Lexikon
Biomorphe Abstraktion nach 1945

Zahlreiche Künstler, unter ihnen Jean (Hans) Arp, Joan Miró und Yves Tanguy, die bereits in der ersten Jahrhunderthälfte biomorphe Formen dargestellt hatten, verwendeten diese organisch gerundeten, an Amöben erinnernden Figurationen auch nach 1945. So sind beispielsweise Jean Arps (1886-1966) Skulpturen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, von einer vertikal empor wachsenden, sprießenden Kraft durchdrungen, die sich in konvexen Auswüchsen und Knorpeln manifestiert.
Vor allem im Werk britischer Künstler wie Henry Moore (1898-1986) und Barbara Hepworth (1903-1975) ist die biomorphe Abstraktion ein wichtiges Thema. Bei Henry Moore ist das Biomorphe unmittelbar mit den gewaltigen Kräften der Natur verknüpft, die er einerseits als Inspirationsquelle seines Schaffens begreift und die andererseits in den Werken erfahrbare Gestalt finden. In diesem Sinne visualisieren die organisch geformten, in biomorph anmutenden Figurationen wuchernden, nach 1950 entstehenden "Liegenden" die nach außen vordringenden, strukturellen Vitalkräfte. Besonders anschaulich tritt das biomorphe Prinzip in den kunstvoll ineinander verschränkten inneren und äußeren Formen zutage, in denen Henry Moore sinnfällig Wachsen und Werden festhält. Biomorphe Figurationen sind nicht nur in den Plastiken, sondern auch im umfangreichen graphischen Werk von Henry Moore zu entdecken.
Auch in Barbara Hepworths Oeuvre findet eine verstärkte Auseinandersetzung mit der ovoiden Form statt. Eine besondere symbiotische Verbindung scheinen Leben und Kunst dann einzugehen, wenn in ihrem Werk vor und nach 1945 dreiteilige ovoide Objekte auftauchen, hatte die Künstlerin doch im Jahr 1934 Drillinge zur Welt gebracht.