Auktion: 552 / Sammlung Bunte am 09.12.2023 in München Lot 516

 

516
Hermann Stenner
Heiliger Sebastian, 1911/12.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)
Heiliger Sebastian. 1911/12.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert. 95,5 x 75,5 cm (37,5 x 29,7 in). [JS].

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Fritz Stenner, Bielefeld.
Familienbesitz Stenner.
Sammlung Hermann-Josef Bunte, Hamburg/Bielefeld.

AUSSTELLUNG: Große Kunstausstellung Minden, 1914, Kat.-Nr. 183.
Wilhelm Morgner - Hermann Stenner, Städtisches Kunsthaus, Bielefeld, 2.-30.5.1954, Kat.-Nr. 37 (m. Abb.).
Hermann Stenner 1891-1914, Kunsthalle Bielefeld, 2.6.-25.8.1991; Städtische Galerie, Albstadt, 8.9.-27.10.1991; Galerie der Stadt Sindelfingen, 8.11.-29.12.1991, Kat.-Nr. 15 (m. Abb. S. 70).
Die Sammlung Hermann-Josef Bunte, Städtische Galerie, Papenburg, 5.11.1995-25.2.1996; Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Kloster Cismar, 31.3.-27.5.1996, Kat.-Nr. 10 (m. Abb. S. 43).
Dauerleihgabe im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum, Schloss Gottdorf (seit 1996).
Die Sammlung Hermann-Josef Bunte. Deutsche Malerei des XX. Jahrhunderts, Hamburger Kunsthalle und Galerie der Haspa, 1.12.1999-5.3.2000; Kunsthalle Wilhelmshaven, 12.3.-24.4.2000; Kunstmuseum Ahlen, 21.5.-16.7.2000; Museum Baden, Solingen, 20.8.-17.9.2000.
Zwischentöne. Sammlung Hermann-Josef Bunte, Edwin-Scharff-Museum, Neu-Ulm, 16.11.2000-21.1.2001.
Künstler der Hamburgischen Sezession aus der Sammlung Hermann-Josef Bunte, Staatliche Galerie Moritzburg, Halle/Saale, 28.1.-11.3.2001.
Malerei der Hamburgischen Sezession aus der Sammlung Hermann-Josef Bunte, Haus am Waldsee, Berlin, 24.4.-17.6.2001.
Zwischentöne. Sonderentwicklungen des Expressionismus in der Sammlung Hermann Josef Bunte, Galerie der Stadt Aschaffenburg, Jesuitenkirche, 29.6.-26.8.2001, Kat.-Nr. 25 (m. Abb. S. 26).
Verlorene Nähe. Bilder vom Menschen in der Malerei des 20. Jahrhunderts. Sammlung Bunte, Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottdorf, Schleswig, 1.12.2001-20.1.2002; Städtische Galerie in der Reithalle, Schloss Neuhaus, Paderborn, 1.2.-13.3.2002; Kunsthaus Kaufbeuren, 22.3.-15.6.2002, Kat.-Nr. 109 (m. Abb. S.30).
Hermann Stenner und der Hölzel-Kreis, Malerei und Grafik aus der Sammlung Bunte, Kunststiftung Hohenkarpfen, 13.4.-17.8.2003, Kat.-Nr. 11 (m. Abb. 34, S. 42).
Hermann Stenner. Gemälde. Retrospektive 1909-1914, Kunsthalle Bielefeld, 1.6.-31.8.2003; Galerie der Stadt Aschaffenburg, Jesuitenkirche, 27.9.-16.11.2003
Sammlung Bunte, Positionen der Klassischen Moderne, Kunst-Museum Ahlen, 25.02.-28.05.2007 (m. Ganzs. Farbabb. S. 211); Lyonel Feininger Galerie, Quedlinburg, 01.12.07-02.03.2008; Museum Moderne Kunst, Passau 09.08.-29.09.2008; Egon Schiele Art Centrum, Krumau 31.10.08.-01.02.2009; Ernst Barlach Stiftung Güstrow 27.09.09-17.01.2010; Kunsthaus Apolda Avantgarde 24.01.-05.04.2010
Hermann Stenner, Hymnen an das Leben, Werke aus der Sammlung Bunte,Städtisches Museum Engen + Galerie, 28.02.-02.07.2023, Kat.-Nr. 21 (m. Ganzs. Farbabb. S.46 ); Kunsthaus Apolda Avantgarde, 09.07.-03.09.2023;.

LITERATUR: Jutta Hülsewig-Johnen/Christiane Reipschläger, Hermann Stenner. Werkverzeichnis der Gemälde, hrsg. vom Freundeskreis Hermann Stenner e. V., Bielefeld 2003, WVZ-Nr. 87 (m. Abb. S. 113).
Hans Georg Gmelin, Hermann Stenner 1891-1941, München 1975, S. 33 sowie WVZ-Nr. G 86.

Hermann Stenner 1891-1914, Ausst.-Kat. Städtisches Kunsthaus, Bielefeld, hrsg. von Hans Hildebrandt, Bielefeld 1956, Kat.-Nr. 105.
Hermann Stenner 1891-1914. Gemälde und Arbeiten auf Papier, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bielefeld u. a., hrsg. von Hans-Michael Herzog, Bielefeld 1991, S. 14f., S. 22.
„Hermann Stenner wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden, wenn
nicht der sinnlose, verbrecherische Krieg seine Opfer geholt hätte… [Er] ist mir ein
intensivster Bestand meiner Jugend gewesen, als Vorbild jugendlichen Elans,
künstlerischem Wollen und Intensität des verantwortlichen Eifers, ein heiterer
und klarster Mensch, ein werdender Künstler.“

Willi Baumeister

Der heilige Sebastian war der Legende nach ein römischer Soldat, der seit dem 4. Jahrhundert als Märtyrer in der katholischen Kirche verehrt wird. Der Überlieferung zufolge hatte sich Sebastian als Hauptmann der Prätorianergarde am kaiserlichen Hof öffentlich zum Christentum bekannt und notleidenden Christen geholfen, woraufhin ihn Diokletian zum Tode verurteilte und von numidischen Bogenschützen erschießen ließ. Im Glauben, er sei tot, ließ man ihn danach liegen. Sebastian war jedoch nicht tot, sondern wurde von einer frommen Irene, die ihn eigentlich für das Begräbnis vorbereiten wollte, gesund-gepflegt. Das Martyrium des hl. Sebastian wird in der bildenden Kunst bereits im 5. Jahrhundert dargestellt. Zu den Attributen des Heiligen gehören Pfeile, die seine Brust und mageren Körper durchbohren. Dabei ist der Heilige häufig an einen Baum gebunden, bisweilen wird auch die gesamte Beschießungsszene gezeigt und auch die Auffindung durch Irene thematisiert. Spätestens seit der Renaissance, besonders bei Andrea Mantegna, ist der hl. Sebastian als standhafte Ikone männlicher, adonisgleicher Schönheit zu sehen.
Und wie geht Hermann Stenner mit diesem Thema um? Zunächst ist zu bemerken: Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich Stenner noch kaum mit der Darstellung religiöser Thematik beschäftigt. Und diesem doch recht weltlichen, gleichwohl dramatisch in Szene gesetzten, elegisch an einen Baum gelehnten Jüngling fehlen die entscheidenden Attribute. Der Körper ist unversehrt, allenfalls ist sein rechter Arm an den Baum gebunden, der linke ragt über dem Kopf gehalten aus dem Bild. In einer weiteren Version dieses Themas sind beide Hände gebunden. Über die Entstehung des Bildes äußert sich der Künstler nicht, so dass nur der Titel eine mögliche Interpretation nahelegt: Ist es möglicherweise eine sehr persönliche Umsetzung eines noch unversehrten Körpers? Ein inspirierendes Studium der reichhaltigen Literatur zu diesem Thema wird Stenner angeleitet haben, sich diesem Thema zu nähern, um sich selbst in einer ‚vergleichbaren‘ Szene zu sehen. Vielleicht auch zum Ausdruck zu bringen, in welcher geistigen Verfassung er sich befindet als noch sehr jugendlicher, gerade volljährig gewordener Mensch vor dem Wechsel zu einem freischaffenden Künstler, ohne die schützenden Hände der Kunst-Akademie und seines Lehrers Adolf Hölzel, ausgesetzt den Pfeilen der Kritiker? Und noch etwas ist bemerkenswert: Stenner konfrontiert die Betrachter zum ersten Mal mit einem männlichen nackten Oberkörper in dieser Nahsicht, einem ausdruckstarken, durchmodellierten Körper. Und er gibt sich zu erkennen mit dem feinen Gesicht. [MvL]



516
Hermann Stenner
Heiliger Sebastian, 1911/12.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)