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442
Ernst Ludwig Kirchner
Kühe im Herbst, 1924/1926.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 100.000 Ergebnis:
€ 444.500 (inklusive Aufgeld)
Kühe im Herbst. 1924/1926.
Öl auf Leinwand.
Gordon 788. Links unten signiert. Verso auf der Leinwand signiert, betitelt und mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) sowie der handschriftlichen Registriernummer "Da/Bm 7a". 60 x 70,5 cm (23,6 x 27,7 in). [CH].
• Besonders ausdrucksstarkes Beispiel für Kirchners konsequente Verfolgung seines Davoser Malstils.
• Nach neun Jahren in Davos unternimmt Kirchner 1925/26 Reisen zu seinen einstigen deutschen Wirkungsstätten, von denen er in seinem künstlerischen Stilbewusstsein gefestigt nach Davos zurückkehrt.
• In Motiv, leuchtend-expressiver Farbpalette und reduzierter Formensprache selbstbewusste Darstellung, die seine kompromisslose Stiländerung in den 1920er Jahren unterstreicht.
• Auf charakteristische Weise verbindet der studierte Architekt E. L. Kirchner hier Frontalperspektive und Profilansicht mit einem nah an das Motiv herantretenden Bildausschnitt.
• Direkt von der Familie des Künstlers. Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten.
Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.
PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946).
Kirchner Erbengemeinschaft, Biberach (1954).
Sammlung Walter Köhler, München (seit 1954, Erbe nach Walter Kirchner (1882-1954), Bruder des Künstlers).
Seitdem in Familienbesitz.
LITERATUR: Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner, München/Cambridge (Mass.) 1968, WVZ-Nr. 788, S. 380 (m. Abb.).
Hans Delfs/Mario-Andreas von Lüttichau/Roland Scotti, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay .. Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann, Ostfildern-Ruit 2004, Nr. 475.
"Der farbige Umriß ist ein Problem, das noch nicht behandelt wurde bis heute. [..] Auch die Veränderung der Farbe einer Fläche bei Angrenzen an eine complementäre Farbe gehört in dies Kapitel. [..] Die Farben bleiben viel mehr in der Fläche, wenn sie nebeneinander im Farbkreis stehen, und Fläche will ich haben, trotz Tiefenwirkung und allem anderen."
Ernst Ludwig Kirchner, Tagebucheintragung vom 17. Oktober 1925, in: Lothar Grisebach, Davoser Tagebuch, Ostfildern 1997, S. 103.
Öl auf Leinwand.
Gordon 788. Links unten signiert. Verso auf der Leinwand signiert, betitelt und mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) sowie der handschriftlichen Registriernummer "Da/Bm 7a". 60 x 70,5 cm (23,6 x 27,7 in). [CH].
• Besonders ausdrucksstarkes Beispiel für Kirchners konsequente Verfolgung seines Davoser Malstils.
• Nach neun Jahren in Davos unternimmt Kirchner 1925/26 Reisen zu seinen einstigen deutschen Wirkungsstätten, von denen er in seinem künstlerischen Stilbewusstsein gefestigt nach Davos zurückkehrt.
• In Motiv, leuchtend-expressiver Farbpalette und reduzierter Formensprache selbstbewusste Darstellung, die seine kompromisslose Stiländerung in den 1920er Jahren unterstreicht.
• Auf charakteristische Weise verbindet der studierte Architekt E. L. Kirchner hier Frontalperspektive und Profilansicht mit einem nah an das Motiv herantretenden Bildausschnitt.
• Direkt von der Familie des Künstlers. Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten.
Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.
PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946).
Kirchner Erbengemeinschaft, Biberach (1954).
Sammlung Walter Köhler, München (seit 1954, Erbe nach Walter Kirchner (1882-1954), Bruder des Künstlers).
Seitdem in Familienbesitz.
LITERATUR: Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner, München/Cambridge (Mass.) 1968, WVZ-Nr. 788, S. 380 (m. Abb.).
Hans Delfs/Mario-Andreas von Lüttichau/Roland Scotti, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay .. Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann, Ostfildern-Ruit 2004, Nr. 475.
"Der farbige Umriß ist ein Problem, das noch nicht behandelt wurde bis heute. [..] Auch die Veränderung der Farbe einer Fläche bei Angrenzen an eine complementäre Farbe gehört in dies Kapitel. [..] Die Farben bleiben viel mehr in der Fläche, wenn sie nebeneinander im Farbkreis stehen, und Fläche will ich haben, trotz Tiefenwirkung und allem anderen."
Ernst Ludwig Kirchner, Tagebucheintragung vom 17. Oktober 1925, in: Lothar Grisebach, Davoser Tagebuch, Ostfildern 1997, S. 103.
Einfaches Leben und ländliche Idylle. Kirchners Wahlheimat in der Schweiz
Ab 1917 reist E. L. Kirchner mehrfach nach Davos, um sich aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustands dort bei Dr. Frédéric Bauer, dem damaligen Chefarzt des Davoser Parksanatoriums, in Behandlung zu begeben, bevor er mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling schließlich endgültig in die Schweiz übersiedelt. Den Sommer 1918 verbringt er in den Bergen auf der "Stafelalp", in den Jahren bis 1923 mietet er das Haus "In den Lärchen" in Davos-Frauenkirch und in den darauffolgenden Jahren bis zu seinem Tod 1938 wohnt er mit Erna auf dem Wildboden am Eingang des Sertigtals im sog. "Wildbodenhaus". An seinem Sehnsuchtsort in den Schweizer Bergen genießt Kirchner ein einfaches, rustikales Leben mit nur wenigen Annehmlichkeiten. Die Alpenlandschaft, das Leben der dort ansässigen Bauernfamilien und die von der Natur geprägte bukolische Idylle sind Kirchner in diesen Jahren bedeutende Inspirationsquellen. Der ehemalige Stadtmensch, der das geschäftige Treiben in Dresden und in der Berliner Großstadt mit ihren elektrischen Straßenbahnen, durch die asphaltierten Straßen brausenden Automobilen und den urban-modern gekleideten Einwohnern gewohnt war, entwickelt für das ländliche, ganz anders getaktete Leben in Davos eine inspirierte Faszination. In einem Brief erklärt er 1919 überzeugt: "Der gute van de Velde schrieb mir heute, ich sollte doch wieder ins moderne Leben zurück. Das ist für mich ausgeschlossen. Ich bedaure es auch nicht. Ich habe hier ein reiches Feld für meine Tätigkeit, dass ich es gesund kaum bewältigen könnte, geschweige denn heute. […] hier lernt man tiefer sehen und weiter eindringen als in dem sogenannten 'modernen' Leben, das meist trotz seiner reichen äusseren Form so sehr viel oberflächlicher ist." (Brief an Helene Spengler, 3.7.1919).
Berglandschaft, Bauernleben, Flora und Fauna. Lieblingsmotive des einstigen Großstädters
Wie sehr sich der Künstler mit seiner schweizerischen Umgebung und dem einfachen Leben in Davos-Frauenkirch identifiziert, lässt sich anhand der Sujets der in diesen Jahren entstandenen Gemälde nachvollziehen. Ganz nach dem Leitsatz der "Brücke"-Künstler, "aus dem Leben die Anregung zum Schaffen zu nehmen und sich dem Erlebnis unterzuordnen" (E. L. Kirchner in der "Brücke"-Chronik von 1913, zit. nach: E. W. Kornfeld, E. L. Kirchner. Nachzeichnung seines Lebens, Bern 1979, S. 43), spiegeln auch seine in der Schweiz entstandenen Bilder nun mit jedem Pinselstrich sein Leben in Davos wider, so wie schon seine Gemälde bis 1917 ein Abbild seiner Berliner Zeit und der besonderen Großstadt-Atmosphäre liefern und seine Arbeiten bis 1911 die progressive künstlerische Schaffenskraft der Dresdener Jahre illustrieren.
Interessiert und intensiv beobachtet der Künstler die verschiedenen Jahreszeiten und den darauf abgestimmten Rhythmus im arbeitsreichen Leben der Bauern, die harten Winter, die Heuernte, die Bauernfeste und auch die Alpzeit in den Sommermonaten, wenn die Kühe auf die saftigen Weiden getrieben werden. In der hier angebotenen Arbeit zeigt der Künstler die Kühe friedlich grasend "im Herbst", denn obwohl in vielen Regionen in der Schweiz im September und Oktober die Feste zum Alpabzug gefeiert werden, können die hart gesottenen Tiere gut und gerne das ganze Jahr über für einen Großteil des Tages draußen gehalten werden, auch bei sehr kalten Temperaturen. Auf ausgedehnten Spaziergängen in der Davoser Umgebung, bspw. in "Längmatte" und nahe der "Stafelalp", seinem einstigen Sommerdomizil, kann Kirchner die Kühe aus nächster Nähe beobachten und in diesen Jahren in einigen Fotografien, spontanen Zeichnungen und druckgrafischen Arbeiten sowie Gemälden künstlerisch verarbeiten. Sogar eine eigenhändig geschnitzte Skulptur aus Arvenholz (WVZ Henze 1925/02) hat sich erhalten. Motivisch sind die behörnten Tiere in diesen Jahren für Kirchner von großer Bedeutung und aus seinem Œuvre der Davoser Zeit nicht wegzudenken.
Kirchners Deutschlandreise 1925/26
Zeitlich ist das Werk in die Jahre um 1924/1926 einzuordnen. Womöglich hat Kirchner es 1924 begonnen und erst 1926 – nach seiner sog. "Deutschlandreise“ 1925/26 – vollendet. Im Winter 1925/26 reist Kirchner zunächst nach Frankfurt am Main, nach Chemnitz, Dresden und schließlich nach Berlin, kehrt anschließend für einige Zeit nach Davos zurück, bevor er im Juni 1926 zu einer weiteren Reise nach Dresden aufbricht. Während seiner Aufenthalte sieht Kirchner u. a. erstmals die umfassende Sammlung seines befreundeten Mäzens Carl Hagemann, er besucht das Städel Museum in Frankfurt, die "Galerie der Moderne" in den Kunstsammlungen Chemnitz, die wichtigsten Berliner Kunstmuseen, die "Internationale Kunstausstellung" in Dresden, zudem lernt er die Tänzerinnen Mary Wigman und Gret Palucca und mit ihnen den modernen Ausdruckstanz kennen.
Schon vor der Reise betrachtet Kirchner sein künstlerisches Schaffen wohlwollend und selbstbewusst: "Ich sehe langsam, worauf es ankommt. Sehe warum und was meine Malerei will und ist. Es ist kein Zwang, nichts Gewolltes in ihr, und doch ist sie anders als die Natur. Aber es wäre falsch zu sagen, dass ich aus dem Gefühl allein male, die Erfahrungen, die ich machte im früheren Werke, benutze ich selbstverständlich für das folgende ganz bewusst. Ich glaube, dass ich die Lehre um die Kunst um einige neue Sätze bereichere.“ (E. L. Kirchner, 1.9.1925, in: Lothar Grisebach (Hrsg.), E. L. Kirchners Davoser Tagebuch, Stuttgart 1997, Nr. 161, S. 82) Und auch nach seiner Rückkehr aus Deutschland, den Kopf gefüllt mit neuen Eindrücken und Bildern der künstlerischen Avantgarde, ist Kirchner sich sicher, im Hinblick auf die Moderne den richtigen Weg eingeschlagen zu haben: "Die Reisen waren sehr lehrreich für mich, obwohl ich künstlerisch gar keine Anregung davontrug, ich sah aber meinen Platz und die Berechtigung, weshalb mein Werk drüben so hoch geschätzt wird. Unter den heute schaffenden Modernen steht meine Arbeit tatsächlich in ihrem Ernst, in Freiheit und Eigenart an allererster Stelle. […] Viel wichtiger daran ist auch, dass meine Arbeit weit und breit genug ist, um weitere Entwicklung derselben zuzulassen, und ich sehe heute meinen Weg deutlich vor mir." (E. L. Kirchner, 26.9.1926, in: ebd., Nr. 185, S. 108)
Fokus auf Form, Farbe und Perspektive
Seine so moderne künstlerische Ausdrucksweise zeigt sich in dem hier angebotenen Gemälde "Kühe im Herbst" in einem zunächst ländlich-alltäglichen Motiv. Kirchner porträtiert die freundlich dreinblickenden Tiere in drei verschiedenen Ansichten und Positionen, von der Seite grasend, mit offenem Maul und ganz frontal den Betrachter:innen entgegenblickend, und füllt damit bereits einen Großteil des Bildraums. Es geht ihm nicht um die Darstellung der idyllischen Davoser Bergwelt, sondern um eine moderne Formfindung, neue Bildideen und Perspektiven und um mutig gesetzte Farbigkeit. Wie in weiteren Arbeiten dieser Jahre zu beobachten ist, findet Kirchner zu einer später charakteristischen Zweifarbigkeit, mit der er seine Motive darstellt. So wie die Körper der Kühe aus kräftigem Violett und einem tiefen Blaugrün modelliert werden, verwendet Kirchner bspw. in seinem so berühmten "Selbstbildnis" (1925/26, Sammlung E. W. Kornfeld, Bern/Davos) ausschließlich klare, starke Farben für seine Darstellung von Licht und Schatten, anstatt die verwendete Farbe in dunkleren und helleren Tönen abzumischen. Während sich sein Werk und das der "Brücke"-Künstler in früheren Arbeiten in Dresden und Berlin mit dynamischem, bewegtem Strich, geradezu nervöser Linienführung, flirrenden Konturen und zum Teil spitzen, kantigen Formen auf die expressive und unmittelbare Übersetzung des Gesehenen und Erlebten fokussiert, erlebt Kirchners Schaffen in den 1920er und dann erneut in den 1930er Jahren in Davos deutliche stilistische und formale Weiterentwicklungen. Der Ausgangspunkt ist noch immer das Naturerlebnis, doch Kirchner findet nun zu einer betont flächigen Malweise und zu einer ganz eigenen Form der Abstrahierung, die in der hier angebotenen Arbeit eindrucksvoll Gestalt nimmt und die für seine späteren Arbeiten der 1930er Jahre absolut richtungsweisend ist. [CH]
442
Ernst Ludwig Kirchner
Kühe im Herbst, 1924/1926.
Öl auf Leinwand
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