Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 12

 

12
Konrad Klapheck
Lamento, 1986.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 711.200

(inklusive Aufgeld)
Lamento. 1986.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert und datiert sowie auf dem Keilrahmen betitelt. 152 x 103,5 cm (59,8 x 40,7 in).
Mit der titel- und formatgleichen Vorzeichnung (Lamento, 1986. Kohle, Graphit und farbige Kreide auf Pergaminpapier, 150,8 x 101 cm, vormals Los 13). [JS].

• "Lamento" – ein in Supergegenständlichkeit auf die Leinwand gesetzter roter Feuerlöschkasten als Sinnbild des menschlichen Daseins.
• Ein faszinierendes malerisches Spiel mit der optischen Täuschung, ein modernes Trompe-l’Œil
• Im Todesjahr von Klaphecks Mutter entstanden, ist das feuerrote Klagebild "Lamento" ein herausragendes, von existenziellen Fragestellungen durchdrungenes Werk.
• Von musealer Qualität.
• Klapheck gilt als Erfinder und Meister des "Maschinenbildes", das er als Spiegel menschlicher Existenz begreift.
• Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten
• Seltene Gelegenheit das Gemälde und die formatgleiche Zeichnung in einer Auktion zu erwerben
.

Die Arbeit ist unter der Werknummer 282 im Archiv des Künstlers registriert. Wir danken Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Galerie Lelong, Paris/Zürich/New York (direkt vom Künstler).
Privatsammlung Süddeutschland (nach 2002 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Klapheck. Presentazione di Arturo Schwarz mit Beiträgen von André Breton, Annie Le Brun und Werner Schmalenbach, Mailand 2002, S.140f. (m. Abb.).
Mensch und Maschinen. Bilder von Konrad Klapheck, Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2006, S. 91 (m. Abb.).

"Ich versuche meinen Bildern eine glatte Oberfläche zu geben, sie sollen aussehen, als wären sie nicht von Menschenhand gemacht. Ich ziehe über meine Leidenschaften eine Schicht von Eis, um ihnen größere Dauer zu verleihen."
Konrad Klapheck, zit. nach: Konrad Klapheck, Ausst.-Kat. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam 1974, S. 36.

Konrad Klapheck – Meister des Maschinenbildes
Konrad Klapheck ist der Erfinder und unangefochtene Meister des Maschinenbildes. 1955 hat er sein erstes Schreibmaschinengemälde geschaffen und damit den entscheidenden Ausgangspunkt für sein weiteres Werk gefunden, das fortan Nähmaschinen, Bügeleisen, Wasserkessel, Telefone, Rollschuhe und weitere Gegenstände des häuslichen Alltags in den Fokus rückt. Durch Monumentalisierung, Ausschnitthaftigkeit, Isolation und Neukombination verfremdet Klapheck diese stummen Helfer und inszeniert sie aller Alltäglichkeit entrückt als isolierte Protagonisten. Mit seinen real-surrealen Bildwelten hat Klapheck die Malerei des Fotorealismus und der Pop-Art in Teilen vorweggenommen und zugleich überwunden.

Klaphecks Maschinenbilder – "Supergegenständlichkeit" als Spiegel menschlicher Existenz
Es ist diese besondere Detailschärfe und Sachlichkeit der Darstellung in Kombination mit verfremdenden Elementen und oftmals menschlich-emotionalisierenden Bildtiteln, die das Empfinden des Betrachters zwischen Nähe und Distanz oszillieren lässt. Klaphecks Gegenstände werden anders als die Gegenstände der Pop-Art nicht auf ihre reine Objekthaftigkeit, ihren industriellen Seriencharakter reduziert, sondern Klapheck erschafft unverwechselbare Gegenstandscharaktere, die ein weites Panorama von Assoziationen und Emotionen auslösen und damit zu Sinnbildern unseres menschlichen Daseins werden. Klapheck selbst hat jene Menschhaftigkeit seiner in "Supergegenständlichkeit" auf die Leinwand gesetzten Gegenstände und Maschinen folgendermaßen beschrieben: "[..] ich [bin] natürlich manchmal, besonders von älteren Menschen, von den Freundinnen meiner Mutter oder meiner Schwiegermutter, gefragt worden: 'Ja, Sie haben doch so entzückende Kinder, wollen Sie nicht die mal malen? Und warum klammern Sie den Menschen aus?' Und damals habe ich immer gedacht: Aber der Mensch steht doch im Zentrum meines Werkes, er ist doch das Thema! Aber ich benutze die Instrumente, deren sich der Mensch bedient. Seit der Steinzeit hat sich der Mensch Selbstbildnisse geschaffen, vom ersten Steinkeil angefangen bis zum Computer von heute. Der Mensch spiegelt sich ja in den Gebrauchsgegenständen, die er geschaffen hat." (K. Klapheck, 2002, zit. nach: Klapheck. Bilder und Texte, München 2013, S. 114) Klaphecks sezierendem Blick auf seine alltägliche Umwelt entgeht nichts und er beschließt "ein ganzes System aus den Maschinenthemen aufzubauen und [seine] Biographie durch sie zu erzählen." (K. Klapheck, zit. nach: Mensch und Maschinen. Bilder von Konrad Klapheck, Bonn 2006, S. 85) Klaphecks zunehmend interpretierende Titel weisen den Weg von teils politisch-autoritär assoziierten Maschinenbildern wie "Der Chef" (Kunstmuseum Düsseldorf), "Der Diktator" (Museum Ludwig, Köln) oder "Der Krieg" (Kunstsammlungen Nordrhein Westfalen, Düsseldorf) über weiblich-mütterlich assoziierte Haushaltsgeräte in "Die Supermutter" oder "Der Hausdrache" bis hin zu den Fahrrädern, Motorrädern und Rollschuhen, in denen Klapheck Erinnerungen an seine eigene Jugend und die seiner Kinder künstlerisch niederschreibt.

Klaphecks "Lamento" – Ein modernes Meisterwerk zwischen Realität und Fiktion
Das Besondere an dem vorliegenden Gemälde ist seine Trompe-l’Œil-Haftigkeit, die Klaphecks Supergegenständlichkeit zu einer faszinierenden optischen Täuschung steigert. Denn hier hängt nicht etwa eine von Klaphecks Schreibmaschinen an der Wand, oder eines seiner Bügeleisen oder Wasserkocher, die sich allesamt durch ihre Hängung klar als Kunst zu erkennen geben, sondern ein in maximaler Perfektion gemalter Feuerlöschkasten mit großem schwarzen Drehventil, langem roten, sich platzsparend im Holzkasten windenden Löschschlauch samt Spritzaufsatz. Auch in der Realität ist ein Feuerlöschkasten an der Wand angebracht, und so ist Klapheck in "Lamento" ein besonders subtiles Spiel an der Schnittstelle von Realität und Fiktion gelungen. Seit der Renaissance entstehen Gemälde, die Realität vortäuschen, die durch die malerische Fiktion von Dreidimensionalität vorgeben, Realität zu sein, etwa in Form von fiktiven Fensterausblicken oder an die Wand gehefteten Gegenständen. Klapheck hat in minutiöser Feinmalerei die dreidimensionale Illusion täuschend echt herausgearbeitet, geradezu fesselnd ist die räumliche Präsenz, die durch den Schlagschatten von Gehäuse und Schlauch auf der strahlend gelben Rückwand des Löschkastens hervorgerufen wird. Auch der rote Rahmen des Kastens ist gemalt und maximiert auf diese Weise die haptische Präsenz des dargestellten Objektes. Allein die Übergöße der Darstellung, die Steigerung des Gegenstandes in ein surreal anmutendes übergroßes Format ist es, welche die perfekte Fiktion bricht und den Gegenstand als Kunst zu erkennen gibt. Zwar verweigert sich Klaphecks Feinmalerei prinzipiell jeglichem sichtbaren Pinselduktus und präsentiert uns den Gegenstand auf einzigartige Weise zugleich klar und entrückt, einem naturwissenschaftlichen Präparat ähnlich, hinter Glas konserviert. In "Lamento" hat Klapheck aber seine supergegenständliche Malweise in Form einer optischen Täuschung auf die Spitze getrieben. Hier lotet er den schmalen Grad zwischen Realität und Fiktion bis an ein Maximum aus und so ist es letztlich neben der den Gegenstand verfremdenden Übergröße der Darstellung gerade Klaphecks Supergegenständlichkeit, die schärfer, sezierender und präziser als jede Realität ist, welche die optische Täuschung als faszinierenden malerischen Kunstgriff zu erkennen gibt.


Klaphecks "Lamento" – Supergegenständliches Sinnbild des menschlichen Lebens
1986 stirbt die Mutter des Künstlers und Konrad Klapheck malt unser feuerrotes Klagebild des "Lamento", ein kraftvoller optischer Aufschrei. Klaphecks Mutter war die wohl prägendste Person in seinem Leben, verständnisvoll und beherrschend, liebevoll und einengend zugleich. Ihr waren die weiblich-mütterlich assoziierten Haushaltsgeräte der vorangegangenen Jahre – wie "Die Supermutter" und der "Hausdrache" – gewidmet. Sie war verwitwet, der Vater war bereits 1939 gestorben und Konrad der einzige Sohn. Der aufgewickelte und in den Feuerlöschkasten gezwängte Schlauch ist also für Klapheck – wie auch bereits in seiner Arbeit "Repression" aus dem Jahr 1973 – auch ein Sinnbild der Anpassung. Klaphecks Malerei ist auf faszinierende Weise klar und geheimnisvoll zugleich, sie fesselt durch die sachlich-kühle Objektivität der Darstellung in Kombination mit einer subjektiv-emotionalen Assoziationsdichte, die der Künstler seinen Charaktergegenständen meist durch die Wahl emotional aufgeladener Werktitel mit auf den Weg gibt. "Lamento" beschreibt in einem Wort das Klagen über die oft schmerzvollen Herausforderungen des Lebens, die kleinen Stolpersteine und die qualvollen, großen Prüfungen, die unser aller Leben bis zum Tod für uns bereit hält. Sie machen unser menchliches Dasein aus, gehören dazu und bringen uns doch allzuoft aus der Fassung, lassen uns stillstehen in der Klage oder im Schmerz, lassen uns lamentieren und für eine gewisse Zeit von unserem Weg abkommen. Der sich in den engen Grenzen des Kastens windende, sich teils verknotende und damit selbst blockierende rote Schlauch wird damit nicht nur zu einem Sinnbild der Anpassung, sondern auch zu einem Sinnbild der emotionalen Komplexität unserer menschlichen Existenz. Wie eine blutdurchströmte Nabelschnur wird er im Glaskasten vor uns zur Schau gestellt und wirkt teils zerknickt, verknotet, von den klaren Grenzen des Kastens in seine Schranken gewiesen. Das feuerwehrrote Gemälde "Lamento" ist eines der herausragendsten Beispiele dafür, dass Klaphecks faszinierende Malerei eben nicht allein technisch perfektionierte Stilllebenmalerei ist, sie nicht nur einer in sachlich-kühler Verfremdung inszenierten Realität huldigt, sondern sie darüber hinaus aufgrund ihrer hohen assoziativen Dichte Auslöser eines hoch komplexen, subjektiv-emotionalen Empfindens ist. Klaphecks "Lamento" konfrontiert uns hoch verdichtet mit existenziellen Fragestellungen und setzt komplexe Reflexionen über Bedeutung, Sinn und Grenzen unseres Daseins in Gang.
Konrad Klapheck hat mit seinen kühl-entrückten gegenständlichen Schöpfungen, die sich durch ihre hohe assoziative Dichte auszeichnen, letztlich René Magrittes berühmten Satz "Ceci n'est pas une pipe" künstlerisch auf die Spitze getrieben. [JS]



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Konrad Klapheck
Lamento, 1986.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 711.200

(inklusive Aufgeld)