Lexikon
Münchner Jugendstil

In Deutschland war München das wichtigste Zentrum des Jugendstils. Die gute wirtschaftliche Lage der Stadt Ende des 19. Jahrhunderts und die Kunstpolitik des Prinzregenten Luitpold begünstigten die Entwicklung einer regen Bautätigkeit und führten zu einem allgemeinen künstlerischen Aufschwung. Der Charakter dieser Kunst war allerdings eklektisch und bodenständig: Ein konservativer Historismus war vorherrschend und die Gesellschaftsporträts des damals wichtigsten Malers der Stadt, Franz von Lenbach (1836-1904), sowie seine von Gabriel von Seidl gebaute Villa sind Zeugnisse davon.
Gegen diese Situation wandte sich eine Gruppe junger Künstler im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ihr Sprachorgan war die der Bewegung namensgebende Zeitschrift "Jugend". Sie entwickelte eine Kunst, die sich stilistisch durch die stilisierte und flächige Behandlung der Natur auszeichnete. Beliebte Motive wurden dem Wasserreich und der Pflanzenwelt entnommen, wobei eine zunehmende Abstrahierung feststellbar ist. Die Eigenständigkeit der Linienführung, die langsam einen autonomen Wert erlangte, führte zu phantastischen Arabesken wie im "Peitschenhieb" (1895) von Hermann Obrist (1863-1927) oder dem abstrahierten Ornament auf der Fassade des Fotoateliers Elvira (1896) von August Endell (1871-1925). In diesen Werken des Münchner Jugendstils wandten sich die Künstler allerdings nicht von der Natur ab, sondern versuchten, ihren Bildungsgesetzen im künstlerischen Schaffensprozess zu folgen.
Viele der in München wirkenden Künstler des Jugendstils wie Obrist, Endell, Otto Eckmann, Richard Riemerschmid, Bernhard Pankok und Bruno Paul verließen nach wenigen Jahren wieder die Stadt, denn die bayerische Bodenständigkeit eignete sich letztendlich nicht für eine radikale Kunsterneuerung. In München standen die konservative und die neue Kunst in einem spannungsvollen, doch engen Verhältnis, das vor allem durch die Münchner Sezession um Franz von Stuck (1863-1928) verkörpert wurde.