Auktion: 525 / Evening Sale am 10.12.2021 in München Lot 212

 

212
Max Beckmann
Stillleben mit roten Rosen, 1914.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 350.000

(inklusive Aufgeld)
Stillleben mit roten Rosen. 1914.
Öl auf Leinwand.
Göpel 184. Rechts unten signiert und datiert. 93 x 72,5 cm (36,6 x 28,5 in).

• Absolute Rarität mit bester Provenienz.
• Eines der letzten Gemälde vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in impressionistisch bewegter Peinture.
• Letztes reines Blumenstillleben Beckmanns.
• Außergewöhnlicher Stil: Beckmann orientiert sich am Pathos von Lovis Corinth und Max Liebermann.
• Im Besitz vieler namhafter Kunstkenner
.

Das Gemälde ist im aktuellen Online-Werkverzeichnis, herausgegeben von der Kaldewei Kulturstiftung unter der redaktionellen Verantwortung von Frau Dr. Anja Tiedemann, unter www.beckmann-gemaelde.org/184-stillleben-mit-roten-rosen verzeichnet.

PROVENIENZ: Sammlung Henry B. Simms, Hamburg (bis 1922).
Gertrud Simms, Hamburg (1922 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1930: Kunstsalon Paul Cassirer, 14.11.1930).
Sammlung Ricardo Hirsch, Buenos Aires (1930 von der Vorgenannten erworben).
Alfons Heilbronner und Arthur Goldschmidt, Buenos Aires/Zürich (wohl vom Vorgenannten erworben).
Dr. Walter Feilchenfeldt, Zürich (1958 vom Vorgenannten erworben).
Lissy Mander, München (wohl vom Vorgenannten erworben).
Galerie Hans Fetscherin, München (1958).
Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt (1959 bis 1975).
Privatsammlung Schweinfurt (1975 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1982).
W. Schuller Kunsthandel, Wertheim (1982).
Privatsammlung Hessen.
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (seit 2011).

AUSSTELLUNG: Ausstellung einer Gemäldesammlung aus Hamburger Privatbesitz, Kunsthalle Hamburg, Mai/Juni 1918.
Max Beckmann. Das gesammelte Werk. Gemälde, Graphik, Handzeichnungen aus den Jahren 1905 bis 1927, Städtische Kunsthalle, Mannheim, 19.2.-10.4.1928.
Max Beckmann, Schloss Braunschweig, 13.1.-24.2.1929.
Max Beckmann. Die frühen Bilder, Kunsthalle, Bielefeld/Städel Museum, Frankfurt a. Main, 26.9.-21.11.1982.
Picasso, Beckmann, Nolde und die Moderne. Meisterwerke aus frühen Privatsammlungen in Hamburg, Hamburger Kunsthalle, 23.3.-17.6.2001.
Meisterwerke im Dortmunder U. Caspar David Friedrich bis Max Beckmann, Dortmunder U, 14.5.-9.8.2015.
Accrochage, Galerie Utermann, Dortmund, 2.11.-30.11.2019.

LITERATUR: Kunsthalle, Hamburg, Ausstellung einer Gemäldesammlung aus Hamburger Privatbesitz. Zum Besten der Unterstützungskasse des Kameradschaftsbundes der 76er zu Hamburg, Hamburg 1918.
Städtische Kunsthalle, Mannheim, Max Beckmann. Das gesammelte Werk aus den Jahren 1905 bis 1927, Mannheim 1928.
Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin, Meister des 19. und 20. Jhd. Sammlung Simms, Hamburg. Aus Berliner und Breslauer Privatbesitz, Berlin 1930 (mit Abb.).
Christie's, London, Fifteen German Expressionist Paintings from the Georg Schäfer Collection, London 1978, (mit Abb.).
Klaus Gallwitz, Ulrich Weisner (Hrsg.), Max Beckmann. Die frühen Bilder, Bielefeld 1982 (mit Abb.).
Klaus Gallwitz, Uwe M. Schneede, Stephan von Wiese (Hrsg.), Max Beckmann Briefe. 1899-1925, Bd. I, München/Zürich 1993.
Klaus Gallwitz, Uwe M. Schneede, Stephan von Wiese (Hrsg.), Max Beckmann Briefe. 1899-1925, Bd. II, München/Zürich 1994.
Ulrich Luckhardt, Uwe M. Schneede (Hrsg.), Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburg 2001.
Karin Schick, Frühe Stillleben, in: Hubertus Gaßner, Karin Schick (Hrsg.), Max Beckmann. Die Stillleben, München 2014, S. 79-81.
Gerhard Langemeyer (Hrsg.), Meisterwerke im Dortmunder U. Caspar David Friedrich bis Max Beckmann, Dortmund 2015 (mit Abb. S. 147-151).
Siegfried Gohr, Max Beckmann - Motive. Einladung zur Werkbetrachtung, Köln 2019.

Max Beckmanns erster Biograf, Hans Kaiser, bewundert "die kühle Geste und das volle Pathos […] Leidenschaft und heroische Romantik" in dessen Malerei (Hans Kaiser, Max Beckmann, 1913, S. 45). Kaiser schreibt diese Einschätzung vor dem Hintergrund der weittragenden Ausstellungsereignisse für den Künstler in Berlin 1913: seine Präsentation mit der Berliner Secession und die erste Solo-Ausstellung im Kunstsalon von Paul Cassirer. Die Monografie von Kaiser über Beckmann ist zudem der erste Band in der vom Verleger Paul Cassirer edierten Reihe "Künstler unserer Zeit". Die Kunstszene in Berlin ist gespalten in zwei Lager: Es sind zum einen die Etablierten der Berliner Secession um Max Liebermann, Max Slevogt, Lovis Corinth, Hans Baluschek, Ernst Barlach, Theo von Brockhusen, Georg Kolbe …, auch Max Beckmann sieht hier seine künstlerische wie gesellschaftliche Zugehörigkeit. Und auf der anderen Seite stehen die ehemaligen Mitglieder, die Refüsierten, die erklärten Gegner der Secession, die 1910 mit dem Kunstsalon Maximilian Macht den Weg für die Expressionisten ebnen und 1913 mit dem "Ersten Deutschen Herbstsalon" eine von Franz Marc und Wassily Kandinsky in der Berliner Galerie „Der Sturm“ von Herwarth Walden organisierte Übersichtsausstellung neuerer Kunst veranstalten: Expressionisten, Kubisten und Futuristen. Beckmann ist hingegen weiterhin dem Pathos von Lovis Corinth und Max Liebermann verbunden und der Impressionismus die Sprache für seinen gesellschaftlichen Kontext, dem Beckmann noch nicht entkommen möchte. Die Berliner Secession, die sich der internationalen, etwa französischen Kunst öffnet, gehört zu den ansehnlichsten Kunstereignissen Berlins. Der 1905 nach Berlin gekommene Beckmann wird 1906 eingeladen auszustellen, 1907 ist er ordentliches Mitglied. Seine Werke werden von Sammlern erworben, er wird von den Kunstkritikern entdeckt, erfährt Aufmerksamkeit von kulturellen Persönlichkeiten wie Harry Graf Kessler. Das "Stillleben mit roten Rosen" malt Beckmann in der Hochzeit der sommerlichen Rosenblüte im Jahr 1914. Was der Künstler damals nicht wissen, vielleicht aber erahnen kann: Das Blumenbild ist eines der letzten Gemälde, die vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges entstehen und eine impressionistisch bewegte Peinture zeigen, wie sie Beckmann in nur wenigen Gemälden bis dahin realisiert. Denn Historienbilder, Gruppenbildnisse und Landschaften sind die bevorzugten Gattungen, die er wählt für seine Bildkunst, womit Beckmann auch die Utopie der auf kunsthistorischem Fundament entstehenden Malerei bedient. "Es gibt meiner Meinung nach zwei Richtungen in der Kunst. Eine, die ja augenblicklich wieder mal im Vordergrunde steht, ist die flache und stilisierend dekorative, die andere ist die raumtiefe Kunst", so Beckmann 1914 in "Das neue Programm" (Max Beckmann, Die Realität der Träume in den Bildern. Aufsätze und Vorträge 1903-1950, Leipzig 1987, S. 43). Seine Diskussion von 1912 über die Moderne mit dem Expressionisten Franz Marc in der Zeitschrift "Pan" ist noch ebenso evident wie Beckmanns kategorische Ablehnung der Malerei von Henry Matisse, dessen Bilder, in Berlin im Januar 1909 bei Cassirer ausgestellt, er scharf kritisiert; mit der 26. Ausstellung der Berliner Secession 1913 sieht er sein Werk "Untergang der Titanic" aus dem Jahr 1912 mit dem damals unerhörtes Aufsehen erregenden Gemälde "La danse/Der Tanz I" von Matisse aus dem Jahr 1909 konfrontierend inszeniert.

Mit dem "Stillleben mit roten Rosen" jedoch bedient Beckmann eine überbordende malerische, "raumtiefe" Geste, die an den damals vielleicht wichtigsten und von ihm hoch geschätzten Blumenstilllebenmaler Lovis Corinth erinnert. In drei Vasen unterschiedlicher Form und Größe bündelt Beckmann dunkelrote Rosen, hellt sie auf mit wenigen weißen Blüten, hinterfängt das wilde Wachstum der Rosen mit grünem Beiwerk und arrangiert die Pracht vor klassisch dunklem Hintergrund. Verwelkte Blüten sammeln sich herabgefallen auf dem Tisch. Zwischen den Vasen finden wir zwei Bögen beschriebenes Papier auffallend dekoriert. Wir können das Geschriebene nicht lesen und dennoch eröffnet sich hier sogleich ein Feld von Spekulationen: rote Rosen zum Abschied an seine Frau Minna Tube von dem sich freiwillig zum Kriegsdienst meldenden Beckmann? Zweimal, es ist lange her, im Frühjahr 1906 und im Sommer 1907, widmet Beckmann seiner Frau Stillleben mit Blumen: weiße "Hyazinthen" in einem Übertopf, daneben eine halbvolle Champagnerflöte mit dem von Beckmann so geliebten Getränk, alles vor weißem Hintergrund, und die "Sumpfblumen", ein geordnetes Arrangement mit Wildblumen auf einem Holztisch in zwei unterschiedlichen Gefäßen vor einer knallroten Tapete mit auffallendem Muster. Die sichtlich gemalte Emotion für seine kürzlich geheiratete Frau, die Malerin und Opernsängerin Minna Tube, erfährt sieben Jahre später eine üppige Erneuerung seiner Hingabe. Das Unausgesprochene, so scheint es, notiert Beckmann, der Romantiker, im alten Stil auf Briefpapier; eine Tiefe von Vergänglichkeit tut sich auf und schwingt leise mit. Blumenstillleben dieser Art und Form malt Beckmann nach 1907 nur noch zwei weitere: "Stilleben mit Herbstblumen", 1912, und "Stillleben mit Gladiolen", 1914. Und folgt man dem inzwischen online publizierten Werkverzeichnis, so scheint sich Beckmann für diese traditionsreiche Gattung auch noch nicht zu begeistern; mit den ‚Frankfurter Jahren‘ ab 1915 wird sich dies ändern. Somit zeigt sich "Stillleben mit roten Rosen" im vielfältigen Werk Beckmanns vor dem Ersten Weltkrieg als etwas ganz Besonderes und in seiner malerischen Tiefe als etwas Herausragendes! Ein reines Blumenstillleben, so wie das "Stillleben mit roten Rosen", wird Max Beckmann später nicht mehr malen.

Zwei Jahre später erwähnt der Künstler in einem Brief, wohl von Oktober 1916 aus Frankfurt, an seine Frau Minna das "Stillleben mit roten Rosen". Beckmann lässt das Stillleben und das kurz zuvor entstehende Gemälde "Blick auf den Bahnhof Gesundbrunnen" (G 183) dem Hamburger Unternehmer und Sammler Henry B. Simms zuschicken. Simms, der größere Werkgruppen unter anderem von Lovis Corinth erwirbt und auch ein großes Konvolut von Werken Beckmanns besitzt, lehnt einen Ankauf zunächst ab. "Will aber ein Stilleben für 1000 M bestellen!", so Beckmann weiter an seine Frau (Max Beckmann, Briefe 1899-1925, München 1993, Brief-Nr.: 143, S. 147). Dennoch, das "Stillleben mit roten Rosen" gelangt etwas später in die bedeutende Sammlung, die im Mai 1918 mit der "Ausstellung einer Gemäldesammlung aus Hamburger Privatbesitz" mit weiteren elf Gemälden von Max Beckmann in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wird. Bereits 1913 malt Beckmann das Ehepaar Simms mit ihren vier halbwüchsigen Kindern im Salon der Villa in der Heilwigstraße. [MvL]



212
Max Beckmann
Stillleben mit roten Rosen, 1914.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 350.000

(inklusive Aufgeld)