299
Gottfried Benn
Brief an K. von Porada, 26. Juni 1933
Schätzpreis: € 1.000
Gottfried Benn
Schriftsteller, 1886-1956. Eigenhändiger Brief mit Unterschrift "B.". Ohne Ort (Berlin), 26. Juli 1933. 4 Seiten (Doppelblatt). 22,5 : 14 cm. Mit eigenhändigem Umschlag.
Gehaltvoller Brief an die Journalistin Käthe von Porada (1891-1985) in Paris.
"Nun sage ich Ihnen wohl Adieu, chère K., da Sie abreisen. Ich bin ganz verdüstert, weil Sie fortgehn in die unbekannte wilde Welt. Meine Handschrift ist darum ganz krickelig, allerdings auch, weil ich am kl[einen] Finger ein Pflaster habe. Oh Sie! - Danke tausendmal für die Valéry Gedichte. Soviel Mühe für Sie! Ich ersehe aus ihnen alles, was mich interessiert. Mein Instinkt hat wieder recht. Nach 'Herrn Teste' hielt ich nämlich wenig von ihm, jetzt noch weniger. Natürlich nur als Deutscher, d. h. als einer, der mit anderem Sprachmaterial arbeitet, anderes aus der Sprache entwickelt und in sie verlegt. Z. B. arbeitet er viel mit Adjectiven, was ich horrend finde in der Lyrik. Lyrik ist ejakulativ, fast nur Hauptworte, kaum selbst Verben! Dann ist seine Lyrik etwas überraschend und geistvoll, kapriziös und enthüllt eigentlich nur altmodische Seelenrestbestände. Er räumt das Lager noch mal durch. Also alles in Allem niemand, der mich überwältigt. Ich werde weiter darin studieren. Tausend tausend Dank. - Morgen bei der Schillingstrauerfeier [zum Tode des mit Benn befreundeten Komponisten und Präsidenten der Akademie der Künste, Max von Schillings] muss ich reden. Schreckliche Sache. Mache es kurz und sehr allgemein. 'Beschwörend'. Werde es Ihnen schicken. Es reden eine Menge Leute noch ausserdem. Die Witwe bat mich darum. Sonst ab dafür. Es ist tötliche [sic] Stille, im Geschäft, im Privaten, im Telefon, in der Post - wenn Ihre Briefe nicht wären, die blauen, zärtlichen mit der wunderbaren (manchmal schwer zu lesenden) Handschrift! Merkwürdig, wie zwei Menschen, die sich doch kaum, oder wenig kennen, einander in Spannung halten, wenigstens Sie mich. Obschon ich doch, wie gesagt, sehr 'exact' bin. Wie kommt das? Warum heisst eigentlich das Lehmann Buch: 'Sturz auf die Erde'? Wer stürzt? Ich kann trotz Ihrer Apologie mein Urteil nicht sehr korrigieren. Natürlich ist die Konception des Wassermeier grossartig, auch vieles im Anfang wunderbar. So, nun wollen Sie nichts mehr hören, Sie haben Reisegedanken. Anbei ein kleines Bild. Alter: 1 1/2 Jahre, plötzlich steht es in einer Funkzeitschrift. Die Unterschrift ist ganz blöd .."
Abgedruckt in: Den Traum alleine tragen. Neue Texte, Briefe und Dokumente . Wiesbaden 1966. S. 128f.
Autograph letter signed, with autograph envelope. Rich and informative letter to the journalist Käthe von Porada (1891-1985) in Paris. 4 pp. (R)
Schriftsteller, 1886-1956. Eigenhändiger Brief mit Unterschrift "B.". Ohne Ort (Berlin), 26. Juli 1933. 4 Seiten (Doppelblatt). 22,5 : 14 cm. Mit eigenhändigem Umschlag.
Gehaltvoller Brief an die Journalistin Käthe von Porada (1891-1985) in Paris.
"Nun sage ich Ihnen wohl Adieu, chère K., da Sie abreisen. Ich bin ganz verdüstert, weil Sie fortgehn in die unbekannte wilde Welt. Meine Handschrift ist darum ganz krickelig, allerdings auch, weil ich am kl[einen] Finger ein Pflaster habe. Oh Sie! - Danke tausendmal für die Valéry Gedichte. Soviel Mühe für Sie! Ich ersehe aus ihnen alles, was mich interessiert. Mein Instinkt hat wieder recht. Nach 'Herrn Teste' hielt ich nämlich wenig von ihm, jetzt noch weniger. Natürlich nur als Deutscher, d. h. als einer, der mit anderem Sprachmaterial arbeitet, anderes aus der Sprache entwickelt und in sie verlegt. Z. B. arbeitet er viel mit Adjectiven, was ich horrend finde in der Lyrik. Lyrik ist ejakulativ, fast nur Hauptworte, kaum selbst Verben! Dann ist seine Lyrik etwas überraschend und geistvoll, kapriziös und enthüllt eigentlich nur altmodische Seelenrestbestände. Er räumt das Lager noch mal durch. Also alles in Allem niemand, der mich überwältigt. Ich werde weiter darin studieren. Tausend tausend Dank. - Morgen bei der Schillingstrauerfeier [zum Tode des mit Benn befreundeten Komponisten und Präsidenten der Akademie der Künste, Max von Schillings] muss ich reden. Schreckliche Sache. Mache es kurz und sehr allgemein. 'Beschwörend'. Werde es Ihnen schicken. Es reden eine Menge Leute noch ausserdem. Die Witwe bat mich darum. Sonst ab dafür. Es ist tötliche [sic] Stille, im Geschäft, im Privaten, im Telefon, in der Post - wenn Ihre Briefe nicht wären, die blauen, zärtlichen mit der wunderbaren (manchmal schwer zu lesenden) Handschrift! Merkwürdig, wie zwei Menschen, die sich doch kaum, oder wenig kennen, einander in Spannung halten, wenigstens Sie mich. Obschon ich doch, wie gesagt, sehr 'exact' bin. Wie kommt das? Warum heisst eigentlich das Lehmann Buch: 'Sturz auf die Erde'? Wer stürzt? Ich kann trotz Ihrer Apologie mein Urteil nicht sehr korrigieren. Natürlich ist die Konception des Wassermeier grossartig, auch vieles im Anfang wunderbar. So, nun wollen Sie nichts mehr hören, Sie haben Reisegedanken. Anbei ein kleines Bild. Alter: 1 1/2 Jahre, plötzlich steht es in einer Funkzeitschrift. Die Unterschrift ist ganz blöd .."
Abgedruckt in: Den Traum alleine tragen. Neue Texte, Briefe und Dokumente . Wiesbaden 1966. S. 128f.
Autograph letter signed, with autograph envelope. Rich and informative letter to the journalist Käthe von Porada (1891-1985) in Paris. 4 pp. (R)
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Gottfried Benn
Brief an K. von Porada, 26. Juni 1933
Schätzpreis: € 1.000
Aufgeld und Steuern zu Gottfried Benn "Brief an K. von Porada, 26. Juni 1933"
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Berechnung der Regelbesteuerung:
Zuschlag bis einschließlich € 200.000: 25 % Aufgeld zuzügl. der gesetzlichen Umsatzsteuer
Zuschläge über € 200.000: Teilbeträge bis einschließlich € 200.000 25%, Teilbeträge über € 200.000: 20% Aufgeld, jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer
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