Auktion: 502 / Klassische Moderne II am 18.07.2020 in München Lot 351

 

351
Hermann Max Pechstein
Akt II (Sitzende Frau vor Spiegel), 1920.
Aquarell und Kreide
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 52.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Akt II (Sitzende Frau vor Spiegel). 1920.
Aquarell und Kreide.
Rechts unten signiert und datiert. 60,5 x 44 cm (23,8 x 17,3 in), blattgroß. [SM].

• Das junge Modell gibt Pechstein neuen Impuls.
• Großartig akzentuierte Szene mit kräftigen Aquarellfarben.
• Der nackte Oberkörper mutiert in der Spiegelung zu einer exotisch wirkenden Skulptur
.

PROVENIENZ: Kurt Wünsche, Zwickau (bis 1966).
Privatsammlung Norddeutschland.
Kunsthandel Wolfgang Werner KG, Berlin.
Privatsammlung Nordrhein Westfalen.

Mit wenigen, elegant gesetzten Bleistiftkonturen erfasst Pechstein das wohl auf einem mit Kissen bedeckten Diwan sitzende schlanke Modell vor einem Spiegel. Ihr knabenhafter Körper ist leicht seitlich abgedreht, das Gesicht nach rechts abgewandt, der Oberkörper nackt, die Haare modisch kurz. Die Spiegelung zeigt nicht unbedingt ihren Rücken, nicht die andere Hälfte ihres Gesichts; der Körper in der Spiegelung scheint mutiert zu einer exotisch wirkenden Skulptur mit Südseecharakter. Pechstein ist sichtlich fasziniert von dem jungen Wesen, akzentuiert die intime Szene mit kräftigem Aquarell, klärt die räumliche Situation im beleuchteten Diesseits und gespiegelten, etwas schattigeren Jenseits. Kräftiges Grün dominiert im Wechsel mit Rot die Szene, Schwarz und Gelb harmonisieren das Blatt. Über die Identität des Modells kann nur gemutmaßt werden und hat womöglich mit Pechsteins Neuorientierung zu tun. 1919 und 1920 verbringt Pechstein die Sommerzeit wie die Jahre zuvor in Nidden. Doch in Folge neuer Grenzlinien - Nidden zählte nun zu Litauen - sieht sich der Künstler gezwungen, sich ein neues 'Paradies' für seine sommerlichen Arbeitsaufenthalte zu suchen. Er und seine Frau Lotte geben Nidden als Domizil auf und Pechstein reist im April 1921 erstmals in das weiter nördlich von Danzig und näher an Berlin liegende Fischerdorf Leba in Pommern, "nur mit nötigstem Material im Rucksack, auf die Suche. Ich hatte der Karte nach in Ostpommern eine ähnliche Nehrung zwischen dem Leba-See und der Ostsee ausfindig gemacht. Zu Fuß streifte ich die Ostseeküste, nach Westen marschierend, ab. Ich entschloß mich zuletzt, in Leba mein Standquartier zu errichten." (Max Pechstein, Erinnerungen, Stuttgart 1993, S. 41). Dort lernt er die 16-jährige Marta Möller und deren Schwester Lisa kennen, die von da an in Pechsteins Gemälde-Welt eintreten. Marta lässt sich schon früh die Haare, der Mode Anfang der 1920er Jahre entsprechend, kurz schneiden. Und warum soll Pechstein ihr nicht schon 1920 - so die vom Künstler vorgenommene Datierung - begegnet sein? Auf dem Weg das letzte Mal nach Nidden? Zwei weitere Aquarelle mit der jugendlichen Modell entstehen wohl unmittelbar danach und bestätigen das verliebte Interesse für das neue junge Gegenüber. Pechstein und Lotte (Charlotte Kaprolat) trennen sich. Und im September 1923 heiratet Max Pechstein Marta Möller in Leba. "Die darauffolgenden Jahre blieb es dabei, und ich habe es nicht bereut. Ich lernte diese Küste nicht nur schätzen, sondern auch lieben." (ebd.). [MvL]



351
Hermann Max Pechstein
Akt II (Sitzende Frau vor Spiegel), 1920.
Aquarell und Kreide
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 52.500

(inkl. Käuferaufgeld)