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17
Ernst Ludwig Kirchner
Akte im Wald, kleine Fassung, 1933/34.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 350.000 Ergebnis:
€ 508.000 (inklusive Aufgeld)
Akte im Wald, kleine Fassung. 1933/34.
Öl auf Leinwand.
Gordon 970. Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) und der handschriftlichen Registriernummer "Da/Bf 16". 43 x 60 cm (16,9 x 23,6 in).
Das Werk ist in Ernst Ludwig Kirchners "Photoalbum III" als Fotografie Nr. 295 zu finden.
• Einzigartige und klare Umsetzung von Kirchners besonderem Interesse an der Darstellung von Licht und Schatten.
• Das gleichnamige, spätere Pendant befindet sich im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen (bereits 1937 von Wilhelm Hack direkt vom Künstler erworben).
• Im selben Jahr widmet Kirchner dem hier angebotenen Gemälde einen seiner bedeutendsten Farbholzschnitte (Abb. ziert den Umschlag des Druckgrafik-Werkverzeichnisses von Günther Gercken).
• Die intensive Beschäftigung mit diesem Motiv in Form von ausgearbeiteten Zeichnungen, Kompositionsskizzen und Druckgrafiken beweist die große Bedeutung der hier angebotenen Arbeit innerhalb seines Œuvres.
• Die detaillierten, genauestens durchkomponierten, im Vorfeld mehrfach überarbeiteten Entwürfe für dieses Gemäldes weisen Kirchner als studierten Architekten aus.
• Um 1929 aufgenommene Fotografien zeigen Kirchners Lebensgefährtin Erna Schilling nackt mit der befreundeten Lotte Kraft-Rohner und Ester Haufler im Wald bei Davos-Frauenkirch und mögen als Inspiration für "Akte im Wald" gedient haben.
• Seine Arbeit an diesem Motiv erwähnt der Künstler im Mai 1934 in einem Brief an seinen großen Unterstützer, den Kunstsammler Carl Hagemann (1867–1940).
• Seit mindestens 55 Jahren Teil derselben Privatsammlung.
Wir danken Herrn Prof. Dr. Günther Gercken für die freundliche Unterstützung bei der Bearbeitung dieses Werkes.
Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.
PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946, verso auf der Leinwand mit dem handschriftlich nummerierten Nachlassstempel).
Curt Valentin Gallery, New York (um 1950).
Buchholz Gallery, New York (1950–1951).
Privatsammlung Hamburg (zwischen 1957 und 1968 erworben).
Seitdem in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Kirchner, Busch-Reisinger-Museum, Cambridge, 8.12.1950 bis 12.1.1951, Kat.-Nr. 29.
Curt Valentin Gallery, New York, 16.4.-10.5.1952, Kat.-Nr. 17 (auf dem Keilrahmen mit dem Galerieetikett).
[Titel unbekannt], Frankfurt am Main, 1956/1957, Kat.-Nr. 84.
LITERATUR: Hauswedell & Nolte, Hamburg, 74. Auktion, Mai 1957, Los 897 (m. Abb., Tafel XIX).
Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München/Cambridge (Mass.) 1968, Kat.-Nr. 970, S. 407 (m. Abb.).
Bündner Kunstmuseum Chur (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Die Sammlung im Kirchner-Haus Davos und die Werke Kirchners und seiner Schüler, Chur 1980, S. 58.
Roland Scotti, Ernst Ludwig Kirchner. Von der Schimmeldressur zum Ballspiel, Davos 1998, S. 32.
Hans Delfs, Mario-Andreas von Lüttichau u. Roland Scotti, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay.. Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann, Ostfildern-Ruit 2004, Nr. 564.
Günther Gercken, "Aus der Farbe gestaltet", in: Ausst.-Kat. Ernst Ludwig Kirchner - Farbige Druckgrafik, Brücke-Museum, Berlin / Paula Modersohn-Becker Museum, Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen / 2008/2009, S. 35f.
Alexander B. Eiling, Ernst Ludwig Kirchner. Drei Akte im Walde - Entwicklung eines Bildmotivs, in: Reinhard Spieler u. Alexander B. Eiling (Hrsg.), hackstücke #1. Ernst Ludwig Kirchner. Drei Akte im Walde, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rhein 2010, S. 37 (m. Abb., Nr. 28, S. 39).
Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel. "Die absolute Wahrheit, so wie ich sie fühle", Zürich 2010, Nr. 2987.
"Er kommt genauso wie die punkthafte Licht- Schattenverteilung auf der ersten Zeichnung, die ich Ihnen zeigte, aus der Beobachtung der Natur und zwar so: Die Sonnenstrahlen fallen durch die Baumzweige und malen grosse helle Flecke auf die Erde und die Figuren. Wenn Sie etwas darstellende Geometrie kennen, so ist Ihnen die Zeichnung wohl klar."
E. L. Kirchner in einem Brief an Franz Bruhin, Wildboden 25.9.1937.
"[..] dies wird ein grosses Bild mit Sonnenflecken, auch seit 1933 in Arbeit."
E. L. Kirchner über das gleichnamige Pendant "Akte im Wald" (Gordon 971) in einem Brief an seinen Mäzen, den Sammler Carl Hagemann (1867–1940), vom 15. Juni 1934, zit. nach: H. Delfs, M.-A. v. Lüttichau u. R. Scotti (Hrsg.), Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay .., Ostfildern-Ruit 2004, S. 435.
Öl auf Leinwand.
Gordon 970. Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) und der handschriftlichen Registriernummer "Da/Bf 16". 43 x 60 cm (16,9 x 23,6 in).
Das Werk ist in Ernst Ludwig Kirchners "Photoalbum III" als Fotografie Nr. 295 zu finden.
• Einzigartige und klare Umsetzung von Kirchners besonderem Interesse an der Darstellung von Licht und Schatten.
• Das gleichnamige, spätere Pendant befindet sich im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen (bereits 1937 von Wilhelm Hack direkt vom Künstler erworben).
• Im selben Jahr widmet Kirchner dem hier angebotenen Gemälde einen seiner bedeutendsten Farbholzschnitte (Abb. ziert den Umschlag des Druckgrafik-Werkverzeichnisses von Günther Gercken).
• Die intensive Beschäftigung mit diesem Motiv in Form von ausgearbeiteten Zeichnungen, Kompositionsskizzen und Druckgrafiken beweist die große Bedeutung der hier angebotenen Arbeit innerhalb seines Œuvres.
• Die detaillierten, genauestens durchkomponierten, im Vorfeld mehrfach überarbeiteten Entwürfe für dieses Gemäldes weisen Kirchner als studierten Architekten aus.
• Um 1929 aufgenommene Fotografien zeigen Kirchners Lebensgefährtin Erna Schilling nackt mit der befreundeten Lotte Kraft-Rohner und Ester Haufler im Wald bei Davos-Frauenkirch und mögen als Inspiration für "Akte im Wald" gedient haben.
• Seine Arbeit an diesem Motiv erwähnt der Künstler im Mai 1934 in einem Brief an seinen großen Unterstützer, den Kunstsammler Carl Hagemann (1867–1940).
• Seit mindestens 55 Jahren Teil derselben Privatsammlung.
Wir danken Herrn Prof. Dr. Günther Gercken für die freundliche Unterstützung bei der Bearbeitung dieses Werkes.
Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.
PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946, verso auf der Leinwand mit dem handschriftlich nummerierten Nachlassstempel).
Curt Valentin Gallery, New York (um 1950).
Buchholz Gallery, New York (1950–1951).
Privatsammlung Hamburg (zwischen 1957 und 1968 erworben).
Seitdem in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Kirchner, Busch-Reisinger-Museum, Cambridge, 8.12.1950 bis 12.1.1951, Kat.-Nr. 29.
Curt Valentin Gallery, New York, 16.4.-10.5.1952, Kat.-Nr. 17 (auf dem Keilrahmen mit dem Galerieetikett).
[Titel unbekannt], Frankfurt am Main, 1956/1957, Kat.-Nr. 84.
LITERATUR: Hauswedell & Nolte, Hamburg, 74. Auktion, Mai 1957, Los 897 (m. Abb., Tafel XIX).
Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München/Cambridge (Mass.) 1968, Kat.-Nr. 970, S. 407 (m. Abb.).
Bündner Kunstmuseum Chur (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Die Sammlung im Kirchner-Haus Davos und die Werke Kirchners und seiner Schüler, Chur 1980, S. 58.
Roland Scotti, Ernst Ludwig Kirchner. Von der Schimmeldressur zum Ballspiel, Davos 1998, S. 32.
Hans Delfs, Mario-Andreas von Lüttichau u. Roland Scotti, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay.. Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann, Ostfildern-Ruit 2004, Nr. 564.
Günther Gercken, "Aus der Farbe gestaltet", in: Ausst.-Kat. Ernst Ludwig Kirchner - Farbige Druckgrafik, Brücke-Museum, Berlin / Paula Modersohn-Becker Museum, Kunstsammlungen Böttcherstraße, Bremen / 2008/2009, S. 35f.
Alexander B. Eiling, Ernst Ludwig Kirchner. Drei Akte im Walde - Entwicklung eines Bildmotivs, in: Reinhard Spieler u. Alexander B. Eiling (Hrsg.), hackstücke #1. Ernst Ludwig Kirchner. Drei Akte im Walde, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rhein 2010, S. 37 (m. Abb., Nr. 28, S. 39).
Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel. "Die absolute Wahrheit, so wie ich sie fühle", Zürich 2010, Nr. 2987.
"Er kommt genauso wie die punkthafte Licht- Schattenverteilung auf der ersten Zeichnung, die ich Ihnen zeigte, aus der Beobachtung der Natur und zwar so: Die Sonnenstrahlen fallen durch die Baumzweige und malen grosse helle Flecke auf die Erde und die Figuren. Wenn Sie etwas darstellende Geometrie kennen, so ist Ihnen die Zeichnung wohl klar."
E. L. Kirchner in einem Brief an Franz Bruhin, Wildboden 25.9.1937.
"[..] dies wird ein grosses Bild mit Sonnenflecken, auch seit 1933 in Arbeit."
E. L. Kirchner über das gleichnamige Pendant "Akte im Wald" (Gordon 971) in einem Brief an seinen Mäzen, den Sammler Carl Hagemann (1867–1940), vom 15. Juni 1934, zit. nach: H. Delfs, M.-A. v. Lüttichau u. R. Scotti (Hrsg.), Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay .., Ostfildern-Ruit 2004, S. 435.
Nach Ernst Ludwig Kirchners Experimenten mit abstrakten Formen und Farbveränderungen durch Licht und Schatten Ende der 1920er Jahre sind die beiden Bilder "Akte im Wald" und der zugehörige Farbholzschnitt der krönende Abschluss dieser Schaffensphase, indem beide Bestrebungen zusammengeführt werden. Das Hauptmotiv für die Bildidee dieser Werkgruppe ist, die figurative Zeichnung der drei in der Waldlichtung lagernden Frauen mit den abstrakten Elementen der Sonnenflecken in einem Bild zu versöhnen, auch wenn als Anregung Édouard Manets Gemälde "Das Frühstück im Grünen" (1863) nicht zu übersehen ist. In Kirchners Bildern wirken die zwei sonnenbeschienenen Flächen wie selbständige geometrische Formen, die sich über die Zeichnung der Akte hinwegsetzen, sodass einige Körperteile in Gelb und hellem Inkarnat aufleuchten und andere im Dunkelgrün versinken. Für die kleine Fassung "Akte im Wald", deren Verbleib seit über 50 Jahren nicht bekannt war, spricht die Intimität und die suchende Form, für die spätere große Fassung die Monumentalität und stärker ausgeprägte Geometrie (Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen).
Mit der Umsetzung der Komposition in den mehrfarbigen Holzschnitt "Drei Akte im Walde“ von 1933/34 (Gercken 1728) schuf Kirchner eine der bedeutendsten Graphiken seines Spätwerks. Wie sehr er selbst das Werk und damit auch die Bildfindung schätzte, kann man an den vielen Eigendrucken des Farbholzschnitts, der besser mit der kleinen als mit der großen Fassung des Gemäldes übereinstimmt, ermessen.
Günther Gercken
Autor des Werkverzeichnisses der Druckgrafik E. L. Kirchners
Die Flucht aus der Großstadt
Sowohl E. L. Kirchner als auch seine Künstlerkollegen der "Brücke", unter ihnen Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Hermann Max Pechstein, zieht es in ihrer gemeinsamen Sehnsucht nach größerer Ursprünglichkeit und auf der Suche nach dem Einklang von Kunst und Natur sowie einem einfacheren, ruhigeren Leben regelmäßig aus der Stadt hinaus aufs Land. In den frühen "Brücke"-Jahren verbringen E. L. Kirchner und Erich Heckel ihre Sommertage häufig an den Moritzburger Teichen nahe Dresden. In Kirchners Berliner Schaffensjahren zwischen 1911 und 1917 wird dann insbesondere die Ostsee-Insel Fehmarn zu seinem favorisierten Rückzugsort fernab der allzu lauten, hektischen und anonymen Großstadt Berlin. In späteren Jahren, nach Ende des Ersten Weltkriegs, siedelt Kirchner mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling aufgrund schwerer psychischer und physischer Erkrankungen schließlich nach Davos über, in die abgeschiedene Bergwelt der Schweizer Alpen. Ab 1923 findet das Paar auf dem Wildboden, eingangs des Sertigtals mit dem sog. "Wildbodenhaus" ein festes Domizil, das beide bis zu ihrem jeweiligen Lebensende (E. L. Kirchner 1938 und Erna 1945) bewohnen.
Als ehemaliger Stadtmensch ist Kirchner das geschäftige Treiben in Dresden und in der Berliner Großstadt mit ihren elektrischen Straßenbahnen, durch die asphaltierten Straßen brausenden Automobilen und den urban-modern gekleideten Einwohnern gewohnt. Doch das ländliche, ganz anders getaktete Leben birgt für ihn nicht nur Kraft spendende Ruhe und ermöglicht ihm zunächst die ersehnte Erholung von seinen psychischen Beschwerden, es erweist sich zudem als bedeutende Inspirationsquelle für seine herausragenden späteren Schaffensjahre. Schon 1919 erklärt Kirchner in einem Brief: "Der gute van de Velde schrieb mir heute, ich sollte doch wieder ins moderne Leben zurück. Das ist für mich ausgeschlossen. Ich bedaure es auch nicht. Ich habe hier ein reiches Feld für meine Tätigkeit, dass ich es gesund kaum bewältigen könnte, geschweige denn heute. [..] Hier lernt man tiefer sehen und weiter eindringen als in dem sogenannten "modernen" Leben, das meist trotz seiner reichen äusseren Form so sehr viel oberflächlicher ist." (Brief an Helene Spengler, 3.7.1919).
Licht-, Luft- und Waldbaden in Davos. Eine fotografische Serie
Eine Reihe überlieferter Fotografien aus der Zeit um 1929 zeigen Kirchners Lebensgefährtin Erna Schilling mit der befreundeten Violinistin Lotte Rohner (geb. Kraft) und einer jungen Frau, vermutlich Ester Haufler, die für Kirchner jeweils mehrfach oder sogar häufig Modell stehen (vgl. R. Scotti, E. L. Kirchner. Das fotografische Werk, Bern 2005, S. 208-215). Kirchner berichtet damals: "Es ist immer noch heiss und schön, so dass ich viel draussen Aktzeichnen kann. Ich habe 3 Akte, da wir noch ein junges Mädchen zu Besuch bekamen. So geht es wieder gut." (E. L. Kirchner an seinen Förderer Carl Hagemann, 23.7.1928) Die Fotografien zeigen die drei Frauen und vereinzelt auch Lottes Ehemann, den mit Kirchner befreundeten Maler Hans Rohner, unbekleidet und unbeschwert beim damals sog. "Licht- und Luftbaden" in den Wäldern nahe Davos-Frauenkirch. Die Idee des nackt ausgeübten Sonnenbads in der Natur entspringt der im großstädtischen Umfeld entwickelten Freikörperkultur des späten 19. Jahrhunderts, die in den 1920er Jahren schließlich weitere Verbreitung findet und sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Reihe wird von einigen Fotografien mit Licht- und Schattenstudien fortgeführt, in denen sich die Akte abwechselnd im Schatten oder in der Sonne aufhalten, während die durch die Baumkronen fallenden Sonnenstrahlen ein interessantes Muster auf den Waldboden werfen. Ebendiese Fotografien sollten noch Jahre später großen Einfluss auf Kirchners Figurenkompositionen haben und spielen auch für die künstlerische Idee und kompositorischen Entwürfe der hier angebotenen Arbeit eine bedeutende Rolle.
Stilwandel und formale Weiterentwicklung. Kirchners reifer, visionärer Spätstil
Schon zu Beginn seiner großen künstlerischen Karriere in den Schaffensjahren der Künstlergruppe "Brücke" (1905–1913) hegt Kirchner – wie seine Künstlerkollegen – ein großes Interesse für die Darstellung des zumeist weiblichen Aktes in der freien Natur, das innerhalb seines gesamten künstlerischen Schaffens bis zu seinem Tod im Jahre 1938 eines seiner bedeutendsten Motive bleiben sollte. Während sich sein Werk und das der "Brücke"-Künstler in früheren Arbeiten in Dresden und Berlin mit dynamischem, bewegtem Strich, geradezu nervöser Linienführung, flirrenden Konturen und zum Teil spitzen, kantigen Formen auf die expressive und unmittelbare Übersetzung des Gesehenen und Erlebten fokussiert, erlebt Kirchners Schaffen in den 1920er und dann erneut in den 1930er Jahren in Davos deutliche stilistische und formale Weiterentwicklungen. Der Ausgangspunkt ist noch immer das Naturerlebnis, die ungezwungene Nacktheit der Dargestellten in der freien Natur, doch Kirchner findet nun zu einer betont flächigen Malweise und zu einer ganz eigenen Form der Abstraktion, die in der hier angebotenen Arbeit eindrucksvoll Gestalt nimmt. "Es tritt die Neigung hervor, die Naturform in groß gesehene, fast geometrisch anmutende Phantasieformen umzudeuten und so vollzöge sich dann die Entwicklung dessen, was die ersten Schweizer Jahre gebracht haben, zu einem reifen Spätstil, der – ohne unsinnlich zu sein – sich in das Visionäre steigert", schreibt Gustav Schiefler (1857–1935), Kirchners Vertrauter, Verfasser des Werkverzeichnisses seiner Druckgrafik und Sammler seiner Werke (G. Schiefler, Vorwort, E. L. Kirchner. Werkverzeichnis der Druckgrafik, Bd. 2., S. 3f., zit. nach: Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchner – Gustav Schiefler. Briefwechsel 1910-1935/1938, Zürich 1990, S. 558).
"Akte im Wald" im Licht- und Schattenspiel
Womöglich im Zuge der bereits erwähnten, um 1928 entstandenen Fotografien der sich in ihrer ungezwungenen Nacktheit im Wald bei Davos verlustierenden drei Frauen erwähnt E. L. Kirchner die Bedeutung dieser Motivik für die Entwicklung seines künstlerischen Schaffens: "Bei uns ist dauernd herrliches Wetter, so dass ich viel draußen schaffen kann. Es gibt wieder viel Akt im Freien mit 3 Frauenkörpern. Das tut mir immer gut und bringt mich vormal weiter." (Brief an Gustav Schiefler, 31.7.1928) Der Stilwandel vollzieht sich in unserem Werk und der größeren Fassung von "Akte im Wald" (diese im Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen) mit drei auf einer Waldlichtung verweilenden weiblichen Akten zunächst in der außergewöhnlichen, einfallsreichen Bildidee einer in zwei verschiedene Lichtsituationen eingeteilten Szenerie, aber auch in der deutlichen Vereinfachung der Formen, der reduzierten Farbigkeit und der spannungsreichen Dekonstruktion und Verfremdung der Körper, die an die weiblichen Figuren bei Henri Matisse, Pablo Picasso oder Le Corbusier erinnern. Gliedmaßen werden versetzt, vergrößert, umgeformt und abstrahiert – eine stilistische Entwicklung, die ihren Anfang in den Werken zwischen 1928 und 1930 nimmt und in der hier angebotenen Arbeit ihren Höhepunkt erreicht. Kirchner verwendet ausschließlich geschwungene, weiche Linien und gerundete, stark vereinfachte Formen, aus denen er trotz naturalistischer Details eine Stilisierung des weiblichen Aktes erarbeitet. Doch die große Idee hinter "Akte im Wald" ist das durch die nicht dargestellten Baumkronen beeinflusste Licht- und Schattenspiel: "Licht und Schatten in Verbindung mit den Mitteln der Linie und Fläche schufen ihre Formen. Ich habe die Hoffnung, daß sie leichter und dauerhafter den anderen eingehen als manche frühere Arbeit, die naturnähere, aber kompliziertere Formen hatte." (E. L. Kirchner an Gustav Schiefler, 588. Brief, 9.3.1932)
Von der detaillierten Beschäftigung und arbeitsintensiven künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser Bildidee und der daraus resultierenden Komposition zeugen mehrere bekannte vorbereitende Zeichnungen und Skizzen. 1933 schafft Kirchner außerdem einen heute berühmten Farbholzschnitt des Motivs (Gercken 1728). In einem Brief an den Sammler Franz Bruhin erläutert Kirchner 1937 die Bildidee des motivisch auf den Gemälden basierenden Holzschnitts: "[Der Lichtfleck] kommt genauso wie die punkthafte Licht- Schattenverteilung auf der ersten Zeichnung, die ich Ihnen zeigte, aus der Beobachtung der Natur und zwar so: Die Sonnenstrahlen fallen durch die Baumzweige und malen grosse helle Flecke auf die Erde und die Figuren. Wenn Sie etwas darstellende Geometrie kennen, so ist Ihnen die Zeichnung wohl klar." (Brief vom 25.9.1937).
Wie durch ein Spotlight auf der Theaterbühne erhellt, liegen bestimmte Bereiche der weiblichen Körper, des von Sonnenflecken übersähten Waldbodens und einige Bäume im Hintergrund im hellen Sonnenlicht. Farblich werden sie klar von den vermeintlich schattigen Partien abgerenzt und nehmen in der Bildidee damit bereits spätere Arbeiten des Künstlers vorweg (siehe Gordon 972, 977, 995).
In der Stilisierung der Figuren, dem Abstraktionsgrad und der richtungsweisenden, spannungsvollen Bildidee beweist sich "Akte im Wald" somit als eines der Hauptwerke E. L. Kirchners innerhalb seiner Davoser Schaffenszeit. [CH]
Mit der Umsetzung der Komposition in den mehrfarbigen Holzschnitt "Drei Akte im Walde“ von 1933/34 (Gercken 1728) schuf Kirchner eine der bedeutendsten Graphiken seines Spätwerks. Wie sehr er selbst das Werk und damit auch die Bildfindung schätzte, kann man an den vielen Eigendrucken des Farbholzschnitts, der besser mit der kleinen als mit der großen Fassung des Gemäldes übereinstimmt, ermessen.
Günther Gercken
Autor des Werkverzeichnisses der Druckgrafik E. L. Kirchners
Die Flucht aus der Großstadt
Sowohl E. L. Kirchner als auch seine Künstlerkollegen der "Brücke", unter ihnen Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Hermann Max Pechstein, zieht es in ihrer gemeinsamen Sehnsucht nach größerer Ursprünglichkeit und auf der Suche nach dem Einklang von Kunst und Natur sowie einem einfacheren, ruhigeren Leben regelmäßig aus der Stadt hinaus aufs Land. In den frühen "Brücke"-Jahren verbringen E. L. Kirchner und Erich Heckel ihre Sommertage häufig an den Moritzburger Teichen nahe Dresden. In Kirchners Berliner Schaffensjahren zwischen 1911 und 1917 wird dann insbesondere die Ostsee-Insel Fehmarn zu seinem favorisierten Rückzugsort fernab der allzu lauten, hektischen und anonymen Großstadt Berlin. In späteren Jahren, nach Ende des Ersten Weltkriegs, siedelt Kirchner mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling aufgrund schwerer psychischer und physischer Erkrankungen schließlich nach Davos über, in die abgeschiedene Bergwelt der Schweizer Alpen. Ab 1923 findet das Paar auf dem Wildboden, eingangs des Sertigtals mit dem sog. "Wildbodenhaus" ein festes Domizil, das beide bis zu ihrem jeweiligen Lebensende (E. L. Kirchner 1938 und Erna 1945) bewohnen.
Als ehemaliger Stadtmensch ist Kirchner das geschäftige Treiben in Dresden und in der Berliner Großstadt mit ihren elektrischen Straßenbahnen, durch die asphaltierten Straßen brausenden Automobilen und den urban-modern gekleideten Einwohnern gewohnt. Doch das ländliche, ganz anders getaktete Leben birgt für ihn nicht nur Kraft spendende Ruhe und ermöglicht ihm zunächst die ersehnte Erholung von seinen psychischen Beschwerden, es erweist sich zudem als bedeutende Inspirationsquelle für seine herausragenden späteren Schaffensjahre. Schon 1919 erklärt Kirchner in einem Brief: "Der gute van de Velde schrieb mir heute, ich sollte doch wieder ins moderne Leben zurück. Das ist für mich ausgeschlossen. Ich bedaure es auch nicht. Ich habe hier ein reiches Feld für meine Tätigkeit, dass ich es gesund kaum bewältigen könnte, geschweige denn heute. [..] Hier lernt man tiefer sehen und weiter eindringen als in dem sogenannten "modernen" Leben, das meist trotz seiner reichen äusseren Form so sehr viel oberflächlicher ist." (Brief an Helene Spengler, 3.7.1919).
Licht-, Luft- und Waldbaden in Davos. Eine fotografische Serie
Eine Reihe überlieferter Fotografien aus der Zeit um 1929 zeigen Kirchners Lebensgefährtin Erna Schilling mit der befreundeten Violinistin Lotte Rohner (geb. Kraft) und einer jungen Frau, vermutlich Ester Haufler, die für Kirchner jeweils mehrfach oder sogar häufig Modell stehen (vgl. R. Scotti, E. L. Kirchner. Das fotografische Werk, Bern 2005, S. 208-215). Kirchner berichtet damals: "Es ist immer noch heiss und schön, so dass ich viel draussen Aktzeichnen kann. Ich habe 3 Akte, da wir noch ein junges Mädchen zu Besuch bekamen. So geht es wieder gut." (E. L. Kirchner an seinen Förderer Carl Hagemann, 23.7.1928) Die Fotografien zeigen die drei Frauen und vereinzelt auch Lottes Ehemann, den mit Kirchner befreundeten Maler Hans Rohner, unbekleidet und unbeschwert beim damals sog. "Licht- und Luftbaden" in den Wäldern nahe Davos-Frauenkirch. Die Idee des nackt ausgeübten Sonnenbads in der Natur entspringt der im großstädtischen Umfeld entwickelten Freikörperkultur des späten 19. Jahrhunderts, die in den 1920er Jahren schließlich weitere Verbreitung findet und sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Reihe wird von einigen Fotografien mit Licht- und Schattenstudien fortgeführt, in denen sich die Akte abwechselnd im Schatten oder in der Sonne aufhalten, während die durch die Baumkronen fallenden Sonnenstrahlen ein interessantes Muster auf den Waldboden werfen. Ebendiese Fotografien sollten noch Jahre später großen Einfluss auf Kirchners Figurenkompositionen haben und spielen auch für die künstlerische Idee und kompositorischen Entwürfe der hier angebotenen Arbeit eine bedeutende Rolle.
Stilwandel und formale Weiterentwicklung. Kirchners reifer, visionärer Spätstil
Schon zu Beginn seiner großen künstlerischen Karriere in den Schaffensjahren der Künstlergruppe "Brücke" (1905–1913) hegt Kirchner – wie seine Künstlerkollegen – ein großes Interesse für die Darstellung des zumeist weiblichen Aktes in der freien Natur, das innerhalb seines gesamten künstlerischen Schaffens bis zu seinem Tod im Jahre 1938 eines seiner bedeutendsten Motive bleiben sollte. Während sich sein Werk und das der "Brücke"-Künstler in früheren Arbeiten in Dresden und Berlin mit dynamischem, bewegtem Strich, geradezu nervöser Linienführung, flirrenden Konturen und zum Teil spitzen, kantigen Formen auf die expressive und unmittelbare Übersetzung des Gesehenen und Erlebten fokussiert, erlebt Kirchners Schaffen in den 1920er und dann erneut in den 1930er Jahren in Davos deutliche stilistische und formale Weiterentwicklungen. Der Ausgangspunkt ist noch immer das Naturerlebnis, die ungezwungene Nacktheit der Dargestellten in der freien Natur, doch Kirchner findet nun zu einer betont flächigen Malweise und zu einer ganz eigenen Form der Abstraktion, die in der hier angebotenen Arbeit eindrucksvoll Gestalt nimmt. "Es tritt die Neigung hervor, die Naturform in groß gesehene, fast geometrisch anmutende Phantasieformen umzudeuten und so vollzöge sich dann die Entwicklung dessen, was die ersten Schweizer Jahre gebracht haben, zu einem reifen Spätstil, der – ohne unsinnlich zu sein – sich in das Visionäre steigert", schreibt Gustav Schiefler (1857–1935), Kirchners Vertrauter, Verfasser des Werkverzeichnisses seiner Druckgrafik und Sammler seiner Werke (G. Schiefler, Vorwort, E. L. Kirchner. Werkverzeichnis der Druckgrafik, Bd. 2., S. 3f., zit. nach: Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchner – Gustav Schiefler. Briefwechsel 1910-1935/1938, Zürich 1990, S. 558).
"Akte im Wald" im Licht- und Schattenspiel
Womöglich im Zuge der bereits erwähnten, um 1928 entstandenen Fotografien der sich in ihrer ungezwungenen Nacktheit im Wald bei Davos verlustierenden drei Frauen erwähnt E. L. Kirchner die Bedeutung dieser Motivik für die Entwicklung seines künstlerischen Schaffens: "Bei uns ist dauernd herrliches Wetter, so dass ich viel draußen schaffen kann. Es gibt wieder viel Akt im Freien mit 3 Frauenkörpern. Das tut mir immer gut und bringt mich vormal weiter." (Brief an Gustav Schiefler, 31.7.1928) Der Stilwandel vollzieht sich in unserem Werk und der größeren Fassung von "Akte im Wald" (diese im Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen) mit drei auf einer Waldlichtung verweilenden weiblichen Akten zunächst in der außergewöhnlichen, einfallsreichen Bildidee einer in zwei verschiedene Lichtsituationen eingeteilten Szenerie, aber auch in der deutlichen Vereinfachung der Formen, der reduzierten Farbigkeit und der spannungsreichen Dekonstruktion und Verfremdung der Körper, die an die weiblichen Figuren bei Henri Matisse, Pablo Picasso oder Le Corbusier erinnern. Gliedmaßen werden versetzt, vergrößert, umgeformt und abstrahiert – eine stilistische Entwicklung, die ihren Anfang in den Werken zwischen 1928 und 1930 nimmt und in der hier angebotenen Arbeit ihren Höhepunkt erreicht. Kirchner verwendet ausschließlich geschwungene, weiche Linien und gerundete, stark vereinfachte Formen, aus denen er trotz naturalistischer Details eine Stilisierung des weiblichen Aktes erarbeitet. Doch die große Idee hinter "Akte im Wald" ist das durch die nicht dargestellten Baumkronen beeinflusste Licht- und Schattenspiel: "Licht und Schatten in Verbindung mit den Mitteln der Linie und Fläche schufen ihre Formen. Ich habe die Hoffnung, daß sie leichter und dauerhafter den anderen eingehen als manche frühere Arbeit, die naturnähere, aber kompliziertere Formen hatte." (E. L. Kirchner an Gustav Schiefler, 588. Brief, 9.3.1932)
Von der detaillierten Beschäftigung und arbeitsintensiven künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser Bildidee und der daraus resultierenden Komposition zeugen mehrere bekannte vorbereitende Zeichnungen und Skizzen. 1933 schafft Kirchner außerdem einen heute berühmten Farbholzschnitt des Motivs (Gercken 1728). In einem Brief an den Sammler Franz Bruhin erläutert Kirchner 1937 die Bildidee des motivisch auf den Gemälden basierenden Holzschnitts: "[Der Lichtfleck] kommt genauso wie die punkthafte Licht- Schattenverteilung auf der ersten Zeichnung, die ich Ihnen zeigte, aus der Beobachtung der Natur und zwar so: Die Sonnenstrahlen fallen durch die Baumzweige und malen grosse helle Flecke auf die Erde und die Figuren. Wenn Sie etwas darstellende Geometrie kennen, so ist Ihnen die Zeichnung wohl klar." (Brief vom 25.9.1937).
Wie durch ein Spotlight auf der Theaterbühne erhellt, liegen bestimmte Bereiche der weiblichen Körper, des von Sonnenflecken übersähten Waldbodens und einige Bäume im Hintergrund im hellen Sonnenlicht. Farblich werden sie klar von den vermeintlich schattigen Partien abgerenzt und nehmen in der Bildidee damit bereits spätere Arbeiten des Künstlers vorweg (siehe Gordon 972, 977, 995).
In der Stilisierung der Figuren, dem Abstraktionsgrad und der richtungsweisenden, spannungsvollen Bildidee beweist sich "Akte im Wald" somit als eines der Hauptwerke E. L. Kirchners innerhalb seiner Davoser Schaffenszeit. [CH]
17
Ernst Ludwig Kirchner
Akte im Wald, kleine Fassung, 1933/34.
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