Lexikon
Zürcher Dadaismus

Der Dadaismus wurde 1916 in Zürich geboren. Während des Ersten Weltkrieges erwies sich die neutrale Schweiz als fruchtbarer Boden für internationale Künstler, Literaten und Intellektuelle, die den blutigen Kampf verabscheuten. Die Ablehnung von Gewalt und Krieg zeichnet den Dadaismus überhaupt aus und unterscheidet diese Bewegung von der expressionistischen und futuristischen Kriegsbegeisterung.
Der Kreis der Zürcher Dadaisten traf sich in dem von Hugo Ball (1886-1927) 1916 gegründeten "Cabaret Voltaire". Der Name des Lokals ging auf den aufklärerischen Philosophen François Marie Arouet Voltaire zurück, mit dessen ironischer Haltung sich die Zürcher Dadaisten identifizierten. Sie kritisierten den europäischen Nationalismus und plädierten für den Sieg der Irrationalität über das Versagen der Vernunft. Ironie, Absurdum und Schock waren dabei die provokativen Mittel, die jede künstlerische Äußerung des Zürcher Dadaismus bestimmten.
Im Zürcher Dadaismus standen vor allem literarische Bühnenveranstaltungen mit außergewöhnlichen Lesungen, Tanz- und Musiknummern im Vordergrund. Das "Cabaret Voltaire" war mit Bildern der Dada-Mitstreiter beziehungsweise -Sympathisanten wie Hans Arp und Max Oppenheimer dekoriert. Die Abende im "Cabaret Voltaire" erlangten bald beachtliche Bekanntheit, die zur Radikalisierung der anfangs noch an den Expressionismus angelehnten Veranstaltungen führte. So entstanden neue Gedichtformen, die auf freier, sinnloser Verknüpfung von Wortfetzen basierten. Im Bereich der bildenden Kunst erfreute sich die Collage mit ihren willkürlich-assoziativen Kombinationen von Fragmenten aus unterschiedlichen Kontexten großer Beliebtheit. Dadurch wurde im Zürcher Dadaismus die traditionelle Verbindung von Inhalt und Form beziehungsweise Bedeutung und Zeichen radikal aufgehoben.
Der Zürcher Dadaismus zeigte bereits sehr früh erste Anzeichen seiner Auflösung. Schon im Sommer 1916 distanzierte sich Hugo Ball von seinen Freunden und ging ins Tessin. Er nahm zwar 1917 wieder an der Gründung der "Galerie Dada" teil, doch verließ er im gleichen Jahr noch einmal Zürich. Kurz vor beziehungsweise nach Ende des Krieges gingen einige wichtige Dadaisten wie Hans Arp und Richard Huelsenbeck nach Deutschland. Der zurückgebliebene Tristan Tzara setzte die Aktivitäten des Zürcher Dadaismus fort, wobei die Bewegung sich mit seiner Umsiedlung nach Paris 1920 endgültig auflöste. Neben den bereits Genannten sind auch Hans Richter und Marcel Janco als wichtige Exponenten des Zürcher Dadaismus zu erwähnen.