Lexikon
Spurensicherung

Der Begriff "Spurensicherung" ist dem kriminalistischen Vokabular entlehnt und wird in dieser Bedeutungsdimension seit einer gleichnamigen Ausstellung im Kunstverein Hamburg und in der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus im Jahr 1974 als Sammelbegriff für eine in den 1970er Jahren entstandene Kunstauffassung gebraucht. Die Künstler der Spurensicherung widmeten sich - in Anlehnung an die anthropologischen und ethnologischen Arbeiten von Claude Lévi-Strauss (geb. 1908) - der Erforschung und Dokumentation realer oder fiktiver Ereignisse. Diese Zusammenhänge wurden aus der detaillierten Untersuchung von Depots, Archiven, Nachlässen, Fotografien, der eigenen Familiengeschichte oder der unmittelbar vorgefundenen Umgebung abgeleitet. Diese bisweilen subjektive Verortung rückt die Spurensicherung in den Umkreis der "Individuellen Mythologien".
Die Spurensicherer glichen ihr Vorgehen den Methoden der Wissenschaftler an: Sie hielten Vorträge, arrangierten ihre Fundstücke sorgfältig in Glaskästen und dokumentierten den Prozess der Wissensgewinnung mit Hilfe von Tagebüchern oder Fotografien. Dieser letztlich fingierte wissenschaftliche Anspruch war einerseits dem Ansinnen der Spurensicherer zuträglich, ihre Arbeit nicht in erster Linie als Kunst zu werten. Andererseits sollte über die akademisch-gelehrte Methodik die Wahrhaftigkeit der zum Teil erfundenen Zusammenhänge suggeriert werden.
Künstler, die sich als Spurensicherer betätigen, sind unter anderem Christian Boltanski, Claudio Costa, Jochen Gerz, Paul-Armand Gette, Nikolaus Lang, Jean Le Gac, Anna Oppermann, Anne und Patrick Poirier, Charles Simonds und Dorothee von Windheim. Sie alle waren 1977 auf der documenta 6 vertreten.