Auktion: 534 / Contemporary Art Day Sale am 09.12.2022 in München Lot 113

 

113
Fritz Koenig
Derby, 1960.
Bronze
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inklusive Aufgeld)
Derby. 1960.
Bronze.
Clarenbach 242. Auf der Unterseite seitlich rechts mit dem Namenszug des Künstlers. Eines von nur 5 Exemplaren. Ca. 29,5 x 56 x 66 cm (11,6 x 22 x 25,9 in).

• Bewegte, reizvolle Allansichtigkeit.
• Bewusst lebhaft ausgeführte Patina.
• Seltene frühe Arbeit des international renommierten Künstlers.
• Über die New Yorker Staempfli Gallery erworben, die 1961 die erste Einzelausstellung des Künstlers in den USA zeigt.
• 2018 widmen ihm die Uffizien in Florenz die bisher umfangreichste Retrospektive.
• Bronzen des Künstlers aus dieser Entstehungszeit befinden sich in weltweit bedeutenden Sammlungen, darunter das Museum of Modern Art und das Metropolitan Museum, New York, die Peggy Guggenheim Collection, Venedig, und die Pinakothek der Moderne, München
.

PROVENIENZ: Staempfli Gallery, New York (direkt vom Künstler).
Sammlung Emily McFadden Harrison Staempfli (1908-1991), New York (vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Randolph Harrison, New York (1991 durch Erbschaft von der Vorgenannten erhalten).
Nachlass Randolph Harrison, New York.

AUSSTELLUNG: Fritz Koenig. Recent Sculpture, Staempfli Gallery, New York, 1961, Kat.-Nr. 29 (m. ganzs. Abb.).

LITERATUR: Dietrich Clarenbach, Fritz Koenig. Skulpturen Werkverzeichnis, München 2003, Kat.-Nr. 242, S. 13 u. 285 (m. ganzs. Abb., S. 77).

"Derby" – eine hochdynamische "Mengenplastik"
Ein Großteil der Motivik des zeichnerischen und skulpturalen Œuvres von Fritz Koenig kreist um die Reiterei, um Tierherden und -körper und die Pferdezucht. Schon in ersten Kinderzeichnungen beschäftigt sich Koenig mit dem Pferd, doch in späteren Jahren wird sich dieses Interesse zu einem Lebensmittelpunkt und einer lebenslangen Faszination manifestieren. Mitte der 1950er Jahre führen ihn seine Reisen nach Griechenland und Ägypten, wo er in der Wüste in El Zahra bei Kairo erstmals ein Gestüt für Vollblutaraber besichtigt. 1956 reist Koenig in die Camargue und kann dort die für die Region typischen durch die Landschaft ziehenden Rinderherden beobachten. In seinem künstlerischen Schaffen beginnt eine intensive motivische Auseinandersetzung mit der Darstellung von Tierherden. In diesen Zusammenhang ist auch die hier angebotene Bronze der dicht nebeneinander voranpreschenden Reiter zu setzen. Fortan entstehen sog. "Mengenplastiken", seltener von Menschenansammlungen, sondern insbesondere von Tierherden, wie in der Bronze "Camargue", aber eben auch von Mensch- und Tiergruppierungen wie die "Reitergruppe" oder die hier angebotene Bronze "Derby".
Koenig geht es bei dieser Vielfigurigkeit um eine rhythmische Gliederung gleichförmiger einzelner Körper, die er zu einem gestalthaften Ganzen formiert. "Derby" ist mit seiner breiten, massiven, ausladenden Form und den scheinbar Dutzenden Pferdehufen dabei wohl das Werk, in dem Koenig die Bewegung auf die Spitze ihrer Aussagekraft potenziert: "movement is increased to the extreme", konstatiert Kurt Martin 1961 in dem Begleittext der Einzelausstellung in der New Yorker Staempfli Gallery über diese Bronze und auch das Werkverzeichnis der Arbeiten Fritz Koenigs spricht von einem "hochdynamische[n] Ensemble" (Clarenbach, S. 13).
Trotz ihrer Massivität scheint die Arbeit ein Stück weit über dem Boden zu schweben, nur wenige Pferdehufe berühren den Boden, Mensch und Tier verschmelzen in ihren gemeinsamen, aufeinander abgestimmten Bewegungsabläufen zu einem untrennbaren Ganzen: Es entsteht eine Arbeit von großer Dynamik und Vitalität.

Pferdezucht und Reiterei
Es sind insbesondere diese skulpturalen Darstellungen von Pferden und Reitern, die den passionierten Reiter Fritz Koenig in den Jahren um 1960 beschäftigen. 1959 kauft der Künstler seine ersten eigenen Vollblutaraberstuten und erfüllt sich im darauffolgenden Jahr, dem Entstehungsjahr unserer Bronze, in Ganslberg bei Landshut den Wunsch eines eigenen, von Wiesen, Wäldern und Feldern umgebenen Gestüts, das sowohl Wohn- als auch nach eigenen Entwürfen erbaute Werkstatt- und Stallanlagen umfasst und den Beginn seiner eigenen Vollblutaraberzucht markiert. Fortan spiegelt sich die Faszination für das Motiv des Reiters und des Pferdes nur noch intensiver in seinem künstlerischen Schaffen wider. Zeit seines Lebens entstehen außer der imposanten Arbeit "Derby" weitere motivisch auf seine Leidenschaft bezugnehmende Arbeiten wie bspw. "Nächtlicher Ritt" (1959), "Kleiner Reiter" (1959), "Kleine Quadriga" (1961), "Stuterei" (1971), "Paarung" (1972) oder "Rosssprung" (1982).

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere
Zum Entstehungszeitpunkt der hier angebotenen Bronze befindet sich Fritz Koenigs künstlerische Karriere auf einem Höhepunkt: 1957 ist er Stipendiat der Villa Massimo in Rom, 1958 stellt er im deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel aus, im selben Jahr auch auf der XXIX. Biennale von Venedig. Im darauffolgenden Jahr und auch 1964 ist der Künstler außerdem auf der documenta II und III in Kassel vertreten. 1961 zeigt der New Yorker Galerist George W. Staempfli eine erste Einzelausstellung mit den Werken Fritz Koenigs, in der auch ein Exemplar der hier angebotenen Bronze gezeigt wird. 1963 folgt bereits eine zweite Einzelausstellung in New York. International ist Fritz Koenig unter anderem für seine monumentale Skulptur "The Sphere / Große Kugelkaryatide" für die Brunnenanlage (Architekt: Minoru Yamasaki) zwischen den Türmen und auf der Plaza des World Trade Centers in New York berühmt (Entwurf 1967/68), mit deren Entwürfen er sich damals gegen Henry Moore durchsetzt. Die Anschläge des 11. Septembers 2001 übersteht sie stark beschädigt und befindet sich heute als berühmtes Mahnmal im Liberty Park in New York.

Die Galerie Staempfli in New York und die Sammlung von Emily Barclay McFadden Harrison Staempfli
Die hier angebotene Arbeit gelangt vermutlich nach der Einzelausstellung Fritz Koenigs in der Staempfli Gallery in New York in die Sammlung von Emily Barclay McFadden Harrison Staempfli. Sie ist in zweiter Ehe mit Koenigs gutem Freund und New Yorker Galeristen George W. Staempfli, dem Gründer der Staempfli Gallery, verheiratet. Auch Emily Staempfli ist in der New Yorker Kunstwelt als Unterstützerin und Mäzenin sehr aktiv. Schon früh erwirbt sie Arbeiten ihres guten Freundes Andy Warhol und verkehrt u. a. mit Marcel Duchamp und Pablo Picasso. Vermutlich ist ihr Weg in die Kunstwelt schon durch ihren Großvater John H. McFadden (1850–1921) vorgezeichnet, der mit seiner Kunstsammlung und schließlich seinem Vermächtnis 1928 zur Gründung des Philadelphia Museum of Art beiträgt. Emily Barclay McFadden beginnt erst nach ihrer Scheidung und ihrem Umzug nach New York in den 1950er Jahren Kunst zu sammeln, u. a. erwirbt sie Werke von Constantin Brancusi, Georges Braque, Marcel Duchamp, Max Ernst, Paul Gauguin, René Magritte, Pablo Picasso, Man Ray und Niki de Saint Phalle, bis ihre Sammlung schließlich nicht nur in New York, sondern auch in ganz Amerika bekannt ist. 1968 widmet das Philadelphia Museum of Art ihrer Sammlung eine eigene Ausstellung. Nach ihrem Tod geht unser Werk zusammen mit den anderen Arbeiten 1991 in die Sammlung ihres Sohnes Randolph Harrison über. [CH]



113
Fritz Koenig
Derby, 1960.
Bronze
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inklusive Aufgeld)