Lexikon
Die „Brücke“ in Dangast

Das Örtchen Dangast an der Nordseeküste ist mit der Entwicklung des deutschen Expressionismus aufs Engste verknüpft. Im Frühjahr 1907 kamen Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff erstmals an diesen Ort am Jadebusen, an dem sie, ähnlich wie eine Generation früher die Maler der Freilichtkolonien, gemeinsam in der Natur arbeiten wollten. Die Künstlervereinigung "Die Brücke", der beide zugehörten, hatte zu diesem Zeitpunkt noch wenig Breitenwirkung entfaltet.
Dangast, ein völlig unbekannter Ort, hatte keine Tradition als Malerdorf und war scheinbar zufällig zur Sommerresidenz erkoren worden. Bis 1910 verbrachten Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff regelmäßig die warme Jahreszeit in Dangast, das sie zwischenzeitlich sogar als ihren ständigen Wohnsitz angaben. Sie blieben außer Max Pechstein, der im Sommer 1910 für einige Wochen zu Besuch kam, die einzigen Brücke-Maler in Dangast, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Mueller kamen nicht an die Nordseeküste.
Dagegen schufen Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff den Löwenanteil ihrer bis 1910 entstandenen Gemälde in Dangast. Auch zahlreiche druckgraphische Arbeiten entstanden dort, wenngleich die lange Fahrt zum nächsten Drucker in Oldenburg die Produktion erschwerte. Thematisch widmeten sich die Dangaster Gemälde selten dem Akt - die Modelle waren hier rarer als in Dresden -, etwas häufiger dem Bildnis, Selbstbildnis und Stillleben, in erster Linie aber der Landschaft.
An den Dangaster Arbeiten wird erfahrbar, wie der Expressionismus aus Impressionismus und dem direkten Kontakt mit der Natur seine Entwicklung genommen hat: Sukzessive verhärteten und festigten sich die Formen, bis um 1910 der flächige, schreiende Stil des Expressionismus voll ausgeprägt war. Die Bedeutsamkeit des direkten Kontaktes mit der Natur für die Entwicklung des Brücke-Expressionismus zeigt sich massiv an den Dangaster Sommern, aber auch an den Aufenthalten an den Moritzburger Teichen bei Dresden, auf Fehmarn, in Nidden oder in Norwegen, wo Karl Schmidt-Rottluff 1911 für mehrere Monate lebte.
Den Dangaster Künstlern schloss sich seit 1909 Emma Ritter aus Oldenburg an, die den expressiven Stil mit verblüffender Konsequenz in ihren Werken umsetzte. Auch Jan Oeltjen aus Jaderberg stand bald mit den expressionistischen Malern aus Dangast in Verbindung.
Schon 1922 wurden die "Dangaster" mit einer ersten Ausstellung geehrt, an der auch der "magische Realist" Franz Radziwill, der ebenfalls in Dangast gelebt hatte, beteiligt war.