Kunst-Auktionen legen weiter zu
€ 1.740.000 für ein Kinderköpfchen
München, 4. Dezember 2010, (kk) – Für DM 450 wurde Ernst Ludwig Kirchners „Kinderköpfchen” noch Anfang der 1950er Jahre im Stuttgarter Kunstkabinett ersteigert. Seitdem war es nicht mehr auf dem Markt, bis es heute sensationelle € 1.740.000 erlöste.
Robert Ketterer
Von DM 450 auf € 1.740.000: Robert Ketterer versteigert Ernst Ludwig Kirchners „Kinderköpfchen”.

In dem 1906 entstandenen, eindrucksvollen Ölgemälde gelingt dem Künstler in Anlehnung an so große Vorbilder wie Vincent van Gogh ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Expressionismus der „Brücke”. Dies wusste wohl auch ein norddeutscher Privatsammler zu schätzen. Er verwies mit dem Erlös von € 1.740.000* die deutsche und internationale Konkurrenz unter anderem aus den USA auf die Plätze und konnte damit den Aufrufpreis mehr als vervierfachen.

Insgesamt sorgte die Auktion Moderne und Zeitgenössische Kunst für viel Stimmung im Saal und neue Rekorde. „Unsere Herbstauktionen** erlösten € 13.500.000*. Damit konnten wir nicht nur die hervorragenden Herbstergebnisse der letzten beiden Jahre übertreffen, sondern auch das des bisherigen Rekord-jahres 2007”, so Robert Ketterer. „Über 20 Prozent neue Käufer und eine Verkaufsquote nach Losen von fast 80 Prozent in der Modernen Kunst und fast 70 Prozent in der Zeitgenössischen Kunst bestätigen einmal mehr, dass Kunst eine begehrte Form der Anlage ist”.
Top 5

€ 1.740.000* Aufruf: € 400.000
Los 26: Ernst Ludwig Kirchner
Kinderköpfchen

€ 610.000* Aufruf: € 45.000
Los 66: Richard Ziegler
Die Polizei
Weltrekord***

€ 354.000* Aufruf: € 290.000
Los 149: Martin Kippenberger
Kleiner Verkehr …

€ 329.000* Aufruf: € 80.000
Los 9: Gabriele Münter
Landschaft am Meer

€ 317.000* Aufruf: € 180.000
Los 32: Gabriele Münter
Landschaft mit Haus in Oberau

Und weiter: „Was besticht ist Qualität. Das beweisen nicht nur die 15 Erlöse die weit über der € 100.000-Marke liegen, sondern auch die Verkaufsquote (Limit zu Zuschlag) von ausgezeichneten 183 Prozent in der Modernen Kunst sowie beachtlichen 90 Prozent in der Zeitgenössischen Kunst”.

Die thematischen Schwerpunkte der Auktion waren:

1. Moderne Kunst
2. NACH 1945/Zeitgenössische Kunst

Zu 1: Moderne Kunst
Eröffnet wurden die Oktober-Auktionen von der Modernen Kunst, die nicht nur mit Ernst Ludwig Kirchners „Kinderköpfchen” glänzte. Generell fanden die Arbeiten des Brücke-Künstlers großen Anklang und alle neun Werke wurden ausnahmslos abgesetzt. Besonders erwähnenswert ist der 1916 entstandene Holzschnitt „Nervöse beim Dinner” (Los 38). Ein norddeutscher Privatsammler ließ das ausdrucksstarke Werk von aufgerufenen € 30.000 bis auf den Erlös von € 128.000* klettern.

Fast das 14fache des Aufrufpreises von € 45.000 war einem extra aus der Türkei angereister Sammler Richard Zieglers „Die Polizei” (Los 65) wert. Er honorierte das angedeutete Dreiecksverhältnis zwischen dem Künstler, seinem Cousin und einer unbekannten Schönen mit dem Erlös von € 610.000*. Damit setzte er sich nicht nur gegen den Rest des Saales, das Auftragsbuch und gegen Telefonbieter aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum durch, sondern sorgte zudem für die höchste Steigerungsrate der gesamten Auktion und einen neuen Weltrekordpreis***.

Fast komplett veräußerst wurde das üppige Angebot von Werken Gabriele Münters. Ganz oben steht hier die 1919 entstandene „Landschaft am Meer” (Los 9), die es einem süddeutschen Privatsammler angetan hatte. Weder der Saal noch die vier vehement am Telefon Mitbietenden konnten seinen Eifer stoppen. Für den Erlös von € 329.000* (Aufruf: € 80.000) kann er nun die südfranzösische Impressionen evozierende Koposition sein Eigen nennen. Mit einem Erlös von € 317.000* (Aufruf: € 180.000) liegt die „Landschaft mit Haus in Oberau” (Los 32) nur wenig darunter. Ein weiterer Privatsammler aus dem süddeutschen Raum erwarb das eindrucksvolle Ölgemälde mit einem schriftlichen Gebot, das noch viel Raum nach oben ließ.

Eine kubische Verschachtelung von Formen, die als eine äußerst ansprechende „Landschaft mit Häusern” (Los 46) von László Moholy-Nagy 1919 auf Hartfaserplatte verewigt wurde, wanderte bei einer Schätzung von € 140.000-180.000 für den Erlös von € 250.000* nach Norddeutschland.

Ein heftiges Bietgefecht entbrannte um Conrad Felixmüllers „Tiggaren, der Bettler” (Los 68). Die Aquarell- und Gouachearbeit von 1924 nahm schließlich ein im Saal anwesender griechischer Sammler für den Erlös von € 226.000* mit nach Hause. Telefonbieter aus Deutschland und England hatten das Nachsehen.

Ausgezeichnete Erfolge verbuchten neben vier Tuschearbeiten von Lyonel Feininger, Werken von August Macke (Los 8, Aufruf: € 20.000, Erlös: € 55.000*), Christian Rohlfs (Los 56, Aufruf: € 28.000, Erlös: € 49.000*) und Wilhelm Thöny (Los 3, Aufruf: € 12.000, Erlös: € 44.000*) auch folgende Lose:
Los Küstler (Technik) Titel Aufruf       Erlös
39 Münter (Öl) Landschaft mit Kindern € 90.000 € 152.000*
52 Baumeister (Öl+Lack) Formen figural - dreiteilig € 75.000 € 99.000*
76 Chagall (Aquarell, Öl, etc.) Fiancés au bouquet blanc € 25.000 € 73.000*
55 Nolde (Aquarell) Marschlandschaft € 36.000 € 71.000*
14 Kokoschka (Aquarell) Blumenstilleben € 20.000 € 59.000*

Zu 2. NACH 1945/Zeitgenössische Kunst
Angeführt wird die Ergebnisliste dieser Abteilung von Martin Kippenbergers Tryptichon „Kleiner Verkehr (Kreuzung Hauptstraße-Gerwigstraße, St. Georgen. Nach Witzleben links. Capri Nr. 8.)” von 1981/82 (Los 149), das sich ein privater Sammler aus Israel für den Erlös von € 354.000* (Aufruf: € 290.000) sichern konnte. Daneben war derselbe Künstler auch mit zwei Collagen (Los 196, Aufruf: € 25.000, Erlös: € 56.000* sowie Los 191, Aufruf: € 30.000, Erlös: € 45.000*) und einem Ölgemälde (Los 112, Aufruf: € 25.000, Erlös: € 30.000*) sehr erfolgreich vertreten.

Erst mit seiner Offerte von € 220.000* gelang es einem Sammler aus Monaco dem Bieteifer seiner Mitinteressenten Einhalt zu gebieten. Damit entschied er den Wettbewerb um Günther Ueckers „Weißer Schrei” (Los 115) für sich und verdoppelte gleichzeitig den Aufrufpreis von € 120.000. Seine schriftlich eingereichten Bemühungen um „Feld” (Los 109), eine weitere Arbeit desselben Künstlers, blieben dagegen erfolglos. Ein im Saal anwesender Händler entschied dieses Gefecht mit einem Erlös von € 116.000* für sich.

Für Spannung im Auktionssaal sorgten auch die Arbeiten von Gerhard Richter. Neben dem Chibachrome-Abzug „Onkel Rudi” (Los 186, Aufruf: € 14.000, Erlös: € 25.000*) war die „Sich Ankleidende” (Los 103, Aufruf: € 140.000, Erlös: € 166.000*) sehr begehrt. Während ersterer an eine Berliner Privatsammlung ging, wurde letztere an einen Wiener Sammler abgegeben. Das Parkettbild „Grün-Blau-Rot” (Los 151, Aufruf: € 60.000) wurde für den Erlös von € 128.000* nach Singapur verkauft.

Ebenso beliebt war auch Johann Georg Müllers mit € 90.000-120.000 angesetzte „Maskerade” (Los 176). Vor allem in deutschen Landen heiß umworben, war das 1971 entstandene, großformatige Ölgemälde einem Sammler aus dem Rheinland den Erlös von € 140.000* wert.

Starke Begehrlichkeiten vor allem bei ihren Landsleuten weckten zwei österreichische Künstler. So waren neben dem mit einem halben Dutzend Aufträgen gefüllten Buch 14 Telefonleitungen im Einsatz als Wolfgang Holleghas titelloses Ölgemälde aus dem Jahr 1971 (Los 203) für den Erlös von € 50.000* an eine im Saal anwesende Wienerin ging. Mit € 48.000 spielte Max Weilers Eitempera- und Bleistiftarbeit „Heitere Wolke” (Los 201) fast ebensoviel ein und wurde, wie fast zu erwarten war, auch nach Österreich abgegeben.
Ausgezeichnete Steigerungen erfuhren zudem:
Los Küstler (Technik) Titel Aufruf       Erlös
125 Shiraga (Öl) Yugi € 75.000 € 110.000*
194 Richter (Öl) 11.2.88 € 60.000 € 73.000*
701 Balkenhol (Holzskulptur) Stehender Mann € 40.000 € 59.000*
Die bei den Auktionen unverkauften Objekte können bis Anfang Januar 2010 im Nachverkauf erworben werden. Ergebnislisten zur Auktion sind telefonisch unter 089-55244-0 erhältlich.

*    Der Erlös entspricht - dem Zuschlagspreis + 25 Prozent Aufgeld pro Objekt bis € 25.000
                         - dem Zuschlagspreis + 22 Prozent Aufgeld pro Objekt ab € 25.001
                         - dem Zuschlagspreis + 20 Prozent Aufgeld pro Objekt ab € 500.001
**    Im Gegensatz zu anderen deutschen Auktionshäusern führt Ketterer Kunst seine
      Saisonauktionen an mehreren Tagen durch. Die Auktion Alte und Neuere Meister
       findet am 29. Oktober statt und die Hauptauktion mit
      Moderner und Zeitgenössischer Kunst am 4. Dezember.
***    Quelle: www.artnet.com
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