noch heute den alten Fritz, wenn es gilt, ein höheres Maß an Toleranz einzufordern. [SN]



71
Andy Warhol
Friedrich II, 1986.
Farbserigrafie. Synthetisches Polymer auf Leinwand
Schätzung:
€ 500.000
Ergebnis:
€ 889.000

(inklusive Aufgeld)