Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000684

abbildung folgt


124000684
Markus Lüpertz
Zaun (dithyrambisch), 1967.
Dispersionsfarbe auf Leinwand, dreiteilig
Schätzpreis: € 100.000 - 150.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Zaun (dithyrambisch). 1967.
Dispersionsfarbe auf Leinwand, dreiteilig.
Links unten signiert "MARKUS". Verso auf dem Keilrahmen jeweils nummeriert von links nach rechts 1 - 3 - 2, sowie jeweils mit zwei Sammleretiketten, eines mit Werknummer "LÜP 77/007", und Ausstellungsetikett Galerie Daniel Blau. 283,5 x 414 cm (111,6 x 162,9 in).


• Monumentales Triptychon aus den wegweisenden Anfängen der "dithyrambischen" Malerei, mit der Lüpertz selbstbewusst die Bühne der Nachkriegskunst betritt.
• Seltenes Extremformat – größtes bisher auf dem Auktionsmarkt verfügbares Gemälde (Quelle: artprice.de).
• Schlüsselwerk des provokanten künstlerischen Standpunktes: profanes Motiv in Kombination mit überwältigendem Pathos.
• Als langjährige Dauerleihgabe in der Hamburger Kunsthalle ausgestellt.
• Werke des Künstlers sind in den wichtigsten internationalen Sammlungen vertreten, darunter die Pinakothek der Moderne, München, das Museum of Modern Art, New York, die Tate Gallery, London, sowie das Centre Pompidou, Paris
.

PROVENIENZ: Onnasch, Berlin (1977 vom Künstler erworben).

AUSSTELLUNG: Markus Lüpertz. Grüne Bilder, Reinhard Onnasch Ausstellungen, Berlin, 16.6.-10.7.1982, Kat.-Nr. 3 (m. Abb.).
Dauerleihgabe, Hamburger Kunsthalle, ab Februar 1997.
Lüpertz: Riesenbilder, Galerie Daniel Blau, München, 3.2.-31.3.2006.
Markus Lüpertz, El Sourdog Hex, Berlin, 9.3.-25.4.2009.
Markus Lüpertz. Hauptwege und Nebenwege. Eine Retrospektive. Bilder und Skulpturen von 1963 bis 2009, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 9.10.2009-17.1.2010, Kat.-Nr. 22 (m. Abb. S. 36f.).

LITERATUR: Bernhard Kerber, Rainer Borgemeister, Bestände Onnasch, hrsg. von Reinhard Onnasch mit Unterstützung des Neuen Museums Weserburg Bremen, Berlin/Bremen 1992, S. 245.
Nineteen artists, El Sourdog Hex, hrsg. von Reinhard Onnasch, Berlin 2010 (Abb. S. 152f. und 158f.).

"Genie ist einfach nur eine Voraussetzung, die man braucht, um das Gewöhnliche, das Menschliche, das Handicap des Seins zu überwinden. Genie ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Künstler betreiben einen Beruf, der das Außergewöhnliche zur Norm hat. Dieser Erhabenheit müssen wir entsprechen."
Markus Lüpertz im Gespräch mit Rene S. Spiegelberger, 28.10.2013, zit. n.: www.spiegelberger-stiftung.de/ateliergesprache/markus-luepertz/

Pathetische Monumentalität in Verbindung mit scheinbarem Bedeutungsvakuum: Die Gemälde des jungen Lüpertz aus den 1960er Jahren sind intelligente Provokationen und herausfordernde Infragestellungen der Konventionen der Malerei. Mit "Zaun – dithyrambisch" schafft Lüpertz ein frühes, emblematisches Programmbild. 1962 zieht er 21jährig nach West-Berlin. Im Geiste der damals zu spürenden Aufbruchstimmung wird auch die Kunst einer Revision unterzogen. Lüpertz erscheinen Pop-Art und abstrakter Expressionismus in ihrer oftmals dekorativen, rein auf formale Bildprobleme reduzierten Bedeutungslosigkeit einerseits, andererseits aber ebenso eine figurative Malerei, die sich in den Dienst politischer Systeme und deren Propaganda zwängen lässt, als überholt. Seine eigene, wirkungsvolle Position formuliert Lüpertz im Jahr 1966 ganz in der Tradition der Avantgarden manifestartig mit der Ausstellung "Dithyrambische Malerei. Kunst, die im Wege steht" in der Produzentengalerie Großgörschen 35 in Berlin. Die folgende Ausstellung 1968 in der Galerie Springer in Berlin wird begleitet von dem Manifest "Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene Dithyrambe sichtbar gemacht". Dabei sind Dithyramben in der antiken Chorlyrik die Hymnen auf den Gott Dionysos, durch die ein bewusstseinserweiternder, rauschhafter Zustand erlangt und der Fluss der Inspiration angeregt werden sollte. In einem solchen die Malerei erweiternden Sinn macht sich Lüpertz den Begriff gewissermaßen als Marke zu eigen. Die Motive von Lüpertz' dithyrambischer Malerei sind dabei kunsthistorisch wie kulturell ohne ersichtlichen tieferen Symbolgehalt: Mauern, Telegrafenmasten, Baumstämme, Wäsche an der Leine, Steppdecken, Zelte und Spargelfelder treffen scheinbar wahllos aufeinander. Der Zaun etwa als Protagonist des vorliegenden Gemäldes ist zunächst nur rein formaler, fast abstrakter Bildinhalt – in der Pathosformel des Triptychons, dabei auch um phallische und anthropomorphe Qualitäten angereichtert, gewinnt er neue Dimensionen. Zudem beschränkt sich Lüpertz bei den Gemälden dieser Zeit häufig auf die Farbtöne Grün, Blau, Gelb und Braun, die den Motiven einheitlich und unabhängig von jeweiligen Lokalfarben verliehen und so zum weiteren abstrahierenden Element werden. Die Zäune, Mauern, Masten und Stämme sind Teil dieser "Kunst, die im Wege steht", die stört, die die Betrachtenden zwingt, geistige Umwege zu gehen und gewissermaßen hinter, darunter und um das auf der Bildfläche gezeigte herum zu blicken. Lüpertz' ureigenster kreativer Antrieb entspringt dabei diesem Akt der Herausforderung durch die leere Leinwand, der sowohl bestätigenden Erfahrung der eigenen Fähigkeiten als auch des möglichen tragischen Scheiterns, der rauschhaften Erhabenheit des Malens und des Sich-selbst-Überwindens. Malerei als Ausdrucksform erreicht damit episches Ausmaß. Seinen Status als großer deutscher "Malerfürst" erringt Lüpertz nicht zuletzt, indem er tradierte Motive und Bildformeln immer neu hinterfragt mit dem Ziel, die "große Entwicklung des Bildes in der Kunstgeschichte fortzuschreiben." [KT]



124000684
Markus Lüpertz
Zaun (dithyrambisch), 1967.
Dispersionsfarbe auf Leinwand, dreiteilig
Schätzpreis: € 100.000 - 150.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.