Auktion: 540 / Evening Sale am 09.06.2023 in München Lot 27

 

27
Egon Schiele
Studie eines sitzenden Mannes (Max Oppenheimer), 1910.
Aquarell, Tusche und Kohle
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 444.500

(inklusive Aufgeld)
Studie eines sitzenden Mannes (Max Oppenheimer). 1910.
Aquarell, Tusche und Kohle.
Kallir 589. Links unten monogrammiert "S" sowie rechts unten Monogrammiert "S" und datiert. Verso mit dem Nachlassstempel. Auf bräunlichem Papier. 36,5 x 31,5 cm (14,3 x 12,4 in), blattgroß. [JS].

• Eines von insgesamt drei malerisch ausgeführten Aquarellen, die Schiele 1910 nach dem Modell seines Künstlerfreundes Max Oppenheimer (Mopp) im schwarzen Frack geschaffen hat.
• Durch den Kontakt zu Oppenheimer kommt es zum entscheidenden Wendepunkt in Schieles Werk vom Jugendstil zum Expressionismus.
• In den Arbeiten dieser Folge erreicht Schiele eine expressionistische Ausdrucksstärke, die in seinen Herrenbildnissen einmalig ist.
• Von radikaler Modernität: aufgrund des zoomartig ins Format gesetzten Bildausschnittes, der exzentrischen Pose, der reduzierten Farbigkeit und der ungewöhnlichen Perspektive.
• Bedeutendende Provenienz: Sammlung Rudolf Leopold, Wien, und Sammlung Serge Sabarsky, New York.
• Eines der anderen beiden Aquarelle der Oppenheimer-Folge befindet sich heute in der Graphischen Sammlung Albertina, Wien
.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers (verso mit dem Stempel).
Gertrude Peschka-Schiele, Wien (Schwester des Künstlers, verso handschriftlich bezeichnet).
Prof. Dr. Rudolf Leopold, Wien (bis 1985).
Sammlung Serge Sabarsky (1912-1996), New York (1985 vom Vorgenannten erworben).
Nachlass Serge Sabarsky, New York (seit 1996).
Sammlung Vally Sabarsky (1902-2002), New York.
Vally Sabarsky Stiftung, New York (seit 2002).

AUSSTELLUNG: German Expressionists, Serge Sabarsky Gallery, New York, Frühjahr 1986, Nr. 22 (unter dem Titel "Seated Male Torso in Black Suit (Max Oppenheim)", als "unverkäuflich" ausgestellt).
Egon Schiele (1890-1918) Drawings and Watercolors, Serge Sabarsky Gallery, New York, Sommer 1986, Nr. 4 (als "unverkäuflich" ausgestellt).
German Expressionists, Serge Sabarsky Gallery, New York, Winter 1986, Nr. 22 (als "verkauft" ausgestellt).
Gustav Klimt. 125 drawings, Nassau County Museum of Art, Roslyn, New York, 2.6.-15.10.1989 (ausgestellt, aber nicht im Katalog verzeichnet).
Egon Schiele, Mezinárodní kulturní centrum Egona Schieleho, Ceský Krumlov, 6.11.1993-1.5.1996, S. 116-117.
Egon Schiele, National Gallery of Iceland, Reykjavik, 31.5.-14.7.1996.
Egon Schiele: The Ronald S. Lauder and Serge Sabarsky Collections, Neue Galerie, New York, Oktober 2005 - Februar 2006, Nr. D41 (m . Abb).
Gustav Klimt and Egon Schiele, Neue Galerie, New York, 28.6.-3.9.2018


LITERATUR: Jane Kallir, Egon Schiele. The complete Works. Including a Biography and a Catalogue Raisonné, New York 1990, Kat.-Nr. D 589, S. 414-415 (m. SW-Abb.).

"Egon Schiele schuf in seinem kurzen [..] Leben ein Œuvre, das für seine Zeit zugleich symptomatisch wie wegweisend war und ihn zu einer der prägendsten und schillerndsten Figuren der Wiener Moderne machte."

Zit. nach: Leopold Museum, www.leopoldmuseum.org/de/sammlung/egon-schiele.

Egon Schiele suchte 1909 aktiv den Kontakt zu dem um fünf Jahre älteren Maler Max Oppenheimer, der neben Oskar Kokoschka zu den führenden Vertretern des Wiener Expressionismus zählt und durch dessen Werk Schieles Schaffen den entscheidenden Wendepunkt vom Jugendstil hin zum Expressionismus findet. Das Werkverzeichnis von Jane Kallir verzeichnet eine Folge von lediglich drei malerisch ausgeführten Aquarellen als bedeutende künstlerische Zeugnisse dieser Künstlerfreundschaft, die viele Jahre überdauert und für beide Seiten in entscheidender Weise prägend ist. Beim gemeinsamen Arbeiten in Schieles Atelier im Winter 1910/11 entstanden, erreicht Schiele in diesen Werken, die Max Oppenheimer im schwarzen Frack zeigen, eine expressionistische Ausdruckskraft, die in seinen Herrenbildnissen einmalig ist. Trotz der für Schiele ungewöhnlichen Menge an Stoff, da der schwarze Frack nur die expressiv geformten und farbig akzentuierten Hände und in den anderen beiden Aquarellen auch das Gesicht des Dargestellten unbedeckt lässt, hat Schiele durch die außergewöhnlichen Bildausschnitte und überzeichneten Posen eine expressionistische Wucht erreicht, die allein mit denen seiner Selbstporträts vergleichbar ist. Auf ein Minimum reduziert, gibt unser Aquarell lediglich die untere Körperhälfte des Künstlerfreundes zu allen Seiten stark beschnitten wieder und lässt dessen rechte Hand wie abgeschnitten von oben ins Fomat reichen. Ein mutiger Kunstgriff, der das tiefe Schwarz des mit einem Frack bekleideten Körpers fast einem abstrakten Liniengefüge gleich souverän ins Format setzt. Hier zeigt sich Schieles außergewöhnliche zeichnerische Meisterschaft, sein Gespür für das Format, das Verhältnis von bemalter zu unbemalter Fläche und den Kontrast aus Farbigkeit und dem unberührten Ton des Papiers. Ist es rote Farbe oder Blut, die Schiele von der Hand seines Künstlerfreundes auf das tiefe Schwarz des Frackes tropfen lässt? Wahrscheinlich eine Anspielung auf das qualvolle Dasein des Künstlers, der dem aufopferungsvollen Leiden Christi entsprechend anhand seiner Wundmale zu erkennen ist. Verstörend ist diese Bildlichkeit und geradezu programmatisch für den expressionistischen Ausnahmekünstler Egon Schiele, der in seine Kunst alles hineingegeben hat, bei dem fast jede seiner Zeichnungen geradezu qualvoll von einem Maximum an Ausdruck durchdrungen ist und der nach dieser tiefen Hingabe an seine von den Themen Leben und Tod getragenen Kunst am Ende des Ersten Weltkrieges mit gerade 28 Jahren an der Spanischen Grippe sterben sollte. [JS]



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Egon Schiele
Studie eines sitzenden Mannes (Max Oppenheimer), 1910.
Aquarell, Tusche und Kohle
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 444.500

(inklusive Aufgeld)