Auktion: 533 / Modern Art Day Sale und Sammlung Hermann Gerlinger am 10.12.2022 in München Lot 419

 

419
Mappenwerk / Portfolio
6. Jahresmappe der Künstlergruppe "Brücke", gewidmet Erich Heckel, 1911.
Mappe mit einem Holzschnitt, einer Radierung un...
Schätzung:
€ 100.000
Ergebnis:
€ 137.500

(inklusive Aufgeld)
6. Jahresmappe der Künstlergruppe "Brücke", gewidmet Erich Heckel. 1911.
Mappe mit einem Holzschnitt, einer Radierung und einer Lithografie von Erich Heckel sowie dem Umschlag mit einem Holzschnitt von Hermann Max Pechstein.
Papier (Umschlag): 57 x 44,2 cm (22,4 x 17,4 in).
Enthalten sind: Hermann Max Pechstein. Umschlag mit "Kniender Akt mit Schale". 1911. Holzschnitt. Krüger H 132. Söhn HDO 216-1. Im Stock monogrammiert. Auf blauem Velin (Doppelbogen). 37 x 30,6 cm (14,5 x 12 in). Papier: 57 x 44,2 cm (22 x 17,4 in).
Erich Heckel: "Stehendes Kind (Fränzi stehend)". 1910/11. Ebner/Gabelmann H 423 b (von c). Dube H 204. Söhn HDO 216-2. Signiert, datiert sowie im Stock monogrammiert. 37,4 x 27,5 cm (14,7 x 10,8 in). Papier: 54 x 40 cm (21,2 x 15,7 in).
Erich Heckel. "Strasse am Hafen (Hamburger Hafen/Strasse mit Brücke)". 1910. Ebner/Gabelmann 485 R II (von II). Dube R 91. Söhn HDO 216-4. Signiert, datiert sowie in der Platte monogrammiert und datiert. 17,2 x 20,1 cm (6,8 x 7,9 in). Papier: 40,2 x 54 cm (15,8 x 21,2 in).
Erich Heckel. "Szene im Wald". 1910. Ebner/Gabelmann 451 II (von II). Dube L 153. Signiert und datiert. 27,5 x 33,8 cm (10,8 x 13,3 in). Papier: 40,1 x 53,7 cm (15,7 x 21,1 in).
Vollständige 6. Jahresmappe. [EH]

Die jeweiligen Blätter werden auf Wunsch zunächst einzeln und im Anschluss als gesamtes Mappenwerk aufgerufen.

• Drei Blätter in unterschiedlicher Technik von meisterhafter Vollendung.
• "Fränzi stehend" gilt als einer der bedeutendsten Farbholzschnitte Erich Heckels
.

PROVENIENZ: Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032).

AUSSTELLUNG: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR: Hans Bolliger, E. W. Kornfeld, Ausstellung Künstlergruppe Brücke. Jahresmappen 1906-12, Bern 1958, S. 20-21, Nr. 21-24 (anderes Exemplar).
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 116-117, SHG-Nr. 72-75.
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 178-179, SHG-Nr. 399-401; S. 398, SHG-Nr. 869.

Die Jahresgabe von 1911 beinhaltet drei Grafiken von Heckel, die Umschlaggestaltung liefert dieses Mal Max Pechstein. Gegenüber der Kirchner-Mappe mit der gelben Signalfarbe im Vorjahr erscheint 1911 der Umschlag durch Pechstein für Heckels eigene Jahresmappe zurückhaltend im beruhigenden Blauviolett. Pechsteins Holzschnitt "Kniender Akt mit Schale" mit den beiden großen Bogenformen ist wohl eine Anspielung auf Heckels Farbholzschnitt "Liegende" von 1909 mit demselben Modell (Abb.).
Mit dem Farbholzschnitt "Stehendes Kind" in Schwarz, Rot und Grün setzt auch Heckel wie schon Kirchner mit dem Blatt "Mit Schilf werfende Badende" ein bis heute bestehendes fulminantes Zeichen. Mit der scharf konturierten Figur vor der flächigen Landschaftsszene erinnert Heckel an seine kreative Auseinandersetzung mit der "etruskischen Kunst" während der Italienreise im Jahr 1909. Kirchner vermerkt diese für alle Künstler der Gruppe nachhaltige "Anregung" eigens in der Chronik von 1913. Und Kirchner selbst wird die Entstehung dieses Farbholzschnitts erinnernd auf einer Postkarte festhalten, die er am 3. Februar 1911 an Maschka, die Frau von Otto Mueller, mit dem Hinweis "Unsere Jüngste beim Tanz" schicken wird.
In einer selbstsicheren Pose, den Blick leicht über die Schulter auf ihren Zeichner gerichtet, die linke Hand auf dem angewinkelten Oberschenkel ruhend, erstarrt Heckel Fränzi vor der Wanddekoration in seinem Atelier, eine toskanische Ideallandschaft wiedergebend mit leichten Hügeln und Pinien. Aus drei zersägten Formen aufgebaut, vermeidet Heckel im Gegensatz zu Kirchners malerischen Farbholzschnitten jede Überschneidung der Farbe, verlegt die Betonung auf Fläche und Kontur und bezieht, wie beim Körper der Dargestellten, das Weiß des Papieres mit ein in die Komposition.
Heckels folgende Lithografie "Szene im Wald, Akte in Waldlichtung" spiegelt ein Erlebnis an den Moritzburger Teichen wider, einen von der Natur geformter Raum, in dem die Modelle sich nach dem Baden ausruhen. Besonders die Darstellung von Akten am Wasser oder im Wald sind zum Inbegriff der expressionistischen Hochphase der Künstler geworden. Die ungezwungene Nacktheit ist Ausdruck einer Befreiung von inneren Zwängen, die auch sichtbar in die gestalterische Arbeit einfließt. Natur und Mensch bilden eine gesuchte Einheit, die sich dem Betrachter eindringlich vermittelt. In der Abgeschiedenheit können sie ihre Vorstellung vom einfachen, "primitiven" Leben ausleben.
Für das dritte Blatt der Mappe, "Straße am Hafen-Hamburg", wählt Heckel die Radierung als Technik. Auf einer breiten Allee im Bogen vor mehrstöckigen Häusern kommen uns links Passanten entgegen; gegenüber unter Bäumen eilen Fußgänger in die entgegengesetzte Richtung entlang einer schützenden Brüstung vor dem dahinter liegenden, breiten Wasser mit Schiffen und Brücke im fernen Hintergrund. Handelt es sich um eine Hamburger Darstellung? Stephan von Wiese bezweifelt dies und vermutet eine Berliner Spreelandschaft mit Bögen. (Vgl. Stephan von Wiese, Die Jahresmappen, in: Archiv-Heft 17, Berlin 1989, S. 39) [MvL]



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Mappenwerk / Portfolio
6. Jahresmappe der Künstlergruppe "Brücke", gewidmet Erich Heckel, 1911.
Mappe mit einem Holzschnitt, einer Radierung un...
Schätzung:
€ 100.000
Ergebnis:
€ 137.500

(inklusive Aufgeld)