Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000312


124000312
Karl Hartung
Umschlossener Raum, 1953.
Bronze, poliert
Schätzpreis: € 100.000 - 150.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Umschlossener Raum. 1953.
Bronze, poliert.
Eines von 6+1 Exemplaren. Ca. 124 x 164 x 83 cm (48,8 x 64,5 x 32,6 in).


• Eine der seltenen, großformatigen Arbeiten des Künstlers.
• Ausdrucksstarke Symbiose aus klarer, abstrahierter Formensprache und besonders sinnlicher Materialität.
• Die räumliche Präsenz und reizvollen Durchblicke eröffnen sich aus jeder Betrachtungsperspektive.
• Ein weiteres Exemplar dieser Bronze befindet sich in der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Schloss Gottorf in Schleswig.
• Ein Exemplar dieses Großplastik wird erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten (Quelle: artprice.com)
.

Wir danken dem Nachlass Karl Hartung für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.

AUSSTELLUNG: Bildhauer und Maler am Steinplatz, Staatliche Kunsthalle, Berlin, 29.10.-23.11.1986 (anderes Exemplar).
Karl Hartung 1908-1967. Eine Werkübersicht zum 80. Geburtstag, Galerie Pels-Leusden, Berlin, 3.9.-29.10.1988, S. 70, Kat.-Nr. 52 (anderes Exemplar).
Karl Hartung. Skulpturen und Zeichnungen, Galerie Utermann, Dortmund 1989 (anderes Exemplar).
Blickachsen 4, Bad Homburg, 18.5.-5.10.2003 (anderes Exemplar).
50 Jahre gesammelt für Schloss Gottorf 1970-2020 (50 Jahre Kulturring), Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Schloss Gottorf, Schleswig, 31.3.-3.10.2022, S. 152 (m. Abb., anderes Exemplar).
Reine Formsache. Hommage an Karl Hartung, 16.7.-17.12.2023, Herbert-Gehrisch-Stiftung, Neumünster.

LITERATUR: Markus Krause, Karl Hartung 1908-1967. Metamorphosen von Mensch und Natur (Monographie und Werkverzeichnis), München 1998, S. 237, WVZ-Nr. 502 (m. Abb.).

Ab den 1930er Jahren durchläuft Hartungs Kunst einen Wandel, eine Abkehr von der naturalistischen und realistischen deutschen Bildhauerei. Hartung schafft einige gänzlich abstrakte Arbeiten und unterzieht auch seine figürlichen Werke einer stärkeren Abstrahierung. Die menschliche, vornehmlich weibliche Figur, ihre Formen und ihre Physiognomie bleiben zwar ein wichtiges Thema seines Œuvres, doch die radikale Reduktion und der hohe Grad an Abstraktion einiger seiner Werke ist zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich. So entstehen Ende der 1940er Jahre bis in die frühen 1950er Jahre u. a. seine "Vegetativen-", "Freien-" und "Organischen Formen", in denen er die Grenze zur Abstraktion überschreitet, eine ganz neue, freie Formensprache findet und bereits die Idee der mit Öffnungen durchzogenen plastischen Form auslotet, die in "Umschlossener Raum" von 1953 schließlich ihren Höhepunkt findet.

Das Werk zeigt keinerlei Nachahmung der Natur oder Andeutungen menschlicher Physiognomie. Stattdessen schafft Hartung eine besonders grazile, dynamische Linearkomposition mit spannungsreicher Asymmetrie, Rundungen und Geradlinigkeit, sanft geschwungenen Formen und spitz zulaufenden Enden. Drei Linienelemente verlaufen in schrägen, sowohl aufsteigenden als auch abfallenden dynamischen Diagonalen von einer Spitze zur anderen und erzeugen große Öffnungen, durch die der Betrachter den umliegenden Raum wahrnimmt, der sich zugleich in der polierten Oberfläche spiegelt. Hartung entwirft somit einen Innen- und Außenraum: einen Raum innerhalb des Liniengerüsts, der sich durch Öffnungen und Spiegelungen mit dem Außenraum verbindet und eine harmonische und zugleich reizvolle Symbiose bildet. Statt voluminöser Plastizität entwirft Hartung eine lineare, sich je nach Betrachtungsstandpunkt verändernde, elegante Komposition von raumgreifender Größe und sinnlich-glänzender, das Licht reflektierender Materialität, die als autonomes Gebilde und allgemeingültige, abstrahierte Form von zeitloser Schönheit innerhalb von Hartungs Schaffen ganz für sich allein steht.

Bereits kurz nach Ende des Krieges gelingt Karl Hartung der endgültige künstlerische Durchbruch. Erste Einzelausstellungen seiner Arbeiten finden in der Galerie Gerd Rosen (1946 und 1948) und in der Galerie Springer in Berlin statt. 1949 nimmt Hartung an der ersten großen Ausstellung der 1948 gegründeten internationalen Künstlervereinigung "CoBrA" im Stedelijk Museum in Amsterdam teil. 1952 zeigt das Haus am Waldsee, Berlin, eine umfassende Werkschau seines Schaffens und im Entstehungsjahr unserer Arbeit folgen weitere groß angelegte Einzelausstellungen, u. a. im Museum Folkwang, Essen, in der Kestner-Gesellschaft, Hannover, im Osthaus Museum, Hagen, und in der Bremer Kunsthalle (1953/54).
Mit seiner um 1950 entwickelten, eigenständigen und singulären Position innerhalb der abstrakten Kunst etabliert sich Karl Hartung neben zeitgenössischen Größen wie beispielsweise Hans Arp, Barbara Hepworth und Henry Moore als bedeutender Vertreter der abstrakten Bildhauerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. [CH]



124000312
Karl Hartung
Umschlossener Raum, 1953.
Bronze, poliert
Schätzpreis: € 100.000 - 150.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.