Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 19


19
Willem de Kooning
Garden Landscape, 1977.
Öl auf einer Doppelseite Zeitungspapier von Jan...
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 241.300

(inklusive Aufgeld)
Garden Landscape. 1977.
Öl auf einer Doppelseite Zeitungspapier von January 23, 1977, auf Leinwand aufgezogen.
Rechts unten signiert. 56,5 x 71,7 cm (22,2 x 28,2 in).
[AR].

• Willem de Koonings Abstraktionen basieren nicht auf dem Gesehenen, sondern auf dem Empfundenen.
• Dreimalige Teilnahme an der documenta in Kassel: 1959, 1973 und im Entstehungsjahr 1977.
• Arbeiten des Künstlers sind auf dem europäischen Auktionsmarkt eine absolute Rarität.
• Eine vergleichbare Arbeit auf Zeitungspapier aus dem Jahr 1976 befindet sich im Museum of Modern Art in New York.
• Eine Landschaft aus demselben Entstehungsjahr erzielte mit 66 Millionen Dollar den Weltrekord
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Washington, D.C. (direkt vom Künstler erworben).
Privatsammlung New York (von Vorgenanntem erworben).
Washburn Gallery, New York (verso m. dem Galerieetikett).
C&M Arts, New York.
Waddington Galleries, London (verso m. dem Galerieetikett).
Privatsammlung Chicago (1997 von Vorgenanntem erworben).

LITERATUR: American Art: A selection from Waddington Galleries, London 1997, Kat.-Nr. 7 (m. Farbabb.).

"Es gibt eine Zeit im Leben, in der man einfach spazieren geht: Und man geht in seiner eigenen Landschaft spazieren."

Willem de Kooning

"When the light hits the ocean there is kind of a grey light on the water. […] Indescribable tones, almost. I started working with them and insisted that they would give me the kind of light I wanted. […] I got into painting in the atmosphere I wanted to be in. It was like the reflection of light. I reflected upon the reflections on the water, like the fishermen do."
Willem de Kooning, zit. nach: Harold Rosenberg, "Interview with Willem de Kooning", Art News 71, Sept. 1972, S. 54-59, in: Kunstmuseum Basel (Hrsg.), De Kooning Paintings, 1960-1980, Ostfildern 2005, S. 152.

Die Landschaft im Mittelpunkt
Willem de Kooning gilt als führender Vertreter des abstrakten Expressionismus und wird in den USA als zentrale Figur der Malerei des 20. Jahrhunderts gefeiert. In Europa hingegen verspricht der 1904 in Rotterdam geborene, 1997 in New York verstorbene Künstler noch immer in seiner vollen Bedeutung eine wunderbare Entdeckung. Dies gilt insbesondere für sein Werk der 1960er und 1970er Jahre, in denen er – zurückgezogen vom Großstadtleben – auf Long Island lebt und arbeitet. Hier wird sein Werk durch die elementare Erfahrung der Landschaft an der Küste des Atlantiks geprägt, hier entwickelt sich erneut die Figuration, die de Kooning doch nie wirklich verlässt: diese Anverwandlung von Mensch und Landschaft, das sich wechselseitige Verschlingen von Körper und Landschaft in neuer Farbigkeit und leidenschaftlicher Gestik. So sind es Details, in einem größeren Zusammenhang zu sehen, die de Koonings Biografie mit einigen seiner wichtigsten kreativen Triebfedern verbindet – insbesondere mit seiner Beschäftigung mit der Landschaft. Historisch gesehen ist de Kooning einer der abstrakten Expressionisten, der für seine Frauenbilder gefeiert wird, die er über fast dreißig Jahre lang, beginnend in den frühen 1940er Jahren entwickelt. Seine Landschaften mögen zwar ebenfalls eine grundlegende Tradition in seinem Werk suggerieren, aber auch sie sind sehr abstrakt und beziehen sich manchmal nur auf ihre Inspiration in der Überschrift, wie hier: "Garden Landscape".

Von 1963 an lebt de Kooning in Springs, East Hampton, eine vom Meer dominierte, vom Meer geprägte Landschaft. Und es ist nicht abwegig, die Farbe Blau – wie hier – mit de Koonings Landschaftsmotiven in Verbindung zu bringen. Auch wenn wir dieses Blau durchaus in den "Frauen-Bildern" entdecken und man den Eindruck gewinnt, dass für de Kooning die weibliche Figur wie eine Landschaft wirkt, eine immerwährende Metamorphose zwischen Landschaft und Figur besteht. Vielleicht ist es wie hier die Aura der Natur, aber mit den warmen, sandigen Gelbtönen, die wiederum von den intensiven Blautönen umspült werden. "Ich gehe zum Louse Point, einem schönen Strand am Long Island Sound, wo das Wasser ruhig ist, kein wilder Ozean. Ich denke darüber nach. Das Wasser reflektiert, aber ich reflektiere über das Wasser." (zit. nach: David Anfam, Willem de Kooning. Garden in Delft. Landscapes, New York 2006) Ob diese Landschaft hier also etwas von fließendem Wasser erzählt?

Bereits ab 1959 verbringt de Kooning die Sommer in den East Hamptons, er flüchtet aus dem lauten urbanen Manhattan – wie seine Zeitgenossen Jackson Pollock und Arshile Gorky, die aufs Land gezogen waren. 1963 verlässt er New York ganz und lässt sich in der lichtdurchfluteten, ruhigen Atmosphäre der Küstenregion der East Hamptons nieder. Nachdem er sich zwischen 1969 und 1975 gänzlich der Plastik und Grafik widmet, kehrt er 1975 zur Malerei zurück. Das Licht des Ozeans, die Vegetation sowie die Lichtspiele der langen Sandstrände entfesseln in Willem de Kooning eine neue malerische Kraft und Virtuosität. Die zwischen 1975 und 1978 in den East Hamptons entstandenen Gemälde zählen heute zu den gesuchtesten im Oeuvre des Künstlers.

Farbprächtige Transformation der Landschaft
Es ist anzunehmen, dass de Kooning von einer realen Landschaft ausgeht, die sodann als ein Ergebnis von Assoziationen in farbigen Schichten erscheint und den Betrachter herausfordert, die Bildelemente für sich zu ordnen und zu einem Ganzen zu binden. So etwa der starke, dunkelblaue Farbwert in der oberen Hälfte des Gemäldes, dem ein darunterliegendes Feld Gelbocker mit roten Gesten und braunen Pinselspuren die Waage hält, um in der kontemplativen Betrachtung den Kompositionscharakter dieser Landschaften zu erfühlen. Wobei de Kooning, so ist es anzunehmen, auf einer Transformation des Realen besteht, dabei aber weniger das Gesehene als abstrahiert meint, sondern vielmehr die Empfindung desselben in seine Malerei umsetzt. Zwar kann mit dem blauen Farbwert 'Himmel' und mit dem daruntergelegenen Farbfeld irgendeine vage Form von Strand verknüpft werden, aber mehr als eine gefühlsmäßige und höchst subjektive Zuordnung ist dies nicht. Und natürlich ist auch diese Landschaft mit dem de Kooning eigenen Rhythmus der Pinselstriche entstanden, die von der Bewegung seines ganzen Arms angetrieben werden. Eine malerische Geste, die selbst in dieser verhältnismäßig kleinen Komposition denselben ihm eigenen, ausladenden Schwung zeigt.

Landschaftsimpressionen de Koonings zeichnen sich durch ihre expressive Malweise und durch ein bedingt hohes Maß an gestischer Abstraktion aus. Manchmal, wie hier, helfen Titel dem Betrachter, sich seinen Impulsen zu nähern, und die Landschaft beginnt sich vor dem geistigen Auge zu formieren. Willem de Kooning malt diese Landschaft auf eine Doppelseite der New York Times von Sonntag, dem 23. Januar 1977, ohne dass damit das Entstehungsdatum sicher benannt werden kann. [MvL]



19
Willem de Kooning
Garden Landscape, 1977.
Öl auf einer Doppelseite Zeitungspapier von Jan...
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 241.300

(inklusive Aufgeld)