Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 77


77
Konrad Klapheck
Die Rettung, 1989.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 254.000

(inklusive Aufgeld)
Die Rettung. 1989.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert und datiert. Auf der Rahmenabdeckung mit einem Etikett, dort handschriftlich betitelt und bezeichnet. 67 x 34 cm (26,3 x 13,3 in).
Mit der titel- und formatgleichen Vorzeichnung (Die Rettung, 1989. Kohle, farbige Kreide und Bleistift auf Transparentpapier, 67,3 x 34 cm, vormals Los 78). [JS].

• In "Die Rettung" hat Klapheck, der Meister der "Supergegenständlichkeit", ein komplexes Sinnbild geschaffen, das Freiheitshoffnungen und Jenseitsvorstellung in einer radikal modernen Ästhetik vereint.
• Klapheck gilt als Erfinder und Meister des "Maschinenbildes", das er als Spiegel menschlicher Existenz begreift.
• Klaphecks kühl inszenierte Charaktergegenstände faszinieren durch die Kombination aus rational durchkalkuliertem Schaffensprozess, assoziativer Dichte und emotionaler Vielschichtigkeit.
• Seit Entstehung Teil einer süddeutschen Privatsammlung.
• Seltene Gelegenheit das Gemälde und die formatgleiche "Vorzeichnung" in einer Auktion zu erwerben
.

Die Arbeit ist unter der Werknummer 295 im Archiv des Künstlers registriert. Wir danken Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (direkt vom Künstler erworben).

"Meine beiden Eltern waren schriftstellerisch als Kunsthistoriker tätig, was mich entscheidend geprägt hat, auch die Bibliothek, die größtenteils aus Kunstbüchern bestand. Also, die Kenntnis von Dürer und Holbein hatte ich mit sieben Jahren [..]. Die Vorstellung, dass man die Zeit nutzen muss, wurde mir von den Eltern vorgelebt. Der Vater verschwand früh, er starb als ich vier Jahre alt war, und das hat meine Vorstellung von der Endlichkeit der Zeit verstärkt."
Konrad Klapheck, 2002, in: Konrad Klapheck. Bilder und Texte, Ausst.-Kat. Düsseldorf 2013, S. 118

Klaphecks sezierendem Blick auf seine alltägliche Umwelt ist nichts entgangen, und so widmet er sich in seinen späteren Arbeiten verstärkt den kleinen Protagonisten des Alltags, wie Kabeln, Ketten, Steckern und Schlüsseln. Ausgehend von den meist weiblich-mütterlich assoziierten Haushaltsgeräten der 1950/60er Jahre, finden sich später mit Fahrrädern, Motorrädern und Rollschuhen Erinnerungen an die eigene Jugend und die seiner Kinder. Seit dem Tod seiner Mutter (1986) und seiner Frau (1987) finden auch vermehrt Glaubens- und Jenseitsvorstellungen in Klaphecks Werk Aufnahme. Nachdem seine Frau bei einem Brand unerwartet ihr Leben verlor, malt Klapheck, dessen Frau jüdischen Glaubens war, 1988 eine rote Schreibmaschine mit hebräischen Buchstaben und benennt dieses Werk "Schmerz". Arbeiten mit den Titeln "Das Opfer", "Bekenntnis" (1989, Hamburger Kunsthalle), "Angst" und "Schicksal" folgen. Drei Jahre nach der vorliegenden Arbeit malt Klapheck einen im Schlüsselkästchen angeketteten Schlüssel und gibt dem Gemälde den vielsagenden Titel "Der verhinderte Apostel" (1992, Privatsammlung Süddeutschland). Auch in unserem Gemälde liegt es deshalb nahe, den Schlüssel mit der roten Drahtaufhängung in Form einer Unendlichkeitsschleife und dem Titel "Die Rettung" mit dem Tor zum Himmelreich in Verbindung zu bringen. Klapheck war als Nichtjude mit einer jüdischen Frau verheiratet, und es ist gerade die Jenseitsvorstellung, die sich im Judentum deutlich vom Christentum unterscheidet. Im Gegensatz zum Christentum, in dem Christus als der auferstandene Messias im Zentrum der Glaubensvorstellung steht, spielen Jenseitsvorstellungen im Judentum eine deutlich geringere Rolle. Die Himmelfahrt der Heiligen und die Auferstehung der Toten ist jedoch ein im Christentum fest verwurzelter Glaubensgrundsatz, dem auch in der christlichen Kunst seit dem Mittelalter eine zentrale Rolle zukommt. Klapheck, dessen Eltern beide Kunsthistoriker waren, war seit früher Kindheit durch Abbildungen in Büchern mit dieser reichen kunsthistroischen Tradition vertraut. Bei Klapheck ist der Schlüssel also einerseits Sinnbild unserer Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben, er ist "Die Rettung", der Hoffnungsschimmer, der uns bei aller Gewissheit um die Endlichkeit unseres irdischen Daseins bleibt. Andererseits kann er 1989, im Jahr des Mauerfalls gemalt, auch als der Schlüssel zur Freiheit gelesen werden. Eine Deutungsvariante, die vor allem durch die auf der Vorzeichnung dokumentierte und von Klapheck nicht ins Gemälde übernommene Zahl "1789" an Bedeutung gewinnt, denn das Jahr 1789 markiert den Ausbruch der Französischen Revolution, ein historisch bedeutender Aufbruch in Richtung Demokratie und Freiheit. Beide Lesarten stehen gleichwertig nebeneinander und gewinnen oder verlieren je nach Betrachter oder Betrachterin an Bedeutung und werden zudem durch persönlich-individuelle Assoziationen ergänzt. 1990, ein Jahr nach der Entstehung des vorliegenden Gemäldes, hat Klapheck seinen Schmerz nach dem Tod seiner Frau und seine Wendung von stärker diesseitigen zu existenzielleren Bildinhalten in einem Interview folgendermaßen beschrieben: "Das Motorrad (Die Jagd nach dem Glück) habe ich vorher gemalt, 1984, aber diese rote Schreibmaschine mit den hebräischen Buchstaben (Schmerz [..]) entstand nach ihrem Tod. Ich nahm als Nichtjude an der jüdischen Beerdigung meiner Frau teil. Mein Sohn David musste nach der Vorschrift am offenen Grab das Totengebet sprechen. [..] Es war ein Frühlingstag, die Sonne blendete, als er das Gebet sprach, und als er herunterkam war ein inneres Strahlen in ihm." (K. Klapheck, 1990, zit. nach: Klapheck. Bilder und Texte, Ausst.-Kat. Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2013).
Der vor unseren Augen in Supergegenständlichkeit auf die Leinwand gesetzte und damit zum Greifen nah erscheinende Schlüssel setzt beim Betrachtenden ein assoziatives Gedankenspiel in Gang, das um persönliche, politisch-gesellschaftliche bis hin zu existenziellen Fragestellungen kreist. Klapheck hängt uns in "Die Rettung" den Schlüssel zum Tor der Freiheit und des ewigen Lebens als den zentralen Hoffnungsschimmer unserer irdischen Existenz vor die Nase, er ist surreal-real, scheinbar zum Greifen nah und bleibt doch künstlerische Fiktion. In diesem Sommer ist Konrad Klapheck der Meister der Supergegenständlichkeit gestorben. Er hat uns ein komplexes künstlerisches Œuvre zurückgelassen, dem es gelingt, scheinbar Gegensätzliches zu vereinen: Eine Malerei von distanziert-kühler Ästhetik, die emotional nahegeht und berührt. [JS]



77
Konrad Klapheck
Die Rettung, 1989.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 254.000

(inklusive Aufgeld)