Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 11


11
Antony Gormley
Big Witness, 2013.
Eisenguss
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 736.600

(inklusive Aufgeld)
Big Witness. 2013.
Eisenguss.
Auf der Unterseite mit der eingeschlagenen Werknummer. Unikat. 308 x 63,5 x 45 cm (121,2 x 25 x 17,7 in).
Antony Gormley sieht die stetige Veränderung der Patina als eine natürliche Reaktion des Materials auf das Wetter und andere Umweltfaktoren. Über die Jahre hinweg entsteht - wie auch bei seinen so berühmten Arbeiten im öffentlichen Raum - eine natürliche, ästhetisch besonders reizvolle, orangerote Rostpatina, die Gormley schon bei der Konzeption und der Auswahl der Materialitäten intendiert und durch die einmal mehr die Beziehung zwischen Mensch und Raum, zwischen Skulptur und Umgebung aufgegriffen wird.

• Für den Innen- wie auch für den Außenbereich konzipiert.
• Aus der Werkgruppe der "Big Blockworks" (2012–2017).
• Nicht nur das Werk selbst, sondern auch die reizvolle orangerote Rostpatina spiegelt in ihrer Reaktion auf äußere Umwelteinflüsse die Essenz von Gormleys gesamtem künstlerischen Schaffen, seine Überlegungen zu Figur und Raum, wider.
• Die Skulpturen des Künstlers befinden sich weltweit in bedeutenden musealen Sammlungen, darunter die Tate Gallery und die Royal Academy in London, das San Francisco Museum of Modern Art und das Museum of Contemporary Art in Los Angeles.
• Bis zum 3. März 2024 zeigt das Musée Rodin in Paris die umfassende Einzelausstellung "Antony Gormley. Critical Mass".
• Der Turner-Preisträger wird durch die renommierte Galerie Thaddaeus Ropac vertreten
.

PROVENIENZ: Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg.
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (2013 vom Vorgenannten erworben).


"The series started with the idea of building using physical pixels, but the small blocks turned into ever bigger blocks and description gave way to the realisation that the way one block sat on top of another could carry the feeling of inhabiting a body. At this larger scale, what the blocks do to each other is the critical thing.
When you are standing around and doing nothing in particular, it is nice to stack your arms on top of your head. Suddenly you are a sculpture: you can feel those weights and measures not as they can be depicted
but as they are."
Antony Gormley über seine Werkreihe "Blockworks".

"What is iron? Iron is the core of this planet, it's what gives us our magnetic field, it's what gives this planet its specific gravity. For me this is a concentrated earth material and I use it with absolute respect but also purpose [..] to make you aware of everything that you have in terms of freedoms of movement, of existing in time, existing in time in a biological sense, and these objects that are, essentially, industrial fossils, existing in time of a much greater span."

Antony Gormley, 2022, zit. nach: Lehmbruck Museum, 25.1.2023, https://www.youtube.com/watch?v=MrusJhhNr5E.

Körper und Raum
Bereits seit fast fünf Jahrzehnten befasst sich der britische Bildhauer Sir Antony Gormley in seinen Skulpturen und Installationen mit der Beziehung zwischen dem menschlichen Körper und dessen räumlichem Umfeld. "I found the body right at the beginning", erklärt der Künstler selbst (A. Gormley, zit. nach: Louise Cohen, As I See It, 19.10.2016, https://www.royalacademy.org). Für seine ersten Kunstwerke hüllt er 1973 die liegenden Körper seiner Freunde in mit Gips getränkte Bettlaken ein, sodass das getrocknete Laken schließlich als leere Hülle das Volumen und die Umrisse der menschlichen Körper nachformen. Seitdem beschäftigt sich sein gesamtes künstlerisches Schaffen durch eine kritische Auseinandersetzung mit seinem eigenen Körper und später auch dem Körper anderer Menschen mit existenziellen Fragen, die sich stets um die Verortung des Menschen im Verhältnis zur Natur, zu Raum und Kosmos drehen. Dabei ist es Gormleys Anliegen, mit der Betrachtung seiner Kunstwerke und damit mit dem Raum, in dem sich die Arbeiten befinden, einen Ort zu schaffen, an dem sich der Betrachter oder die Betrachterin mit sich selbst, mit der eigenen Existenz, mit Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen auseinandersetzt. Die Betrachter und Betrachterinnen sind für die Werke von großer Bedeutung. In jedem rufen die Skulpturen unterschiedliche innere Zustände und Emotionen hervor, erklärt der Künstler selbst: "I want to use material mass and the orthogonal forms of the built environment to evoke internal states. [The sculptures are] incomplete without the subjective witness of the citizen: each work in its different way calls on him/her to simultaneously project and recognise internal affinities in the attitude carried by the block piles.“ (A. Gormley, 2019, zit. nach: https://www.antonygormley.com/works/exhibitions/stand)

"Angel of the North". Antony Gormleys Arbeiten im öffentlichen Raum
Für seine früheren Arbeiten lässt der Künstler oftmals noch seinen eigenen Körper durch Gipsabrücke abformen, bspw. für die Skulpturen-Installation "Another Place" (1997), die zu Gormleys bekanntesten Werken gehört. "Another Place" entsteht für eine vom Landschaftsverband Stade initiierte Gemeinschaftsausstellung des Cuxhavener Kunstvereins und wird 1997 zunächst im deutschen Wattenmeer und anschließend auch in Stavanger in Norwegen aufgestellt. Seit 2005 ist die Installation permanent am Strand von Crosby in der Nähe von Liverpool zu sehen. Gormleys wohl bekannteste öffentliche Arbeit ist die monumentale Stahlskulptur "Angel of the North" (1998), eine menschenähnliche Figur mit ausladenden Flügeln, die mit 20 Metern Höhe bereits über große Entfernungen hinweg sichtbar ist. Auf der Autobahn M1 von Süden kommend auf dem Weg Richtung Newcastle im Norden Englands scheint sie auf einem kleinen Hügel thronend die gesamte Gegend zu überblicken. Mit diesem geflügelten Werk, das sich an der Stelle eines früheren Kohlebergwerks befindet, will Gormley den Menschen dieser Region in unseren postindustriellen Zeiten ein Gefühl von Hoffnung vermitteln und an eine vergangene Ära – an die vielen Menschen erinnern, die in den vergangen 300 Jahren unter der Erde gearbeitet haben.

Später entstehen Installationen wie "Clearing" (2004–2019), in denen Gormley einen begehbaren Raum mit einer mehrere Kilometer langen, zu Kreisen geschwungenen schmalen Aluminiumröhre füllt und die Besucher und Besucherinnen damit zwingt, über Teile der Installation zu steigen, sich unter der Röhre hindurchzuducken und sich so gegenüber dem Ausstellungsraum immer wieder neu zu positionieren. 2007 füllt Gormley für seine Ausstellung "Blind Light" in der renommierten Londoner Hayward Gallery einen gläsernen Raum mit dichtem Nebel, in dem die ihn betretenden Besucher und Besucherinnen nach wenigen Schritten vollends zu verschwinden scheinen. Wie viele von Gormleys Arbeiten stellt auch diese Arbeit die Art und Weise in Frage, mit der sich der Mensch durch die moderne Welt bewegt: oftmals ohne sich des eigenen Körpers oder der Umwelt und Umgebung um uns herum bewusst zu sein.

Die "Big Blockworks" und "Big Witness"
Wie in seinen Installationen und den berühmten Arbeiten im öffentlichen Raum beschäftigen sich auch Gormleys abstrahierte Skulpturen immer schon mit Mensch und Raum. Ausgehend von seinen früheren, nach dem eigenen Körper abgeformten Werken, unterziehen sich die Arbeiten im Laufe der Jahre einer größeren Abstrahierung. Das hier angebotene Werk gehört zu der 2012 begonnenen Werkgruppe "Big Blockworks". Die aus kantigen Kuben zusammengesetzten Figuren erinnern zunächst an übereinandergestapelte Bauklötze oder an überdimensionale physische Pixel. Doch auch in diesen Arbeiten ist Gormleys stets intendierter Bezug zum Menschlichen, seine Andeutung einer Körperform erkennbar. Der unterste Kubus verkörpert die Füße, und auch Kopf, Schultern, Hüfte und sogar verschränkte Arme lassen sich in den minimalistischen, streng geometrischen Würfelformen entdecken, die eigentlich so weit wie nur irgend möglich von den geschwungenen und detaillierten anatomischen Gliedmaßen des menschlichen Körpers entfernt und ihm doch so ähnlich sind.

2019 sind noch monumentalere, jedoch vergleichbare "Blockwork"-Arbeiten Zentrum der Ausstellung "STAND" im Philadelphia Museum of Art. Wie auch in der hier angebotenen Arbeit fordern die monumentalen abstrahierten Körperformen den Betrachter zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst heraus. Diese Kraft, diese besondere Fähigkeit seiner Skulpturen attestiert Gormley auch der Bildhauerei im Allgemeinen: "I think sculpture is good for those of us who are alive to feel more alive, to sense the brilliant miracle of being and posessing a precious human existance. And I hope that sculpture can in some way concentrate our sense of being, of being alive, of having feeling and thinking powers.“ (A. Gormley, zit. nach: Lehmbruck Museum, 13.2.2023, https://www.youtube.com/watch?v=el9Jd5iwEt8) Zu diesem Gedanken passt auch Gormleys Umgang mit der durch äußere Einflüsse, durch Wetter und Umweltfaktoren hervorgerufene Veränderung der Patina seiner sowohl für den Innen- als auch für den Außenraum konzipierten Eisenguss-Skulpturen. Über die Jahre hinweg entsteht eine natürliche, ästhetisch besonders reizvolle, orangerote Rostpatina, die Gormley schon bei der Konzeption und der Auswahl der Materialitäten intendiert und welche einmal mehr die Beziehung zwischen Mensch und Raum, zwischen Skulptur und Umgebung thematisiert.

Über 30 Jahre anhaltende, internationale Wertschätzung
Antony Gormley studiert in den 1960er und 1970er Jahren Archäologie und Kunstgeschichte am Trinity College der University of Cambridge und Bildhauerei am Central Saint Martins College of Art and Design sowie am Goldsmiths College in London. Bereits seit den 1990er Jahren zählt Gormley zu den bedeutendsten zeitgenössischen Bildhauern. Insbesondere seine im öffentlichen Raum präsentierten monumentalen Skulpturen haben dem Künstler zu großer, internationaler Bekanntheit verholfen. Schon 1994 erhält er den renommierten Turner Prize, 1997 den Order of the British Empire (OBE) und 2013, im Entstehungsjahr der hier angebotenen Arbeit, den Praemium Imperiale der Japan Art Association für Bildhauerei. Seit 2003 ist er Mitglied der Royal Academy in London. 2014 wird er von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen. Seine Zeichnungen und Skulpturen sind Teil bedeutender internationaler Museen. Allein in diesem Jahr bespielt der britische Künstler das TAG Art Museum in Qingdao (China) und das Lehmbruck Museum in Duisburg mit groß angelegten Einzelausstellungen. Bis zum 3. März 2024 ist seine umfassende Ausstellung "Critial Mass" im Musée Rodin in Paris zu sehen. Frühere Einzelausstellungen zeigen u. a. die Royal Academy of Arts in London (2019), die Uffizien in Florenz und das Philadelphia Museum of Art (2019), das Long Museum in Schanghai (2017), die National Portrait Gallery in London (2016), die Hamburger Deichtorhallen (2012), die Malmö Konsthall (1993) und das Louisiana Museum in Humlebæk (1989). [CH]



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Antony Gormley
Big Witness, 2013.
Eisenguss
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 736.600

(inklusive Aufgeld)