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329
Erich Heckel
Schleuse, 1913.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 100.000 Ergebnis:
€ 139.700 (inklusive Aufgeld)
Schleuse. 1913.
Öl auf Leinwand.
Hüneke 1913-34. Vogt 1913-56. Rechts unten signiert und datiert. Verso auf der Leinwand erneut signiert und datiert. 70 x 80 cm (27,5 x 31,4 in).
• Entstanden im Sommer 1913 beim Aufenthalt im Landhaus des Sammlers und Mäzens Gustav Schiefler im Alstertal.
• Die Mellingburger Schleuse wird für Heckel zum zentralen Motiv des Aufenthalts – von 6 Gemälden gelten 4 als verschollen, zerstört oder mit unbekanntem Verbleib.
• Eine hochformatige Fassung des Motivs kommt als Gastgeschenk in den Besitz Gustav und Luise Schieflers und befindet sich heute im Brücke-Museum, Berlin (Hüneke 1913-31).
• Die vorliegende querformatige Komposition darf als die dichteste und intimste der Flusslandschaften gelten, die sein Eintreten in eine neue kristalline, vom Kubismus beeinflusste Stilphase verdeutlicht.
• Im Entstehungsjahr erhält Heckel seine erste Einzelausstellung in der Galerie Fritz Gurlitt, Berlin.
• Bedeutsame Provenienz: aus der Sammlung von Eugen Buchthal.
PROVENIENZ: National-Sammlung von Kunst-und Wertgegenständen zu Gunsten der unter dem Protektorat seiner Majestät des Kaisers und Königs stehenden Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen (1917, verso mit der Losnummer).
Sammlung Eugen Buchthal, Berlin (spätestens 1928 - November 1933, verso mit dem handschriftlichen Besitzvermerk).
Unbekannt (im November 1933 über Max Perl vom Vorgenannten erworben).
Galerie Dr. Rainer Horstmann, Düsseldorf.
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (1972 vom Vorgenannten erworben, mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).
Gütliche Einigung des Vorgenannten mit den Erben von Eugen Buchthal (2023).
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Eugen Buchthal auf Grundlage einer gerechten und fairen Lösung.
AUSSTELLUNG: Wohl Erich Heckel. Gemälde, Graphik, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 15.1.-25.2.1919, Kat.-Nr. 22 (ohne Abb.).
Wohl Erich Heckel, Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt am Main, April 1919, Kat.-Nr. 18 (ohne Abb.).
Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz, Nationalgalerie Berlin, April 1928, Kat.-Nr. 27 (Leihgabe aus der Sammlung Buchthal).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Im Rhythmus der Natur: Landschaftsmalerei der "Brücke". Meisterwerke der Sammlung Hermann Gerlinger, Städtische Galerie, Ravensburg, 28.10.2006-28.1.2007, S. 107 (m. Abb.).
Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 100 (m. Abb.).
Hamburger Ansichten. Maler sehen die Stadt, Hamburger Kunsthalle, 9.10.2009-14.2.2010, Kat.-Nr. 51 (m. Abb.)
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
Brückenschlag: Gerlinger – Buchheim!, Buchheim Museum, Bernried, 28.10.2017-25.2.2018, S. 266f. (m. Abb.).
Erich Heckel. Einfühlung und Ausdruck, Buchheim Museum, Bernried, 31.10.2020-7.3.2021, S. 196f. (m. Abb.).
LITERATUR: Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus Berlin: Erste Versteigerung aus den Beständen der National-Sammlung von Kunst-und Wertgegenständen zu Gunsten der unter dem Protektorat seiner Majestät des Kaisers und Königs stehenden Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen, 19.-20.9.1917, Los 107.
Max Perl, Bücher des 16. - 20. Jahrhunderts: darunter die Bibliothek von Lothar Brieger (..); Handzeichnungen, Gemälde, Graphik alter und moderner Künstler ; 17.-18.11. 1933, Los 1551.
Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, Nr. 1913-56 (m. SW-Abb.).
Vgl. Hans Platte (Hrsg.), Gustav Schiefler aus den Erinnerungen von Luise Schiefler, Hamburg 1965, Farbtaf. 6 u. Abb. S. 34ff.
Karlheinz Gabler (Hrsg.), Erich Heckel, Zeichnungen, Aquarelle, Dokumente, Ausst.-Kat. Städtische Galerie Karlsruhe u. a., Stuttgart 1983, S. 119 (Vorstudie).
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 290f., SHG-Nr. 428 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 198f., SHG-Nr. 445 (m. Abb.).
Indina Woesthoff, ".. die Schwere unseres Weges kann wohl Freunde gebrauchen". Erich Heckel und Gustav Schiefler, in: Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Gemeinsames Ziel und eigene Wege. Die "Brücke" und ihr Nachwirken, München 2009, S. 60-69, hier S. 65 (m. Abb.).
Andreas Hüneke, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, Bd. I 1904-1918, München 2017, Nr. 1913-34 (m. Abb.).
"Am meisten aber beschäftigte ihn die Landschaft an der Mellingburger Schleuse"
Gustav Schiefler, zit. nach: G. Schack (Hrsg.), Gustav Schiefler – Meine Grafiksammlung, 1974, S. 59.
Öl auf Leinwand.
Hüneke 1913-34. Vogt 1913-56. Rechts unten signiert und datiert. Verso auf der Leinwand erneut signiert und datiert. 70 x 80 cm (27,5 x 31,4 in).
• Entstanden im Sommer 1913 beim Aufenthalt im Landhaus des Sammlers und Mäzens Gustav Schiefler im Alstertal.
• Die Mellingburger Schleuse wird für Heckel zum zentralen Motiv des Aufenthalts – von 6 Gemälden gelten 4 als verschollen, zerstört oder mit unbekanntem Verbleib.
• Eine hochformatige Fassung des Motivs kommt als Gastgeschenk in den Besitz Gustav und Luise Schieflers und befindet sich heute im Brücke-Museum, Berlin (Hüneke 1913-31).
• Die vorliegende querformatige Komposition darf als die dichteste und intimste der Flusslandschaften gelten, die sein Eintreten in eine neue kristalline, vom Kubismus beeinflusste Stilphase verdeutlicht.
• Im Entstehungsjahr erhält Heckel seine erste Einzelausstellung in der Galerie Fritz Gurlitt, Berlin.
• Bedeutsame Provenienz: aus der Sammlung von Eugen Buchthal.
PROVENIENZ: National-Sammlung von Kunst-und Wertgegenständen zu Gunsten der unter dem Protektorat seiner Majestät des Kaisers und Königs stehenden Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen (1917, verso mit der Losnummer).
Sammlung Eugen Buchthal, Berlin (spätestens 1928 - November 1933, verso mit dem handschriftlichen Besitzvermerk).
Unbekannt (im November 1933 über Max Perl vom Vorgenannten erworben).
Galerie Dr. Rainer Horstmann, Düsseldorf.
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (1972 vom Vorgenannten erworben, mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).
Gütliche Einigung des Vorgenannten mit den Erben von Eugen Buchthal (2023).
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Eugen Buchthal auf Grundlage einer gerechten und fairen Lösung.
AUSSTELLUNG: Wohl Erich Heckel. Gemälde, Graphik, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 15.1.-25.2.1919, Kat.-Nr. 22 (ohne Abb.).
Wohl Erich Heckel, Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt am Main, April 1919, Kat.-Nr. 18 (ohne Abb.).
Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz, Nationalgalerie Berlin, April 1928, Kat.-Nr. 27 (Leihgabe aus der Sammlung Buchthal).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Im Rhythmus der Natur: Landschaftsmalerei der "Brücke". Meisterwerke der Sammlung Hermann Gerlinger, Städtische Galerie, Ravensburg, 28.10.2006-28.1.2007, S. 107 (m. Abb.).
Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 100 (m. Abb.).
Hamburger Ansichten. Maler sehen die Stadt, Hamburger Kunsthalle, 9.10.2009-14.2.2010, Kat.-Nr. 51 (m. Abb.)
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
Brückenschlag: Gerlinger – Buchheim!, Buchheim Museum, Bernried, 28.10.2017-25.2.2018, S. 266f. (m. Abb.).
Erich Heckel. Einfühlung und Ausdruck, Buchheim Museum, Bernried, 31.10.2020-7.3.2021, S. 196f. (m. Abb.).
LITERATUR: Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus Berlin: Erste Versteigerung aus den Beständen der National-Sammlung von Kunst-und Wertgegenständen zu Gunsten der unter dem Protektorat seiner Majestät des Kaisers und Königs stehenden Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen, 19.-20.9.1917, Los 107.
Max Perl, Bücher des 16. - 20. Jahrhunderts: darunter die Bibliothek von Lothar Brieger (..); Handzeichnungen, Gemälde, Graphik alter und moderner Künstler ; 17.-18.11. 1933, Los 1551.
Paul Vogt, Erich Heckel, Recklinghausen 1965, Nr. 1913-56 (m. SW-Abb.).
Vgl. Hans Platte (Hrsg.), Gustav Schiefler aus den Erinnerungen von Luise Schiefler, Hamburg 1965, Farbtaf. 6 u. Abb. S. 34ff.
Karlheinz Gabler (Hrsg.), Erich Heckel, Zeichnungen, Aquarelle, Dokumente, Ausst.-Kat. Städtische Galerie Karlsruhe u. a., Stuttgart 1983, S. 119 (Vorstudie).
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 290f., SHG-Nr. 428 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 198f., SHG-Nr. 445 (m. Abb.).
Indina Woesthoff, ".. die Schwere unseres Weges kann wohl Freunde gebrauchen". Erich Heckel und Gustav Schiefler, in: Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Gemeinsames Ziel und eigene Wege. Die "Brücke" und ihr Nachwirken, München 2009, S. 60-69, hier S. 65 (m. Abb.).
Andreas Hüneke, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, Bd. I 1904-1918, München 2017, Nr. 1913-34 (m. Abb.).
"Am meisten aber beschäftigte ihn die Landschaft an der Mellingburger Schleuse"
Gustav Schiefler, zit. nach: G. Schack (Hrsg.), Gustav Schiefler – Meine Grafiksammlung, 1974, S. 59.
Gustav Schiefler in Mellingstedt
1912 erwirbt der "Brücke"-Gönner, Kunstfreund und Direktor des Hamburger Landgerichts Gustav Schiefler ein Landhaus in Mellingstedt bei Hamburg. Zunächst nutzt es die Familie als Sommerdomizil, später wohnen Schieflers dort ganzjährig. Der Ort liegt an der Alster, es ist ein beliebtes Ausflugsgebiet und auf der Alster sind schon damals so viele Ruderer und Paddler unterwegs, dass 1910 an der dortigen Alsterschleuse eine eigene Rampe zum Überziehen der Boote gebaut wird. (https://hamburger-sammelsurium.de/alsterbruecke-h027.html)
Gustav Schiefler lädt im folgenden Jahr 1913 Erich Heckel und dessen Frau Siddi ein, sie dort im neuen Sommerdomizil zu besuchen. Er berichtet über den Aufenthalt Heckels in Mellingstedt in seinem Buch "Meine Grafiksammlung" ausführlich: Heckel nimmt die Mahlzeiten gemeinsam mit Schieflers bei diesen ein und wohnt sonst in einem kleinen Wirtshaus in der Nähe. Tagsüber zeichnet und malt er "mit großem Fleiß" die umliegende Landschaft, wie Schiefler zu berichten weiß. Unweit unterhalb des Hauses befindet sich die Mellingburger Schleuse. Gustav Schiefler berichtet: "Am meisten aber beschäftigte ihn die Landschaft an der Mellingburger Schleuse, sei es, daß sie am frühen Morgen in stiller Einsamkeit dalag oder von den Scharen der Badenden und Kanufahrer belebt war."
1913 - ein wichtiges Jahr
Im Mai 1913 löst sich die Künstlergemeinschaft "Brücke" auf nachdem verschiedene Unstimmigkeiten vorangegangen waren. Erich Heckel findet nach dieser überaus bewegten Zeit Ruhe in der Schiefler'schen Sommerfrische. Durch die neue künstlerische Situation ist noch nicht klar, wie es sich für Erich Heckel im Folgenden entwickeln wird. Der Übergang von einem Gruppenmitglied, das sich nun als Einzelkünstler positionieren muss, ist letztlich ein ebenso bedeutender Moment wie jener, der Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke". Diese bot über mehrere Jahre einen fruchtbaren Boden für die künstlerische Entwicklung ihrer Mitglieder. Wie seine Weggefährten steht nun auch Erich Heckel an einem Punkt, an welchem sich die Situation umfassend und grundlegend geändert hat. Es besteht kein tiefgreifender Streit zwischen den Künstlern, doch traf sie die Erkenntnis, dass es sie in verschiedene Richtungen zieht.
Möglicherweise aus dieser neuen Lebenssituation heraus, zog diese so prägnante Schleuse, in der Nähe des Hauses seiner Gastgeber, Heckel so in den Bann, dass er sie gleich mehrmals malt. Sie bietet sich als ein Motiv an, in welchem er – sicherlich unbewusst – Arbeitsweisen der vergangenen Jahre repetieren kann. Insgesamt sind vier Gemälde mit dieser Darstellung bekannt: "Mellingburger Alsterschleuse" (Öl/Lwd., Hüneke 1913-31), das sich heute im Brücke-Museum Berlin befindet, zeigt den Blick flussabwärts. Gustav Schiefler erwirbt dieses Werk und es hing von 1918 bis1927 als Leihgabe in der Hamburger Kunsthalle. Ein weitere Darstellung der Schleuse ist das heute verschollene Gemälde "Badende an der Alster" (Hüneke 1912-32, verschollen). Durch einen Brief Siddi Heckels ist bekannt, dass es 1915 zur Ansicht an den Sammler Carl Hageman nach Leverkusen geschickt wurde. Er hatte sich neben anderen dieses sowie das Gemälde "Schleuse" zur Ansicht bestellt (Hüneke 1913-33, Verbleib unbekannt). Diese beiden Werke zeigen ebenso wie unser Gemälde aus der Sammlung Hermann Gerlinger die Schleuse mit Blick flussaufwärts. Rechtsseitig ist der 1910 errichtete Steg zum Überführen der Boote zu erkennen. In den genannten Bildern wählt Erich Heckel verschiedene Ansichten auf die Schleuse. Es scheint, als ob er auf der Suche nach dem richtigen Blickwinkel ist.
Man kann die Motive im Hinblick auf das Ende der gemeinsamen "Brücke"-Zeit auch als ein Revue-passieren-Lassen der gemeinsamen Zeit interpretieren. Gerade der Blick durch die Baumgruppen hindurch erinnert stark an die viel verwendeten Kompositionsmuster der "Brücke"-Künstler, wie sie bei den Arbeiten aus der Zeit an den Moritzburger Teichen bekannt sind. Erst in unserem Gemälde findet Heckel im raumgreifenden Blick auf die Schleuse zu einer befreiten, offenen Lösung. Das ruhige Wasser, die bewegten Bäume und der sich auffächernde, wolkige Himmel geben der Situation eine weite, raumgreifende Wirkung. Es erscheint wie das Ergebnis einer schrittweisen Befreiung aus gewohnten Gestaltungsmustern. Mit großer Leichtigkeit charakterisiert Heckel die verschiedenen Bereiche. Der dünne Farbauftrag im Vordergrund des Bildes lässt das Wasser mit dem Licht und den Reflexionen spielen, im Bereich der Bäume entsteht große Dynamik durch die akzentuiert betonten Pinselstriche und der Himmel trägt die typisch kristallinen Strukturen dieser Zeit bei Heckel.
Die Provenienz
Bei diesem außerordentlichen Gemälde ist die Rückseite nicht weniger interessant als die Vorderseite. Erst auf den zweiten Blick fällt eine unscheinbare Aufschrift in Sütterlin auf, schwer lesbar durch die Spuren vieler Jahrzehnte, und doch deutlich genug für eine Überraschung: "Eugen Buchtahl (sic) Linden Allee 22".
Dieser Name ist bekannt: Der Berliner Kaufmann Eugen Buchthal besitzt in den 1920er Jahren eine herausragende Sammlung moderner Kunst und mit der "Villa Buchthal" in der Berliner Lindenallee lässt er sich ein architektonisches Meisterwerk des Expressionismus erbauen – das Leben als Gesamtkunstwerk. Noch heute ist das beeindruckende Bauwerk, umfassend renoviert, im Berliner Westend zu sehen. An den Wänden dieses avantgardistisch-kristallinen Gebäudes vermag man sich Heckels "Schleuse" nur allzu gut vorzustellen.
Der Besitzvermerk, der mutmaßlich – der Name ist nicht ganz korrekt geschrieben - von einer Ausstellungsleihgabe stammt, deckt zugleich einen seit 1957 tradierten Irrtum auf. So ist nämlich 1957 auf einer Ausstellung in Stuttgart eine andere Fassung des Motivs "Schleuse" zu sehen (Hüneke 1913-33), und man ordnet versehentlich (ein Werkverzeichnis gibt es noch nicht) alle damals bekannten Ausstellungen eines Gemäldes "Schleuse" von 1913 dem Stuttgarter Werk zu. Darunter ist auch die epochale "Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz" von 1928, in deren Katalog Eugen Buchthal als Besitzer vermerkt ist.
Auf diesem Weg wird also die Fassung Hüneke 1913-33 versehentlich erstmals mit der Provenienz Buchthal verknüpft und durch die Wiederholung in Auktionskatalogen 1960 und 1975 wird dies als scheinbarer Fakt zementiert. Erst die genauere Untersuchung des vorliegenden Werks legt nun die tatsächlichen historischen Besitzverhältnisse offen.
Eine folgenreiche Entdeckung, denn die jüdische Familie Buchthal zählt nicht nur zur Avantgarde, sondern ab 1933 auch zu den Verfolgten des NS-Regimes. Von Heckels großartigem Gemälde "Schleuse" trennt Eugen Buchthal sich zwar bereits im November 1933, Jahre vor seiner eigenen Flucht, doch geschieht dies offensichtlich nicht aus freien Stücken. Indes kann die Tochter Anne Gerda ihre Ausbildung zur Orthopädin nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht beenden. Als sie sich im Herbst 1933 zum Vorexamen anmelden will, wird sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nicht zugelassen. Aus diesem Grund fasst sie den Plan nach Paris zu emigrieren (vgl. BLHA Potsdam, OFP 36 A A 585). Für die am 12. Oktober 1933 offiziell beantragte Auswanderung benötigt sie jedoch 15.000 RM, um den nötigen "Dauereinwanderungssichtvermerk" beim französischen Konsulat zu erhalten. Das Geld will ihr der Vater Eugen schenken. Auch wenn Anne Gerdas Vorhaben nicht glückt – das Finanzamt Berlin verweigert schließlich die Ausfuhr – ist es doch sicher in diesem Kontext zu sehen, dass Eugen Buchthal sich im November 1933 durch Auktionsverkauf von mehreren Werken seiner geliebten Kunstsammlung trennt. Auch die "Schleuse" geht hier für 160 RM an einen unbekannten Bieter – die Sammlung Buchthal ist nun für das Bild Geschichte.
Seit 1975 befindet sich Heckels Meisterwerk in einer nicht minder bedeutenden Expressionisten-Sammlung: der Sammlung von Hermann Gerlinger. Dieser erklärt sich in Anbetracht der neuen Erkenntnisse ohne Zögern bereit, mit den Erben von Eugen Buchthal eine "gerechte und faire Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu finden. Und so kann Heckels "Schleuse" heute frei von Restitutionsansprüchen und in besten Einvernehmen aller Beteiligten an die nächste Generation von Expressionismuskennern übergehen. [EH/AT]
1912 erwirbt der "Brücke"-Gönner, Kunstfreund und Direktor des Hamburger Landgerichts Gustav Schiefler ein Landhaus in Mellingstedt bei Hamburg. Zunächst nutzt es die Familie als Sommerdomizil, später wohnen Schieflers dort ganzjährig. Der Ort liegt an der Alster, es ist ein beliebtes Ausflugsgebiet und auf der Alster sind schon damals so viele Ruderer und Paddler unterwegs, dass 1910 an der dortigen Alsterschleuse eine eigene Rampe zum Überziehen der Boote gebaut wird. (https://hamburger-sammelsurium.de/alsterbruecke-h027.html)
Gustav Schiefler lädt im folgenden Jahr 1913 Erich Heckel und dessen Frau Siddi ein, sie dort im neuen Sommerdomizil zu besuchen. Er berichtet über den Aufenthalt Heckels in Mellingstedt in seinem Buch "Meine Grafiksammlung" ausführlich: Heckel nimmt die Mahlzeiten gemeinsam mit Schieflers bei diesen ein und wohnt sonst in einem kleinen Wirtshaus in der Nähe. Tagsüber zeichnet und malt er "mit großem Fleiß" die umliegende Landschaft, wie Schiefler zu berichten weiß. Unweit unterhalb des Hauses befindet sich die Mellingburger Schleuse. Gustav Schiefler berichtet: "Am meisten aber beschäftigte ihn die Landschaft an der Mellingburger Schleuse, sei es, daß sie am frühen Morgen in stiller Einsamkeit dalag oder von den Scharen der Badenden und Kanufahrer belebt war."
1913 - ein wichtiges Jahr
Im Mai 1913 löst sich die Künstlergemeinschaft "Brücke" auf nachdem verschiedene Unstimmigkeiten vorangegangen waren. Erich Heckel findet nach dieser überaus bewegten Zeit Ruhe in der Schiefler'schen Sommerfrische. Durch die neue künstlerische Situation ist noch nicht klar, wie es sich für Erich Heckel im Folgenden entwickeln wird. Der Übergang von einem Gruppenmitglied, das sich nun als Einzelkünstler positionieren muss, ist letztlich ein ebenso bedeutender Moment wie jener, der Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke". Diese bot über mehrere Jahre einen fruchtbaren Boden für die künstlerische Entwicklung ihrer Mitglieder. Wie seine Weggefährten steht nun auch Erich Heckel an einem Punkt, an welchem sich die Situation umfassend und grundlegend geändert hat. Es besteht kein tiefgreifender Streit zwischen den Künstlern, doch traf sie die Erkenntnis, dass es sie in verschiedene Richtungen zieht.
Möglicherweise aus dieser neuen Lebenssituation heraus, zog diese so prägnante Schleuse, in der Nähe des Hauses seiner Gastgeber, Heckel so in den Bann, dass er sie gleich mehrmals malt. Sie bietet sich als ein Motiv an, in welchem er – sicherlich unbewusst – Arbeitsweisen der vergangenen Jahre repetieren kann. Insgesamt sind vier Gemälde mit dieser Darstellung bekannt: "Mellingburger Alsterschleuse" (Öl/Lwd., Hüneke 1913-31), das sich heute im Brücke-Museum Berlin befindet, zeigt den Blick flussabwärts. Gustav Schiefler erwirbt dieses Werk und es hing von 1918 bis1927 als Leihgabe in der Hamburger Kunsthalle. Ein weitere Darstellung der Schleuse ist das heute verschollene Gemälde "Badende an der Alster" (Hüneke 1912-32, verschollen). Durch einen Brief Siddi Heckels ist bekannt, dass es 1915 zur Ansicht an den Sammler Carl Hageman nach Leverkusen geschickt wurde. Er hatte sich neben anderen dieses sowie das Gemälde "Schleuse" zur Ansicht bestellt (Hüneke 1913-33, Verbleib unbekannt). Diese beiden Werke zeigen ebenso wie unser Gemälde aus der Sammlung Hermann Gerlinger die Schleuse mit Blick flussaufwärts. Rechtsseitig ist der 1910 errichtete Steg zum Überführen der Boote zu erkennen. In den genannten Bildern wählt Erich Heckel verschiedene Ansichten auf die Schleuse. Es scheint, als ob er auf der Suche nach dem richtigen Blickwinkel ist.
Man kann die Motive im Hinblick auf das Ende der gemeinsamen "Brücke"-Zeit auch als ein Revue-passieren-Lassen der gemeinsamen Zeit interpretieren. Gerade der Blick durch die Baumgruppen hindurch erinnert stark an die viel verwendeten Kompositionsmuster der "Brücke"-Künstler, wie sie bei den Arbeiten aus der Zeit an den Moritzburger Teichen bekannt sind. Erst in unserem Gemälde findet Heckel im raumgreifenden Blick auf die Schleuse zu einer befreiten, offenen Lösung. Das ruhige Wasser, die bewegten Bäume und der sich auffächernde, wolkige Himmel geben der Situation eine weite, raumgreifende Wirkung. Es erscheint wie das Ergebnis einer schrittweisen Befreiung aus gewohnten Gestaltungsmustern. Mit großer Leichtigkeit charakterisiert Heckel die verschiedenen Bereiche. Der dünne Farbauftrag im Vordergrund des Bildes lässt das Wasser mit dem Licht und den Reflexionen spielen, im Bereich der Bäume entsteht große Dynamik durch die akzentuiert betonten Pinselstriche und der Himmel trägt die typisch kristallinen Strukturen dieser Zeit bei Heckel.
Die Provenienz
Bei diesem außerordentlichen Gemälde ist die Rückseite nicht weniger interessant als die Vorderseite. Erst auf den zweiten Blick fällt eine unscheinbare Aufschrift in Sütterlin auf, schwer lesbar durch die Spuren vieler Jahrzehnte, und doch deutlich genug für eine Überraschung: "Eugen Buchtahl (sic) Linden Allee 22".
Dieser Name ist bekannt: Der Berliner Kaufmann Eugen Buchthal besitzt in den 1920er Jahren eine herausragende Sammlung moderner Kunst und mit der "Villa Buchthal" in der Berliner Lindenallee lässt er sich ein architektonisches Meisterwerk des Expressionismus erbauen – das Leben als Gesamtkunstwerk. Noch heute ist das beeindruckende Bauwerk, umfassend renoviert, im Berliner Westend zu sehen. An den Wänden dieses avantgardistisch-kristallinen Gebäudes vermag man sich Heckels "Schleuse" nur allzu gut vorzustellen.
Der Besitzvermerk, der mutmaßlich – der Name ist nicht ganz korrekt geschrieben - von einer Ausstellungsleihgabe stammt, deckt zugleich einen seit 1957 tradierten Irrtum auf. So ist nämlich 1957 auf einer Ausstellung in Stuttgart eine andere Fassung des Motivs "Schleuse" zu sehen (Hüneke 1913-33), und man ordnet versehentlich (ein Werkverzeichnis gibt es noch nicht) alle damals bekannten Ausstellungen eines Gemäldes "Schleuse" von 1913 dem Stuttgarter Werk zu. Darunter ist auch die epochale "Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz" von 1928, in deren Katalog Eugen Buchthal als Besitzer vermerkt ist.
Auf diesem Weg wird also die Fassung Hüneke 1913-33 versehentlich erstmals mit der Provenienz Buchthal verknüpft und durch die Wiederholung in Auktionskatalogen 1960 und 1975 wird dies als scheinbarer Fakt zementiert. Erst die genauere Untersuchung des vorliegenden Werks legt nun die tatsächlichen historischen Besitzverhältnisse offen.
Eine folgenreiche Entdeckung, denn die jüdische Familie Buchthal zählt nicht nur zur Avantgarde, sondern ab 1933 auch zu den Verfolgten des NS-Regimes. Von Heckels großartigem Gemälde "Schleuse" trennt Eugen Buchthal sich zwar bereits im November 1933, Jahre vor seiner eigenen Flucht, doch geschieht dies offensichtlich nicht aus freien Stücken. Indes kann die Tochter Anne Gerda ihre Ausbildung zur Orthopädin nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht beenden. Als sie sich im Herbst 1933 zum Vorexamen anmelden will, wird sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nicht zugelassen. Aus diesem Grund fasst sie den Plan nach Paris zu emigrieren (vgl. BLHA Potsdam, OFP 36 A A 585). Für die am 12. Oktober 1933 offiziell beantragte Auswanderung benötigt sie jedoch 15.000 RM, um den nötigen "Dauereinwanderungssichtvermerk" beim französischen Konsulat zu erhalten. Das Geld will ihr der Vater Eugen schenken. Auch wenn Anne Gerdas Vorhaben nicht glückt – das Finanzamt Berlin verweigert schließlich die Ausfuhr – ist es doch sicher in diesem Kontext zu sehen, dass Eugen Buchthal sich im November 1933 durch Auktionsverkauf von mehreren Werken seiner geliebten Kunstsammlung trennt. Auch die "Schleuse" geht hier für 160 RM an einen unbekannten Bieter – die Sammlung Buchthal ist nun für das Bild Geschichte.
Seit 1975 befindet sich Heckels Meisterwerk in einer nicht minder bedeutenden Expressionisten-Sammlung: der Sammlung von Hermann Gerlinger. Dieser erklärt sich in Anbetracht der neuen Erkenntnisse ohne Zögern bereit, mit den Erben von Eugen Buchthal eine "gerechte und faire Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu finden. Und so kann Heckels "Schleuse" heute frei von Restitutionsansprüchen und in besten Einvernehmen aller Beteiligten an die nächste Generation von Expressionismuskennern übergehen. [EH/AT]
329
Erich Heckel
Schleuse, 1913.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 100.000 Ergebnis:
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