Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000618


124000618
Gerhard Richter
Herr Uecker, 1964.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 450.000 - 650.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Herr Uecker. 1964.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert sowie mit den Maßangaben bezeichnet. Auf dem Keilrahmen betitelt "Herr Uecker". 47 x 29 cm (18,5 x 11,4 in).


• Richter malt "Herr Uecker" – eines der frühen bedeutenden Richter-Porträts.
• Erstes Künstler-Porträt in Richters Œuvre und das einzige malerische Zeugnis des gemeinsamen künstlerischen Durchbruchs in Düsseldorf.
• "Herr Uecker" erhält seine besondere kompositorische Spannung aus der Balance zwischen den sanft vermalten und den stehengelassenen Partien am Unterrand.
• 1964 auf der legendären Ausstellung "Neue Realisten" der Galerie Parnass, Wuppertal, und zuletzt in der großen Werkschau "Gerhard Richter. Bilder einer Epoche" (Hamburg 2011) ausgestellt.
• Vergleichbare Porträts der 1960er Jahre befinden sich u. a. im Museum of Modern Art, New York, im San Francisco Museum of Modern Art und im Museum of Contemporary Art, Tokio
.

Wir danken Dr. Dietmar Elger, Leiter des Gerhard Richter Archiv an den Staatlichen Kunstsammlumngen Dresden, für die freundliche Auskuft.

PROVENIENZ: Galerie René Block, Berlin (1965 direkt vom Künstler).
Sammlung Block, Berlin.
Privatsammlung Berlin (seit 1995).

AUSSTELLUNG: Neue Realisten. Konrad Lueg, Sigmar Polke, Gerd Richter, Galerie Parnass, Wuppertal, 20.11.-30.12.1964.
Models of Reality. Approaches to Realism in Modern German Art, Harris Museum and Art Gallery, Preston/Lancashire, 18.5.-6.7.1991; Ferens Museum and Art Gallery, Hull, 20.7.-1.9.1991.
Mit dem Kopf durch die Wand und etwas Neues finden. Sammlung Block, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, 7.5.-30.8.1992; Nykytaiteen Museo, Helsinki, 30.10.1992-3.1.1993; Listasafn Islands, Reykjavík, 1993; Kunsthalle Nürnberg, 1993, Wuppertal 1996, S. 51 (m. Abb. S. 262).
Gerhard Richter. Billede efter billede, Louisiana Museum für Moderne Kunst, Humlebæk, 4.2.-29.5.2005, S. 17 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Portraits, Museumsberg, Flensburg, 7.5.-9.7.2006, S. 95f. (m. Abb., S. 25).
Gerhard Richter. Bilder einer Epoche, Bucerius Kunst Forum, Hamburg, 5.2.-15.5.2011, S. 201, Kat.-Nr. 29 (m. Abb., S. 146 u. S. 201).

LITERATUR: Dietmar Elger, Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 1 (1962-1968), Ostfildern 2011, S. 200, WVZ-Nr. 80-17 (m. Abb.).
Gerhard Richter. Werkübersicht / Catalogue raisonné 1962-1993, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn u. a., Bd. III, Ostfildern-Ruit 1993 (m. Abb., Nr. 80-17).
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Gerhard Richter, 36. Biennale in Venedig (Deutscher Pavillon), Essen 1972, S. 38 (o. Abb.).
Kunstforum International, Nr. 6/7, 1973 (m. Abb., S. 120).
Ausst.-Kat. Gerhard Richter. Bilder 1962-1985, Städtische Kunsthalle, Düsseldorf, Stuttgart u. a. 1986, S. 36 (m. Abb.).
Ausst.-Kat. Mit dem Kopf durch die Wand .. und etwas Neues finden. Fluxus aus der Sammlung René Block, Kunsthalle Barmen / Kunst- und Museumsverein, Wuppertal 1996, S. 51 (m. Abb. S. 262).
Ausst.-Kat. Gerhard Richter Portraits. Painting Appearances, National Portrait Gallery, London 2009, S. 114 (m. Abb.S. 116).
Paul Moorhouse (Hrsg.), Die Porträts von Gerhard Richter, Köln 2009, S. 114 (m. Abb. S.116).
Emanuele Garbin, Il bordo del mondo. La forma dello sguardo nella pittura di Gerhard Richter, Diss. Venedig 2011, S. 40 u. 41 (m. Abb., S. 205).

"Wir haben manchmal sehr kuriose Dinge gemacht. Ich hatte mein erstes Tonbandgerät, und wir wollten das Atmen des Friedhofs aufnehmen und sind dann hier in Düsseldorf in der Nacht um zwei Uhr auf einen Friedhof gegangen. [..] Oder dann haben wir in Rolandseck mal eine Badewanne verwendet, um durch die Etage zu rudern. Wir saßen alle zusammen in der Badewanne, bis die Wasserrohre abgebrochen sind, das war furchtbar. Dann haben wir einen Flügel von der oberen Etage auf den Vorplatz stürzen lassen, damit wir Musik hatten, und einen großen Kutschenwagen mit Zeug beladen, den wir in der Nacht über einen Hang die Straße hinunter in den Rhein haben fahren lassen – vorher haben wir ihn noch angezündet. Das war auch stark!"
Günther Uecker, 2016, über die gemeinsame Zeit mit Gerhard Richter und Sigmar Polke

Richters gefragtes schwarzweißes Frühwerk der 1960er Jahre, das neben den ab 1976 einsetzenden "Abstrakten Bildern" unsere heutige Vorstellung von Gerhard Richters malerischem Schaffen prägt, basiert auf fotografischen Vorlagen. Familienfotos, Abbildungen aus der Werbung und verschiedene andere Printmedien sind die Basis für Richters Porträts und Städtebilder dieser Jahre. Seine auf Leinwandformat vergrößerten Motive "vermalt" Richter im Nachgang noch in der feuchten Farbe, löst ihre Konturen in weiche Schwarz-Weiß-Modulationen auf. In den Gemälden der frühen 1960er Jahre arbeitet Richter erstmals mit seiner berühmten malerischen Unschärfe, die fortan zu seinem künstlerischen Markenzeichen wird.
Richters Porträt seines Künstlerkollegen und Freundes Günther Uecker, des bedeutenden "ZERO"-Protagonisten, ist 1964 im Kontext einer kleinen Porträt-Folge entstanden, die Richter auf Initiative des legendären Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela für seine erste Einzelausstellung im September 1964 geschaffen hat. "Herr Uecker" ist eines der letzten frühen Richter-Porträts, die sich heute noch in deutschem Privatbesitz befinden. Richter hat dieses faszinierende Gemälde auf Basis eines Vernissage-Fotos geschaffen, das seinen Künstlerkollegen Günther Uecker neben dem Galeristen Schmela zeigt und das im gleichen Jahr auch als Vorlage für zwei Versionen des "Portrait Schmela" gedient hat. Ausgangspunkt für die insgesamt acht Porträts umfassende Folge aus dem Jahr 1964 sind drei Porträts, die den Galeristen Alfred Schmela selbst ein Mal nach Passbildern und zwei Mal nach eben jenem Vernissage-Foto zeigen und als eine Art Angebotsmuster für potenzielle Kunden der Galerie fungieren sollten. Die erste Version des "Portrait Schmela" (Elger 37-1) wurde 2015 bei Sotheby's in London für umgerechnet mehr als 4,6 Millionen Euro versteigert. Eine weitere Version (Elger 37-3) gelangte im Sommer 2014 als von der Presse gefeierte millionenschwere Schenkung der Kunsthistorikerin Viktoria von Flemming in den Besitz der Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen. Neben zwei Versionen von "Portrait Dr. Knobloch", der Krefelder Gynäkologin und Sammlerin Dr. Gisela Knobloch, von denen eine 2009 von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden angekauft wurde und die andere laut Werkverzeichnis vermutlich als zerstört gilt, hat Richter auch noch insgesamt drei Versionen des "Portrait Schniewind" geschaffen, die den Düsseldorfer Sammler Willy Schniewind zeigen. Eine dieser drei Arbeiten wurde von uns 2018 erfolgreich in eine asiatische Privatsammlung veräußert, eine andere bereits 2010 bei Sotheby's in London erfolgreich zugeschlagen. Die dritte Version des "Portrait Schniewind" befand sich ursprünglich in der Sammlung von Günther Uecker und ist heute als Teil der renommierten Fisher-Collection, eine der größten Privatsammlungen amerikanischer und deutscher Kunst nach 1960, im Museum of Modern Art in San Francisco zu sehen.
Richters und Ueckers künstlerischer Durchbruch ist eng mit dem legendären Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela verbunden, der nicht nur 1964 die erste Einzelausstellung Gerhard Richters, sondern bereits 1961 die erste Einzelausstellung Günther Ueckers in Deutschland präsentiert hat und sich darüber hinaus durch frühe Ausstellungen Lucio Fontanas einen Namen gemacht hat. 1964 bespielt Uecker bereits neun "ZERO"-Ausstellungen, darunter auch die legendäre Schau bei Howard Wise in New York, die den internationalen Durchbruch für den 34-jährigen Künstler bedeutet. Nach verschiedenen Kunst- und Ausstellungsprojekten unter anderem mit Günther Uecker, Sigmar Polke, Blinky Palerm, darunter auch die legendäre Aktion "Leben im Museum" in der Kunsthalle Baden-Baden im Jahr 1968, vertritt Gerhard Richter 1972 Deutschland bei der Biennale di Venezia, gezeigt wird dort seine berühmte Serie der "48 Portraits" von 48 europäischen Intelektuellen. Im Katalog zur Biennale ist zudem unser Porträt "Herr Uecker" erstmals publiziert. Ebenfalls 1972 erfolgt Richters erste documenta-Teilnahme und schließlich 1973 Richters erste Einzelausstellung in New York.
Richters Porträt "Herr Uecker" ist nicht nur eines dieser besonders frühen Richter-Porträts aus dem Jahr 1964, sondern darüber hinaus ein faszinierendes und einzigartiges Zeugnis des gemeinsamen künstlerischen Durchbruches dieser beiden bedeutenden deutschen Künstler. Im Jahr 1979 verewigt zudem der britische Künstler Richard Hamilton dieses faszinierende Richter-Porträt in seiner Arbeit "Berlin Interior" (Tate Collection, London). Zuletzt war "Herr Uecker" im Jahr 2011 in der großen Werkschau "Gerhard Richter. Bilder einer Epoche" im Bucerius Kunst Forum in Hamburg neben weiteren bedeutenden Arbeiten aus Richters Œuvre zu sehen. [JS]



124000618
Gerhard Richter
Herr Uecker, 1964.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 450.000 - 650.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.