Manhattan in den späten vierziger Jahren. Eine Reihe von radikal-ambitionierten Künstlern kommt regelmäßig in einem ungeheizten Loft in der 8th Street zusammen, debattiert, konstatiert einen Mangel an Visionen und beklagt den Zustand des Kunstbetriebs nach den Jahren der Depression. Danach geht es in die Cedar Bar, nichts Besonderes, scheußlich grün gestrichene Wände, ein kleiner Tresen. Dort ist es warm, Kaffee und Alkohol sind billig. Die Literaten, die Beatniks sind ebenfalls da. Quasi um die Ecke leben und arbeiten in reichlich prekären Verhältnissen Robert Motherwell, De Kooning und seine Frau Elaine, Jackson Pollock, der Berserker, Franz Kline, Mark Rothko und all die anderen, die zunächst gemeinschaftlich, später naturgemäß extrem individualisiert als radikale Erneuerer, als American Abstract Expressionists in die Kunstgeschichte eingehen. Es ist eine Versammlung rüpelhafter Bohemiens. Durch und durch egozentrisch, misogyn mit einem Hang zur großen Geste – und gnadenlos kompromisslos.
Was wie der ganz normale Hangout einer exzentrischen Männerclique aussah, war ein elitärer Kreis dauerhungriger Künstler, die dem soliden, dem althergebrachten Amerika den Kampf ansagten. Gegenstandslos musste das Bildprogramm sein, was zählte war Farbe und Gestalt, Romantik und Poesie. Frauen taten sich extrem schwer. Joan Mitchell buhlte um Anerkennung, indem sie fluchte, soff und vögelte wie ein Kerl. Sie hatte Erfolg mit ihrer Strategie, musste aber auch aushalten, dass Jackson Pollock die Klotür aus den Angeln riss und nach Franz Kline schleuderte (der hatte sich nämlich Pollocks Kritik an Philipp Guston verbeten) und dass Oberbeatnik Jack Kerouac in einen der Aschenbecher pinkelte. Sie schenkten sich schlicht gar nichts.
Der Erfolg für den wilden Haufen kam mit der Anerkennung des einflussreichen Kritikers Clement Greenberg. Die New Yorker Szene jener Jahre war extrem überschaubar, bestand gerade mal aus einer Handvoll Galerien (Betty Parsons, Peggy Guggenheim, Samuel Kootz und Sidney Janis, später kam der umtriebige Leo Castelli hinzu). Erst als eine Gruppe um Ad Reinhardt (der den Abstract Expressionist zwar kritisch gegenüberstand, gleichwohl die Abende in der Cedar Bar lakonisch kommentierte: „We go there to meet the very people we hate most, other painters”) und Clement Greenberg sich 1950 weigerte an einer Ausstellung aktueller amerikanischer Kunst im MoMA teilzunehmen, wuchs die ersehnte Aufmerksamkeit. Mit diesem Protest gegen die Politik des Museums sollte ihre Malerei des Abstrakten Expressionismus als genuin amerikanische Kunst akzeptiert werden, als avantgardistische Revolte und grenzenloser Aufbruch. Das saß.
Schwer vorstellbar, wie sich ein junger deutscher Emigrant in ein derart hermetisches Umfeld einfügen konnte. Glück und Zufall spielten eine entscheidende Rolle.
Friedel Dzubas kommt 1915 in Berlin als Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters zur Welt. Seine künstlerischen Ambitionen und der damit verbundene sehnliche Wunsch, Deutschland zu verlassen, mündet zunächst in eine landwirtschaftliche Ausbildung mit angegliederter Beschäftigung als Kunstlehrer in Gross-Breesen, einem Ausbildungs-Camp in der Nähe von Breslau, das junge Juden und Jüdinnen 1936 auf eine Auswanderung nach Süd- und Nordamerika vorbereiten sollte. 1939, in der Reichskristallnacht, wurden die Jugendlichen unter Arrest gestellt und nach Buchenwald deportiert. Dzubas entkommt den Schergen, er war zufällig in Berlin.
Er erhält schließlich ein Visum für die Überfahrt nach New York. Einige Zeit arbeitet er als freischaffender Designer und Illustrator für Buchverlage, mietet 1948 für sich und seine kleine Familie ein Sommerhaus in Woodstock. Clement Greenberg, der eine Ferienunterkunft für den Sommer sucht, wird durch Zufall sein Untermieter. Der Kontakt zu dem großen Kritiker ist hergestellt, es entwickelt sich eine lebenslange, für Dzubas auch fruchtbare Freundschaft.
In den frühen Fünfzigern schließlich zählt Friedel Dzubas zu den Abstract Expressionists der zweiten Stunde (die Initiatoren de Kooning, Rothko, Noland, Pollock, Kline etc. waren inzwischen gut im Geschäft und hatten sich ganz allmählich in die Hamptons und andere gepflegte Vororte abgesetzt). Er nimmt regelmäßig an zahlreichen Gruppenausstellungen etwa bei Kootz und Castelli teil, und teilt sich ein Atelier mit der jungen Helen Frankenthaler.
Nach einem zehnmonatigen Aufenthalt in Deutschland und Österreich, der einhergeht mit einer schmerzhaften Auseinandersetzung mit seiner jüdisch-katholischen Identität, seiner deutschen Herkunft, entsteht eine Reihe von Black Paintings. Doch Dzubas findet nach einer schöpferischen Pause zurück zum lyrischen Colorfield Painting. Seit Mitte der sechziger Jahre verwendet der an diversen Hochschulen unterrichtende Dzubas für seine Großformate überwiegend Magna-Farben, eine Acrylfarbe, die mit Öl gemischt und mit Terpentin verdünnt werden kann.
Friedel Dzubas nimmt in der bahnbrechenden abstrakten amerikanischen Malerei nicht zuletzt deshalb eine besondere Rolle ein, weil er sich in seinen gestisch-gegenstandslosen Kompositionen mutig und hingebungsvoll auf die lichte barocke Farbarchitektur eines Tizian bezieht. Seine besondere Verehrung galt zeitlebens den in vielerlei Hinsicht kompromisslosen Hervorbringungen der Protagonisten des Blauen Reiter und der Brücke-Künstler.
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