Auktion: 600 / Evening Sale am 05.12.2025 in München
Lot 125001093

125001093
Paul Klee
Kairuan (Kairuan mit den Kamelen und dem Esel), 1916.
Aquarell über Bleistift, original auf Unterlage...
Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Kairuan (Kairuan mit den Kamelen und dem Esel). 1916.
Aquarell über Bleistift, original auf Unterlagekarton montiert.
Links unten signiert. Auf dem Original-Unterlagekarton links unten datiert, betitelt "Kairuan" und mit der Werknummer "21" bezeichnet. Auf Bütten, original auf Karton montiert. 14,8 x 24 cm (5,8 x 9,4 in), blattgroß.
• 1914 erlebt Paul Klee während der prägenden Tunisreise mit August Macke und Louis Moilliet den zukunftsweisenden Wendepunkt in seiner künstlerischen Entwicklung.
• Kairuan – ein wichtiger Inspirationsort für Paul Klees weiteres Oeuvre.
• Fein abgestimmtes, kompakt komponiertes Aquarell nach einer auf dieser Reise entstandenen Skizze (Kunstmuseum Bern).
• Bedeutende Provenienz: Sammlung Alfred Flechtheim und Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf.
• Von musealer Qualität: bereits 1920 und 1930 mehrfach ausgestellt.
• Seit über 40 Jahren Teil einer bedeutenden Berliner Privatsammlung.
PROVENIENZ: Hans Goltz, München (1921).
Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf (ab spätestens 1930, bis 1952).
Privatbesitz Baden-Württemberg (1952 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1956).
Galerie Grosshennig, Düsseldorf (1956 vom Vorgenannten erworben: Stuttgarter Kunstkabinett).
Privatbesitz Baden-Württemberg (bis 1984).
Privatbesitz Berlin (1984 vom Vorgenannten erworben: Galerie Wolfgang Ketterer).
AUSSTELLUNG: Kunstpalast, Düsseldorf (verso mit altem Etikett).
Paul Klee, Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf, 15.2.-10.3.1930, Kat.-Nr. 45.
Paul Klee. Aquarelle aus 25 Jahren, 1905 bis 1930, Staatliches Museum, Saarbrücken, 23.3.-22.4.1930, Kat.-Nr. 65.
Paul Klee, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 14.6.-6.7.1931, Kat.-Nr. 107.
Paul Klee, August Macke, Galerie Alex Vömel, Düsseldorf, 1.-31.10.1952, Kat.-Nr. 9.
LITERATUR: Paul-Klee-Stiftung, Kunstmuseum Bern (Hrsg.), Paul Klee. Catalogue raisonné. 1883-1940, 9 Bde., Bern 1998-2003, Bd. 2, WVZ-Nr. 1618 (m. SW-Abb.).
- -
Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, Stuttgart, 24. Auktion, 29./30.5.1956, Los 599 (m. Farbabb.).
Uta Gerlach-Laxner, Paul Klee und der Orient. Die Auswirkung auf sein Werk unter besonderer Berücksichtigung seiner Tunesienreise 1914, in: Die Tunisreise. Klee, Macke, Moilliet, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, 12.12.1982-13.2.1983; Städtisches Kunstmuseum, Bonn, 9.3.-24.4.1983, S. 63.
Benz-Zauner, 1984, S. 181.
Galerie Wolfgang Ketterer, München, 87. Auktion, 26./27.11.1984, Los 800.
Wolfgang Kersten, Osamu Okuda, Paul Klee. Im Zeichen der Teilung, Düsseldorf 1995, S. 52 (m. Abb., S. 52).
"Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler."
Paul Klee, Tagebucheintrag 16. April 1914.
Aquarell über Bleistift, original auf Unterlagekarton montiert.
Links unten signiert. Auf dem Original-Unterlagekarton links unten datiert, betitelt "Kairuan" und mit der Werknummer "21" bezeichnet. Auf Bütten, original auf Karton montiert. 14,8 x 24 cm (5,8 x 9,4 in), blattgroß.
• 1914 erlebt Paul Klee während der prägenden Tunisreise mit August Macke und Louis Moilliet den zukunftsweisenden Wendepunkt in seiner künstlerischen Entwicklung.
• Kairuan – ein wichtiger Inspirationsort für Paul Klees weiteres Oeuvre.
• Fein abgestimmtes, kompakt komponiertes Aquarell nach einer auf dieser Reise entstandenen Skizze (Kunstmuseum Bern).
• Bedeutende Provenienz: Sammlung Alfred Flechtheim und Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf.
• Von musealer Qualität: bereits 1920 und 1930 mehrfach ausgestellt.
• Seit über 40 Jahren Teil einer bedeutenden Berliner Privatsammlung.
PROVENIENZ: Hans Goltz, München (1921).
Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf (ab spätestens 1930, bis 1952).
Privatbesitz Baden-Württemberg (1952 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1956).
Galerie Grosshennig, Düsseldorf (1956 vom Vorgenannten erworben: Stuttgarter Kunstkabinett).
Privatbesitz Baden-Württemberg (bis 1984).
Privatbesitz Berlin (1984 vom Vorgenannten erworben: Galerie Wolfgang Ketterer).
AUSSTELLUNG: Kunstpalast, Düsseldorf (verso mit altem Etikett).
Paul Klee, Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf, 15.2.-10.3.1930, Kat.-Nr. 45.
Paul Klee. Aquarelle aus 25 Jahren, 1905 bis 1930, Staatliches Museum, Saarbrücken, 23.3.-22.4.1930, Kat.-Nr. 65.
Paul Klee, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 14.6.-6.7.1931, Kat.-Nr. 107.
Paul Klee, August Macke, Galerie Alex Vömel, Düsseldorf, 1.-31.10.1952, Kat.-Nr. 9.
LITERATUR: Paul-Klee-Stiftung, Kunstmuseum Bern (Hrsg.), Paul Klee. Catalogue raisonné. 1883-1940, 9 Bde., Bern 1998-2003, Bd. 2, WVZ-Nr. 1618 (m. SW-Abb.).
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Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, Stuttgart, 24. Auktion, 29./30.5.1956, Los 599 (m. Farbabb.).
Uta Gerlach-Laxner, Paul Klee und der Orient. Die Auswirkung auf sein Werk unter besonderer Berücksichtigung seiner Tunesienreise 1914, in: Die Tunisreise. Klee, Macke, Moilliet, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, 12.12.1982-13.2.1983; Städtisches Kunstmuseum, Bonn, 9.3.-24.4.1983, S. 63.
Benz-Zauner, 1984, S. 181.
Galerie Wolfgang Ketterer, München, 87. Auktion, 26./27.11.1984, Los 800.
Wolfgang Kersten, Osamu Okuda, Paul Klee. Im Zeichen der Teilung, Düsseldorf 1995, S. 52 (m. Abb., S. 52).
"Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler."
Paul Klee, Tagebucheintrag 16. April 1914.
Paul Klee – Die Reise nach Tunis 1914
Eine kleine Reisegruppe, bestehend aus den Malern Paul Klee, Louis Moilliet und August Macke, reist Anfang April 1914 nach Tunis. Diese Reise gilt bis heute als ein Wendepunkt in der Kunstgeschichte, denn sie sollte das Verhältnis europäischer Maler zur Farbe, zum Licht und zur künstlerischen Wahrnehmung entscheidend verändern.
Paul Klee kennt Louis Moilliet bereits seit seiner Schulzeit, sie verbindet auch seit Jahren eine künstlerische Freundschaft. Moilliet wiederum hatte August Macke kennengelernt und die beiden miteinander bekannt gemacht. So kam es, dass die drei – jeder auf eigene Weise geprägt und künstlerisch suchend – gemeinsam in den Süden aufbrechen. Für Klee, der sich selbst mit einem gewissen ironischen Unterton als "mittelloser Familienvater" bezeichnet, ist die Reise nur möglich, weil der Berner Apotheker Charles Bornand ihm finanziell unter die Arme greift. Als Gegenleistung verspricht Klee ihm zehn Zeichnungen oder fünf Aquarelle. Darüber hinaus verspricht Moilliet seinem Freund Ernst Jäggi, die Wände seines Hauses in Saint-Germain bei Tunis zu bemalen, um die gemeinsame Reisekasse aufzubessern.
Die ersten Eindrücke von Tunis
Moilliet selbst ist in den Jahren zuvor bereits mehrfach nach Tunesien gereist und fungiert damit gewissermaßen als Wegbereiter und Vermittler. Auch diesmal ist das erste Ziel das Haus von Ernst Jäggi, der als Leiter des Militärkrankenhauses in Tunis arbeitet. Von dort aus unternehmen die drei Künstler zahlreiche Ausflüge: nach Sidi Bou Said, Hammamet, Kairuan und in den Vorort Saint-Germain.
Die Ankunft in Tunis am 7. April 1914 nach mehreren Tagen Seereise von Marseille aus beschreibt Klee in seinen Tagebüchern mit überwältigter Klarheit: "Die Sonne von einer finsteren Kraft, farbige Klarheit am Lande – verheißungsvoll." Dieser erste Eindruck, eine Mischung aus Lichtintensität, Farbigkeit und Fremdheit, prägt sich ihm unauslöschlich ein. Auch die Stadt selbst fasziniert ihn, er bezeichnet sie als "Synthese von Städtebau, Architektur, Bildarchitektur". Macke und Klee verspüren von Beginn an, dass dieser Ort ein fruchtbarer Boden für ihre Arbeit sein würde.
Licht, Farbe und Selbstfindung
In seinen Tagebüchern hält Klee die Reise in Anekdoten, präzisen Schilderungen und poetischen Reflexionen fest. Er erwartete, dass diese eine "Studienfahrt, bei der einer den anderen anregt" sein werde. Schon die ersten Abende in Tunis und Saint-Germain überwältigen ihn. Am 12. April notiert er in Saint-Germain: "Der Abend ist unbeschreiblich. Zum Überfluss geht auch noch der Vollmond auf […] Natürlich versage ich dieser Natur gegenüber. Aber ich weiß doch etwas mehr, als vorher. Ich weiß die Strecke von meinem Versagen bis zur Natur. Das ist eine innere Angelegenheit für die nächsten Jahre. Ich bin gar nicht deprimiert deshalb. Es darf nicht eilen müssen, wenn man so viel will. Der Abend ist so tief drin in mir immer."
Diese Worte markieren einen entscheidenden Punkt in Klees künstlerischer Entwicklung. Er ist sich bewusst, dass er das Erlebte nicht sofort in Kunst umsetzen kann. Vielmehr versteht er, dass die Eindrücke dieser Reise Zeit brauchen, um in ihm nachzuwirken, sich zu setzen, zu verwandeln. Er nimmt sie auf wie Samen, die in ihm weiterwachsen und Früchte tragen würden – nicht sofort, sondern in den kommenden Jahren.
Der Durchbruch in Kairuan
Besonders eindrücklich und fast mythisch erscheint die Erfahrung in Kairuan. Hier, so scheint es, kommt es zum ersehnten Durchbruch. Früh am Morgen, vor den Toren der Stadt, arbeitet Klee an einer Aquarellskizze. Er beschreibt den Moment so: "Früh vor der Stadt gemalt, leicht zerstreutes Licht, mild und klar zugleich. Kein Nebel. Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins: ich bin Maler."
Dieser Satz – "Ich bin Maler" – gilt als eine der zentralen Selbstoffenbarungen Paul Klees. Nicht, dass er zuvor nicht gemalt hätte; aber hier, in Kairuan, erfährt er das Einswerden von Wahrnehmung, Farbe und innerem Ausdruck. Es ist der Moment, in dem er sich in seiner Bestimmung bestätigt sieht.
Von der Skizze zum eigenständigen Werk
Nach der Heimkehr nach Deutschland beschäftigt sich Klee intensiv mit den Skizzen und Studien, die er in Tunesien angefertigt hat. Viele Motive greift er in den folgenden Monaten und Jahren wieder auf und entwickelt sie weiter. Dabei wird deutlich, wie stark die Erlebnisse dieser Reise in ihm nachwirken.
So greift er auch auf die Aquarellskizze "1914/216, Vor den Toren von Kairuan" zurück, die heute in der Paul-Klee-Stiftung des Kunstmuseums Bern verwahrt wird. Dieses kleine Blatt, das er direkt vor Ort gemalt hat, betrachtet er lange nicht als eigenständiges Werk, sondern lediglich als Studie. Erst Jahre später, 1921, beginnt Klee solche Arbeiten als abgeschlossene Werke zu würdigen. Bis dahin sind sie für ihn wertvolle Ausgangspunkte, Quellen, die er weiterbearbeitet und in andere, reifere Bildlösungen überführt.
Unser Aquarell von 1916 ist genau in diesem Prozess entstanden. Klee hat die vor Ort entstandene Skizze erneut aufgegriffen, doch nun zu einem klar gefassten, konzentrierten Werk verdichtet. Während in der Skizze noch ein weiter Vordergrund Raum einnimmt, reduziert er diesen im späteren Blatt. Er richtet die Aufmerksamkeit auf das, was für ihn wesentlich ist: die markanten Kuppeln der Stadt, klar erkennbar und doch in leiser Verwandlung, und die kleine Gruppe von drei Kamelen, die im rechten Bildteil unter einem großen, bräunlich getönten Bogen erscheinen.
In dieser Konzentration zeigt sich der innere Fortschritt, den Klee seit 1914 vollzogen hat. Das Aquarell von 1916 ist nicht bloß eine Wiedergabe der äußeren Realität, sondern die Essenz eines Erlebnisses. Die Reise nach Tunesien war mehr als ein geografisches Abenteuer – sie war eine Reise ins Innere, ein Prozess der Selbstvergewisserung. Aus dem überwältigenden Eindruck von Licht und Farbe ist nach zwei Jahren die stille Gewissheit einer eigenen Bildsprache geworden.
Nachwirkung und Bedeutung
Das Aquarell steht damit exemplarisch für Klees Weg: Aus den Skizzen der Reise, die zunächst nur als Studien gedacht sind, entwickelt er in der Rückschau Werke von bleibender Klarheit. Er selbst weiß um die Bedeutung dieses Prozesses. Die "glückliche Stunde von Kairuan", in der er sich mit der Farbe vereint fühlt, bleibt ihm Orientierung und innerer Maßstab.
Unser Blatt ist somit nicht nur ein Zeugnis einer legendären Künstlerreise, sondern auch ein Dokument eines künstlerischen Erwachens. Es verbindet die Frische des unmittelbaren Eindrucks mit der Reife der späteren Verdichtung. Und es zeigt, wie Paul Klee in Kairuan zu dem wurde, was er dort selbst in Worte fasst: "Ich bin Maler." [EH]
Eine kleine Reisegruppe, bestehend aus den Malern Paul Klee, Louis Moilliet und August Macke, reist Anfang April 1914 nach Tunis. Diese Reise gilt bis heute als ein Wendepunkt in der Kunstgeschichte, denn sie sollte das Verhältnis europäischer Maler zur Farbe, zum Licht und zur künstlerischen Wahrnehmung entscheidend verändern.
Paul Klee kennt Louis Moilliet bereits seit seiner Schulzeit, sie verbindet auch seit Jahren eine künstlerische Freundschaft. Moilliet wiederum hatte August Macke kennengelernt und die beiden miteinander bekannt gemacht. So kam es, dass die drei – jeder auf eigene Weise geprägt und künstlerisch suchend – gemeinsam in den Süden aufbrechen. Für Klee, der sich selbst mit einem gewissen ironischen Unterton als "mittelloser Familienvater" bezeichnet, ist die Reise nur möglich, weil der Berner Apotheker Charles Bornand ihm finanziell unter die Arme greift. Als Gegenleistung verspricht Klee ihm zehn Zeichnungen oder fünf Aquarelle. Darüber hinaus verspricht Moilliet seinem Freund Ernst Jäggi, die Wände seines Hauses in Saint-Germain bei Tunis zu bemalen, um die gemeinsame Reisekasse aufzubessern.
Die ersten Eindrücke von Tunis
Moilliet selbst ist in den Jahren zuvor bereits mehrfach nach Tunesien gereist und fungiert damit gewissermaßen als Wegbereiter und Vermittler. Auch diesmal ist das erste Ziel das Haus von Ernst Jäggi, der als Leiter des Militärkrankenhauses in Tunis arbeitet. Von dort aus unternehmen die drei Künstler zahlreiche Ausflüge: nach Sidi Bou Said, Hammamet, Kairuan und in den Vorort Saint-Germain.
Die Ankunft in Tunis am 7. April 1914 nach mehreren Tagen Seereise von Marseille aus beschreibt Klee in seinen Tagebüchern mit überwältigter Klarheit: "Die Sonne von einer finsteren Kraft, farbige Klarheit am Lande – verheißungsvoll." Dieser erste Eindruck, eine Mischung aus Lichtintensität, Farbigkeit und Fremdheit, prägt sich ihm unauslöschlich ein. Auch die Stadt selbst fasziniert ihn, er bezeichnet sie als "Synthese von Städtebau, Architektur, Bildarchitektur". Macke und Klee verspüren von Beginn an, dass dieser Ort ein fruchtbarer Boden für ihre Arbeit sein würde.
Licht, Farbe und Selbstfindung
In seinen Tagebüchern hält Klee die Reise in Anekdoten, präzisen Schilderungen und poetischen Reflexionen fest. Er erwartete, dass diese eine "Studienfahrt, bei der einer den anderen anregt" sein werde. Schon die ersten Abende in Tunis und Saint-Germain überwältigen ihn. Am 12. April notiert er in Saint-Germain: "Der Abend ist unbeschreiblich. Zum Überfluss geht auch noch der Vollmond auf […] Natürlich versage ich dieser Natur gegenüber. Aber ich weiß doch etwas mehr, als vorher. Ich weiß die Strecke von meinem Versagen bis zur Natur. Das ist eine innere Angelegenheit für die nächsten Jahre. Ich bin gar nicht deprimiert deshalb. Es darf nicht eilen müssen, wenn man so viel will. Der Abend ist so tief drin in mir immer."
Diese Worte markieren einen entscheidenden Punkt in Klees künstlerischer Entwicklung. Er ist sich bewusst, dass er das Erlebte nicht sofort in Kunst umsetzen kann. Vielmehr versteht er, dass die Eindrücke dieser Reise Zeit brauchen, um in ihm nachzuwirken, sich zu setzen, zu verwandeln. Er nimmt sie auf wie Samen, die in ihm weiterwachsen und Früchte tragen würden – nicht sofort, sondern in den kommenden Jahren.
Der Durchbruch in Kairuan
Besonders eindrücklich und fast mythisch erscheint die Erfahrung in Kairuan. Hier, so scheint es, kommt es zum ersehnten Durchbruch. Früh am Morgen, vor den Toren der Stadt, arbeitet Klee an einer Aquarellskizze. Er beschreibt den Moment so: "Früh vor der Stadt gemalt, leicht zerstreutes Licht, mild und klar zugleich. Kein Nebel. Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins: ich bin Maler."
Dieser Satz – "Ich bin Maler" – gilt als eine der zentralen Selbstoffenbarungen Paul Klees. Nicht, dass er zuvor nicht gemalt hätte; aber hier, in Kairuan, erfährt er das Einswerden von Wahrnehmung, Farbe und innerem Ausdruck. Es ist der Moment, in dem er sich in seiner Bestimmung bestätigt sieht.
Von der Skizze zum eigenständigen Werk
Nach der Heimkehr nach Deutschland beschäftigt sich Klee intensiv mit den Skizzen und Studien, die er in Tunesien angefertigt hat. Viele Motive greift er in den folgenden Monaten und Jahren wieder auf und entwickelt sie weiter. Dabei wird deutlich, wie stark die Erlebnisse dieser Reise in ihm nachwirken.
So greift er auch auf die Aquarellskizze "1914/216, Vor den Toren von Kairuan" zurück, die heute in der Paul-Klee-Stiftung des Kunstmuseums Bern verwahrt wird. Dieses kleine Blatt, das er direkt vor Ort gemalt hat, betrachtet er lange nicht als eigenständiges Werk, sondern lediglich als Studie. Erst Jahre später, 1921, beginnt Klee solche Arbeiten als abgeschlossene Werke zu würdigen. Bis dahin sind sie für ihn wertvolle Ausgangspunkte, Quellen, die er weiterbearbeitet und in andere, reifere Bildlösungen überführt.
Unser Aquarell von 1916 ist genau in diesem Prozess entstanden. Klee hat die vor Ort entstandene Skizze erneut aufgegriffen, doch nun zu einem klar gefassten, konzentrierten Werk verdichtet. Während in der Skizze noch ein weiter Vordergrund Raum einnimmt, reduziert er diesen im späteren Blatt. Er richtet die Aufmerksamkeit auf das, was für ihn wesentlich ist: die markanten Kuppeln der Stadt, klar erkennbar und doch in leiser Verwandlung, und die kleine Gruppe von drei Kamelen, die im rechten Bildteil unter einem großen, bräunlich getönten Bogen erscheinen.
In dieser Konzentration zeigt sich der innere Fortschritt, den Klee seit 1914 vollzogen hat. Das Aquarell von 1916 ist nicht bloß eine Wiedergabe der äußeren Realität, sondern die Essenz eines Erlebnisses. Die Reise nach Tunesien war mehr als ein geografisches Abenteuer – sie war eine Reise ins Innere, ein Prozess der Selbstvergewisserung. Aus dem überwältigenden Eindruck von Licht und Farbe ist nach zwei Jahren die stille Gewissheit einer eigenen Bildsprache geworden.
Nachwirkung und Bedeutung
Das Aquarell steht damit exemplarisch für Klees Weg: Aus den Skizzen der Reise, die zunächst nur als Studien gedacht sind, entwickelt er in der Rückschau Werke von bleibender Klarheit. Er selbst weiß um die Bedeutung dieses Prozesses. Die "glückliche Stunde von Kairuan", in der er sich mit der Farbe vereint fühlt, bleibt ihm Orientierung und innerer Maßstab.
Unser Blatt ist somit nicht nur ein Zeugnis einer legendären Künstlerreise, sondern auch ein Dokument eines künstlerischen Erwachens. Es verbindet die Frische des unmittelbaren Eindrucks mit der Reife der späteren Verdichtung. Und es zeigt, wie Paul Klee in Kairuan zu dem wurde, was er dort selbst in Worte fasst: "Ich bin Maler." [EH]
125001093
Paul Klee
Kairuan (Kairuan mit den Kamelen und dem Esel), 1916.
Aquarell über Bleistift, original auf Unterlage...
Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
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