Lexikon
Wiener Aktionismus

Innerhalb der Aktionskunst bildete sich der Wiener Aktionismus als eigenständige Richtung heraus. Die Protagonisten, die auch unter dem Signet "Wiener Aktionisten" firmieren, sind Günter Brus (geb. 1938), Otto Muehl (geb. 1925), Hermann Nitsch (geb. 1938) und Rudolf Schwarzkogler (1940-69). Beweggrund ihrer Kunst war ein radikales Auflehnen einerseits gegen die etablierte Ästhetik, andererseits gegen Kirche und Staat. Hatten sich die Wiener Aktionisten zunächst der sogenannten Aktionsmalerei verschrieben, bei der Leinwände mit Farbe überschüttet oder in anderer Art und Weise traktiert wurden, so wandte man sich in der Folgezeit der am Happening orientierten Aktionskunst zu. Die Aktionen selbst folgten einer Choreographie, die in sogenannten "Aktionspartituren" festgeschrieben wurde.
Jeder der Wiener Aktionisten entwickelte eigene Ausdrucksformen, wobei der exzessive, bisweilen brutale Körpereinsatz ein gemeinsames Kennzeichen ist, bei dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion der Darstellung verschwimmen. Otto Muehl überschüttete in den "Materialaktionen" bevorzugt Frauenkörper mit Farbe und anderen Materialien, wobei die Themen Zeugung und Sexualität eine wesentliche Rolle spielten. Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler widmeten sich einem breiten Spektrum, das von Selbstbemalungen bis hin zu vermeintlichen oder schließlich tatsächlich ausgeführten Selbstverletzungen reichte. Hermann Nitschs Erfindung ist das als Gesamtkunstwerk aufgefasste "Orgien-Mysterien-Theater", dessen drastische, bisweilen als blasphemisch eingestufte Rituale und Materialien, unter anderem Blut, Tierkadaver, Fäkalien und Eingeweide, gleichermaßen dem Aggressionsabbau, der Sinnenfreude und der kathartischen Reinigung dienen sollen.
Die eigentliche Wirkungszeit der Wiener Aktionisten ist auf die 1960er Jahre beschränkt, wenngleich Hermann Nitsch das "Orgien-Mysterien-Theater" auf Schloss Prinzendorf im niederösterreichischen Weinviertel weiterführte.