Auktion: 547 / Modern Art Day Sale am 09.12.2023 in München Lot 403

 

403
Max Oppenheimer
Bildnis Arthur Schnitzler, 1911.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 228.600

(inklusive Aufgeld)
Bildnis Arthur Schnitzler. 1911.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten monogrammiert "MOPP". Verso auf dem Keilrahmen mit diversen alten Etiketten sowie handschriftlichen Nummerierungen. 80,5 x 71,5 cm (31,6 x 28,1 in).
[KT].

• Oppenheimer ist mit Kokoschka und Schiele der bedeutendste Protagonist des Wiener Expressionismus.
• Das Leopold-Museum in Wien würdigt ihn aktuell mit der großen Einzelausstellung "Max Oppenheimer – Expressionist der ersten Stunde".
• Ab 1910 tritt er als feinfühliger Porträtist der Wiener Künstler- und Intellektuellenszene auf.
• Zu seinen Modellen zählen bedeutende Persönlichkeiten: Thomas und Heinrich Mann, Arnold Schönberg, Tilla Durieux, Antonin Dvorak, Sigmund Freud, Heinrich Thannhauser.
• Die Porträts, ausgestellt 1911 bei Thannhauser in München, verhelfen ihm zum Durchbruch.
• Erstmals auf dem Auktionsmarkt angebotenes Porträt der Literatur-Ikone der Jahrhundertwende (Quelle: artprice.com).
• Weitere Porträts befinden sich im Leopold Museum, Wien, in der Pinakothek der Moderne, München, sowie der Neuen Nationalgalerie, Berlin
.

PROVENIENZ: Dr. Viktor Manheimer (1877-1942), München (wohl seit 1911, bis spätestens 1918).
Privatsammlung, o. O. (ca. 1918- mindestens 1930, ab 1930 in Kommission bei Jost Florack, Berlin).
Privatsammlung einer Bühnenbildnerin, München (bis 1987).
Privatsammlung München (1987 durch Erbschaft von der Vorgenannten).
Privatbesitz Süddeutschland (vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Max Oppenheimer. Gesamtausstellung, Moderne Galerie Heinrich Thannhauser, München, 1911, Nr. 12.
Kunsthaus Zürich, Ausstellung Oktober 1911, Kat.-Nr. 137 (unverkäuflich).
Kunstsalon Paul Cassirer Berlin, XIV. Jahrgang. Winter 1911/1912. IV. Ausstellung: Kollektionen Richard Dreher, Werner Hoffmann, Max Oppenheimer, 6.-18.1.1912, Nr. 37.
Mannheimer Kunstverein [mit der Gruppe SEMA, Jan. 1913?] (mit dem num. Etikett).
Kunstsalon Emil Richter, Dresden [mit der Gruppe SEMA, 1913?] (mit dem num. Etikett).

LITERATUR: Marie-Agnes von Puttkamer, Max Oppenheimer – MOPP (1885–1954). Leben und malerisches Werk mit einem Werkverzeichnis der Gemälde, Wien u. a. 1999, S. 58, 66, 168, S. 226, WVZ-Nr. 47 (m. Abb.).

Arthur Schnitzler, Tagebuch 1909-1912, Wien 1981, S. 208, 212, 214-217, 266, 328.
Erich Mühsam, Tagebücher, Online-Edition von Chris Hirte und Conrad Piens, 2011; Heft V, 7.5.-28.7.1911, Eintrag Sonntag, 21.5.1911.
Bildende Künstler, Jg. 1, 1911, Abb. S. 243.
Wilhelm Michel, Max Oppenheimer, München 1911, S. 34, Abb. S. 11.
Fr. v. Khaynach, Von Berliner Kunstausstellungen, in: Neue Preußische Zeitung, 17.1.1912, Nr. 26.
B. [Oscar Bie], Hier und dort, in: Berliner Börsen-Courier, 14.1.1912, Nr. 22.
Hnn. [Alfred Georg Hartmann], Im Kunstsalon Cassirer, in: Der Tag, 18.1.1912, Nr. 31.
Max Osborn, Sezessions-Nachwuchs. Die Januar-Ausstellung bei Cassirer, in: B.Z. am Mittag, 19.1.1912, Nr. 16.
Fra. [Hans Franke (?)], Aus Berliner Kunstsalons, Frankfurter Zeitung, 12.2.1912, Nr. 42.
Dr. Paul Kautzsch, Kunstausstellungen bei Schulte, Paul Cassirer und Gurlitt, in: Westermanns Monatshefte, 56. Jg., Bd. 112, Nr. 7, April 1912, S. 280-288.
Max Osborn, "MOPP", in: Veröffentlichungen des Kunstarchivs, Nr. 25/26, MOPP. Max Oppenheimer, Berlin [1926], S. 5.
Max Oppenheimer, Handschriftliche Werkaufstellung, um 1928, Berlin Museum.
Hugo Helbing, München, Ölgemälde und Handzeichnungen des 19. und 20. Jahrhunderts, Auktion 21.12.1931, Los 49 (m. Abb.).
MOPP. Max Oppenheimer, Menschen finden ihren Maler, Zürich 1938, S. 29f., Abb. S. 31.
Else Hoffmann, Heinrich Mann und MOPP, in: Austro American Tribune, Jg. 1, Nr. 8, März 1944, S. 8.
Alessandra Comini, Egon Schiele’s portraits, Berkeley u. a. 1974, S. 45, 203 Anm. 62.
Gerhart Baumann, Arthur Schnitzler, Die Welt von Gestern eines Dichters von morgen, Frankfurt a. Main/München 1975, Abb. S. 57.
Walter Feilchenfeldt/Bernhard Echte, Kunstsalon Cassirer, Bd 5: "Verheißung und Erfüllung zugleich", Wädenswil 2016, S. 447 (m. Abb.).

ARCHIVALIEN:
Brief Florack, Jost an Schnitzler, Arthur, 17.1.1930, Teilnachlass A:Schnitzler, Arthur, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Mappe 756.
Brief Schnitzler, Arthur an Florack, Jost, 23.1.1930, Teilnachlass A:Schnitzler, Arthur, Deutsches Literaturarachiv Marbach, Mappe 327.

"16.1.1911 – Beim Maler Oppenheimer, Georg Cochgasse. Er malte mich. 3.2.1911 – zu Oppenheimer. Beendigung meines Bildes. 7.2.1911 – Nm. [Nachmittag] Oppenheimer – pumpte mich an, worauf ich vorbereitet war. (Ob ich einen Käufer für mein Portrait wüsste.. er brauche dringend Geld…)"
Aus: Arthur Schnitzler, Tagebuch 1909-1912, Wien 1981, S. 212-217.

Max Oppenheimer gehört zu dem zentralen Kreis Wiener Künstler, die dort eine ganz individuelle Form des Expressionismus entwerfen. Er stammt aus einer Familie des intellektuellen Bürgertums, sein Vater ist Journalist und Redakteur. Schon früh wird seine künstlerische Begabung offenkundig, bereits mit 15 Jahren schreibt er sich an der Wiener Akademie der Bildenden Künste ein. Nach dem Tod seines Vaters wechselt er 1903 an die Prager Akademie in der Heimatstadt seiner Mutter. 1906 schließt er sein Studium ab und unternimmt Reisen nach Frankreich und Holland, wo er sich vor allem der impressionistischen Malerei Max Liebermanns und den expressiven Farbwelten Vincent van Goghs, dessen Gemälde 1906 in der Wiener Galerie Miethke ausgestellt waren, zuwendet. Vor allem Max Liebermanns Porträtauffassung der Halbfigur in reduzierter Tonalität findet sich in einem ersten Porträt, für das Heinrich Mann 1907 Modell sitzt. In Wien bricht nach der Jahrhundertwende eine neue Generation auf, die sich von der lichten Harmonie des Impressionismus und dem weltfremden Ästhetizismus des Jugendstils abwendet. Die Verunsicherung und Gebrochenheit in der Begegnung mit einer immer schneller und wechselhafter werdenden Moderne wird zusehends im Kunstschaffen sichtbar. Einem Weltbild, das nicht auf der Suche nach oberflächlicher Schönheit ist, sondern tiefere Erkenntnis sichtbar werden lässt, wird von Literatur und Psychologie im intellektuellen Milieu Wiens der Boden bereitet. Im Rahmen der Internationalen Kunstschau 1909 in Wien begegnen sich Oppenheimer, Kokoschka und Schiele, mit dem ihn anschließend eine Ateliergemeinschaft verbindet. Wohl über Kokoschka kommt der Kontakt mit dem Arzt und Mäzen Dr. Oskar Reichel zustande, der ein offenes Haus mit Künstlern, Schriftstellern, Musikern und Intellektuellen führt. Einige davon verewigt Oppenheimer in seinen von feiner Psychologie durchdrungenen Porträts, darunter Sigmund Freud 1909 (Abraham Brill Library, New York). 1911 gelingt ihm über die Vermittlung des Galeristen und Kunstkritikers Arthur Roessler, dem Schwager von Reichel, eine Ausstellung in der wichtigsten Galerie für zeitgenössische Kunst, der Galerie Thannhauser in München. Dort präsentiert er auch dieses Porträt Arthur Schnitzlers, dem Arzt und Literaten, in dessen Erzählungen das verfeinerte Ästhetentum und das neurotische Psychologisieren der Wiener Oberschicht ihren Niederschlag finden. Für Oppenheimer typisch ist die leicht verschobene Schulterpartie, die zerfurchte und wie mit Spuren des Lebens gestaltete Oberfläche, in deren gespachtelter und rauher Oberfläche sich gleichsam seelische Strukturen erkennen lassen. Dunkle, wie aus dem Unterbewusstsein kommende Farben regen zur einer psychologischen Sichtweise des Dargestellten an: "Man sieht in die Antlitze hinein und hinter die Dinge." (Oppenheimer, zit. n. Puttkamer, S. 57). Für diese neuartige Porträtauffassung erntet Oppenheimer begeisterte Kritik: "Ich selbst hatte seit den letzten Corinth- und Liebermann-Ausstellungen in der Modernen Galerie keine so starken Eindrücke mehr wie jetzt vor Oppenheimers Bildnissen, die förmliche Enthüllungen der Porträtierten bedeuten." (Hermann Eßwein, in: Veröffentlichungen des Kunstarchivs, 25/26, 1926, S. 58). Thannhauser übernimmt anschließend die Vertretung Oppenheimers und schickt die Ausstellung nach Köln, Frankfurt, Mannheim und Zürich. Der Erfolg seines Künstlerfreundes mag der Anlass für das anschließende Zerwürfnis mit Kokoschka gewesen sein, der in einem wahren Feldzug gegen Oppenheimer versucht, diesen in den Hintergrund zu drängen. In einer längst überfälligen, großangelegten Schau verhilft das Wiener Leopold-Museum 2023 dem bedeutenden, teilweise durch Kokoschka und Schiele in den Hintergrund geratenen Werk Oppenheimers zu neuer Würdigung. [KT]



403
Max Oppenheimer
Bildnis Arthur Schnitzler, 1911.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 228.600

(inklusive Aufgeld)