Auktion: 420 / Kunst nach 45 / Zeitgenössische Kunst am 06.12.2014 in München Lot 868

 

868
Daniel Spoerri
Schraubenhirsch, 1985.
Objekt
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Schraubenhirsch. 1985.
Objekt. Stahlträger, Handbohrer, Tiegelzange und Holz.
Auf dem Holz signiert und datiert. Unikat. 122,5 x 97 cm (48,2 x 38,1 in).
Ohne die laut Zertifikat auf der Rückseite angebrachte Kurbel [JS].

Mit einem Foto-Zertifikat des Künstlers aus dem Jahr 1985, dort signiert und betitelt sowie mit dem Künstlerstempel.

Daniel Isaac Feinstein, Sohn eines Missionars der norwegisch-lutheranischen Kirche, flüchtet 1942 mit der Mutter und seinen Geschwistern nach Zürich, wo die Familie den Mädchennamen der Mutter annimmt. Dort lernt er Max Terpis, Jean Tinguely und Eva Aeppli kennen. Spoerris Weg zur Kunst führt zunächst über den Tanz. 1949 beginnt er eine Ausbildung an der Theatertanzschule in Zürich, 1952 führt ihn ein Stipendium nach Paris und 1954 wird er als erster Tänzer am Berner Stadttheater engagiert. In dieser Zeit befreundet sich Spoerri mit den Künstlern Dieter Roth, Bernhard Luginbühl, Claus Bremer, Andre Thomkins und Meret Oppenheim. 1956 wendet sich der Künstler allmählich vom Tanz ab. Spoerri kehrt nach Paris zurück und trifft dort u.a. auf Pol Bury, Jesus-Rafael Soto, Marcel Duchamp und Man Ray. Den entscheidenden künstlerischen Durchbruch erzielt der Künstler 1960 mit seinen "Fallenbildern" als Mitglied der "Nouveaux Réalistes" in Paris, deren Manifest er mitunterzeichnet. Wie viele Künstler seiner Generation plädiert Spoerri für eine Übereinstimmung von Kunst und Leben und zeigt in den Happenings wie zum Beispiel den Banketten seinen engen Kontakt zur Fluxus-Bewegung. Er arbeitet als Dichter, Bühnenbildner, Regisseur, Verleger, Objektkünstler, Eat-Artist, Filmemacher und Akademieprofessor. 1977 erhält Spoerri eine Professur an der Kölner Fachhochschule für Kunst und Design und von 1983 bis 1989 lehrt er an der Kunstakademie in München.

Den 1960 von Pierre Restany formulierten Maximen des "Nouveau Réalisme" entsprechend, denen zufolge ein Kunstwerk möglichst ohne Eingriff des Künstlers zu entstehen habe, erklärt Spoerri vorgefundene Objekte durch seine Signatur zum Kunstwerk. Wie im vorliegenden Fall besteht die künstlerische Verfremdung meist fast ausschließlich in der neuartigen Kombination und Komposition der vorgefundenen Alltagsgegenstände, durch welche Spoerri fremde Realitäten schafft und die Wahrnehmung des Betrachters immer wieder aufs neue herausfordert. Spoerri sieht sich als Regiseur des scheinbar Zufälligen, das er bewusst kombiniert und arrangiert und wie in der vorliegenden Arbeit durch die Titelgebung um eine neue Bedeutungsebene erweitert. Spoerris "Schraubenhirsch" zeugt von dem humorvollen Umgang des Künstlers mit Fund- und Sammelstücken des Alltages, welche immer wieder Spoerris künstlerische Fantasie zu neuen Form und Bedeutungskombinationen anregen und den Betrachter vor rezeptionsästhetische Herausforderungen stellen.

1990/91 beginnt Spoerri in Seggiano in Italien mit der Arbeit am Skulpturengarten "Hic terminus haeret-Il Giardino di Daniel Spoerri", der 1997 vom italienischen Kultusministerium als Stiftung anerkannt und offiziell eröffnet wird. 2005 wird er Ehrenbürger von Seggiano. Spoerris außerordentlich vielseitiges Œuvre entspricht seiner Auffassung von Kunst als Kommunikation und macht ihn zu einem international bedeutenden Künstler.




868
Daniel Spoerri
Schraubenhirsch, 1985.
Objekt
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)