Lexikon
Osternberger Kolonie

Im oberbayerischen Osternberg nahe Braunau am Inn kam es zwischen 1878 und 1924 zu einer "temporären" Künstlerkolonie: Die beteiligten Maler siedelten sich nie fest in Osternberg an, verbrachten aber gemeinsam die Sommermonate im großen Gutshaus von Hugo von Preen (geb. 1854). Dieser hatte das Malerhandwerk in München an der Akademie bei Wilhelm von Lindenschmit erlernt und brachte ab 1877 immer wieder Kommilitonen mit nach Osternberg. 1881 verlegte er seinen Wohnsitz ganz auf das elterliche Gut Osternberg, wo er malte, zeichnete, volkskundliche und archäologische Studien betrieb und in den Sommermonaten seinen großen Freundeskreis beherbergte - die "Osternberger Künstlerkolonie" war entstanden.
Vor allem Schüler von Wilhelm von Lindenschmit waren es, die sich in Osternberg versammelten, darunter Heinrich Schlitt, der bevorzugt Gnome und Zwerge malte, Moritz Röbbecke, Richard Ebner, der Orientalist Ferdinand Max Bredt, Theodor Schmidt, Albert Muschweck und nicht zuletzt Carl Johann Becker-Gundahl (1856-1925). Auch der Verein "Immergrün", die Vereinigung der jungen Münchner Pleinairisten aus den Klassen von Lindenschmit, Diez und Löfftz, war eng mit Osternberg verknüpft und tagte abwechselnd dort und im Schwabinger "Grünen Baum".
Schon bald erweiterte sich der Osternberger Kreis, hinzu kamen in den 1880er Jahren Wilhelm Dürr, Ludwig Herterich, Hubert von Heyden, Julius Exter, Alphons Spring, Max Kuschel, Eugen Horstig, Paul H. Wagner und Hans Pöck. Ihren Höhepunkt erreichte die Osternberger Kolonie zwischen 1887 und 1894; 1892 war der Platz sogar so knapp geworden, dass eine "Nebenkolonie" eingerichtet werden musste.
Auch Franz von Stuck, der zu jener Zeit noch Franz Stuck hieß, war in diesen Jahren häufig vor Ort, bekannt für seinen lakonischen Humor, seine Trinkfestigkeit sowie seinen stets besonders ausgiebigen Schlaf, der ihm den Spitznamen "Schlafwagen" eingebracht hatte. Die Grundlagen für sein Gemälde "Forellenweiher" erarbeitete der "Schlafwagen" Franz Stuck in Osternberg und ging damit bereits den Schritt von realistischer zu symbolischer Landschaft. Dagegen blieb der Großteil der übrigen Osternberger der Pleinair-Landschaft verhaftet.
Ab etwa 1895 verlor die Kolonie an Bedeutung, die Nachwirkungen jedoch waren beträchtlich: Entscheidend war der Anteil der Osternberger Kolonisten an der Gründung der Münchener Sezession, zudem wurden fünf Osternberger - darunter auch Franz Stuck - als Professoren an die Münchner Akademie berufen.
In Osternberg wurde die Tradition der Sommerkolonie zwar noch bis in die 1920er Jahre hinein weitergeführt, nun jedoch zunehmend auf den familiären Rahmen beschränkt.