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203
Wladimir Georgiewitsch von Bechtejeff
Leda und der Schwan, 1912.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 300.000 Ergebnis:
€ 375.000 (inklusive Aufgeld)
Leda und der Schwan. 1912.
Öl auf Leinwand.
Links unten monogrammiert. 165 x 136 cm (64,9 x 53,5 in).
Verso mit dem zweifachen Stempel des Malbedarfs Richard Wurm, München, sowie auf dem Keilrahmen handschriftlich bezeichnet mit dem Künstlernamen, dem Titel sowie der Inventarnummer der Galerie Arnold, Dresden. [AT/JS].
• Spektakuläre Wiederentdeckung.
• Aus der herausragenden Sammlung Werner Dücker, Düsseldorf.
• Der Verbleib von Bechtejeffs künstlerischem Œuvre ist in weiten Teilen unbekannt.
• Bechtejeff zählt zur europäischen Avantgarde im direkten Umkreis des "Blauen Reiter".
• Die bekannten Gemälde des expressionistischen Frühwerks befinden sich heute zum Großteil in Museumsbesitz.
• Kapitales Werk von beeindruckender Größe.
Wir danken Frau Dr. Jelena Hahl-Fontaine für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Kunstverein Barmen (wohl im Dezember 1912 direkt vom Künstler erworben oder in Kommission genommen, bis März 1913).
Sammlung Werner Dücker, Düsseldorf (im März 1913 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Deutschland.
Kunsthandel Saarbrücken (vor etwa 25 Jahren vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Sachsen (vom Vorgenannten erworben).
AUSSTELLUNG: Ausstellung von 41 Werken der Neuen Künstlervereinigung München, Kunstverein Barmen, Dezember 1912 (ohne Katalog).
Die neue Malerei. Expressionistische Ausstellung, Januar 1914, Galerie Ernst Arnold Dresden, Kat.-Nr. 14 (Titel: "Leda", als Leihgabe von Werner Dücker, Düsseldorf, "unverkäuflich". Auf dem Keilrahmen mit der handschriftlichen Inventarnummer der Galerie).
LITERATUR: Rechnungsbuch des Kunstvereins Barmen, "Geschäftsführung ab 1904", Archiv des Von der Heydt-Museums Wuppertal (Kopie), fol. 92 ("Verkäufe an Private").
Antje Birthälmer und Sabine Fehlemann, Die "Neue Künstlervereinigung München" und ihre Verbindungen zur rheinischen Kunstszene, in: Der Blaue Reiter und das Neue Bild 1909-1912. Von der "Neuen Künstlervereinigung München" zum "Blauen Reiter", Begleitbuch zur Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, 2.7.-3.10.1999, S. 276-285, hier S. 284, Anm. 65.
"Bis 1914 wurden Bechtejeffs Werke in ganz Deutschland ausgestellt und von Museen gekauft; in Otto Fischers Buch über die Neue Künstlervereinigung München, 1912, ist er mit beachtlichen sechs Abbildungen vertreten. Alexej von Jawlensky sah ihn als Naturtalent, Franz Marc hielt ihn für feinfühlig und seine Monumentalmalerei [..] für innovativ."
Jelena Hahl-Fontaine, in: Wladimir von Bechtejeff 1878-1971. Wiederentdeckt!, Bonn 2018, S. 17.
Öl auf Leinwand.
Links unten monogrammiert. 165 x 136 cm (64,9 x 53,5 in).
Verso mit dem zweifachen Stempel des Malbedarfs Richard Wurm, München, sowie auf dem Keilrahmen handschriftlich bezeichnet mit dem Künstlernamen, dem Titel sowie der Inventarnummer der Galerie Arnold, Dresden. [AT/JS].
• Spektakuläre Wiederentdeckung.
• Aus der herausragenden Sammlung Werner Dücker, Düsseldorf.
• Der Verbleib von Bechtejeffs künstlerischem Œuvre ist in weiten Teilen unbekannt.
• Bechtejeff zählt zur europäischen Avantgarde im direkten Umkreis des "Blauen Reiter".
• Die bekannten Gemälde des expressionistischen Frühwerks befinden sich heute zum Großteil in Museumsbesitz.
• Kapitales Werk von beeindruckender Größe.
Wir danken Frau Dr. Jelena Hahl-Fontaine für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Kunstverein Barmen (wohl im Dezember 1912 direkt vom Künstler erworben oder in Kommission genommen, bis März 1913).
Sammlung Werner Dücker, Düsseldorf (im März 1913 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Deutschland.
Kunsthandel Saarbrücken (vor etwa 25 Jahren vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Sachsen (vom Vorgenannten erworben).
AUSSTELLUNG: Ausstellung von 41 Werken der Neuen Künstlervereinigung München, Kunstverein Barmen, Dezember 1912 (ohne Katalog).
Die neue Malerei. Expressionistische Ausstellung, Januar 1914, Galerie Ernst Arnold Dresden, Kat.-Nr. 14 (Titel: "Leda", als Leihgabe von Werner Dücker, Düsseldorf, "unverkäuflich". Auf dem Keilrahmen mit der handschriftlichen Inventarnummer der Galerie).
LITERATUR: Rechnungsbuch des Kunstvereins Barmen, "Geschäftsführung ab 1904", Archiv des Von der Heydt-Museums Wuppertal (Kopie), fol. 92 ("Verkäufe an Private").
Antje Birthälmer und Sabine Fehlemann, Die "Neue Künstlervereinigung München" und ihre Verbindungen zur rheinischen Kunstszene, in: Der Blaue Reiter und das Neue Bild 1909-1912. Von der "Neuen Künstlervereinigung München" zum "Blauen Reiter", Begleitbuch zur Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, 2.7.-3.10.1999, S. 276-285, hier S. 284, Anm. 65.
"Bis 1914 wurden Bechtejeffs Werke in ganz Deutschland ausgestellt und von Museen gekauft; in Otto Fischers Buch über die Neue Künstlervereinigung München, 1912, ist er mit beachtlichen sechs Abbildungen vertreten. Alexej von Jawlensky sah ihn als Naturtalent, Franz Marc hielt ihn für feinfühlig und seine Monumentalmalerei [..] für innovativ."
Jelena Hahl-Fontaine, in: Wladimir von Bechtejeff 1878-1971. Wiederentdeckt!, Bonn 2018, S. 17.
von Jelena Hahl-Fontaine
"Leda und der Schwan" – Wiederentdeckung einer monumentalen mythologischen Komposition
Sofort besticht dieses typische, großformatige Gemälde durch seine zeitlose Schönheit, seine dezente Erotik und raffinierte Komposition. Als Vorwand, den nackten Frauenkörper ungestraft feiern zu dürfen, diente – wie es nicht nur bei dem kulturell versierten russischen Künstler, sondern in der gesamten Kunstgeschichte üblich war – ein mythologisches Thema: hier also "Leda und der Schwan", ein allgemein beliebtes Motiv. Wladimir von Bechtejeff hatte als Sohn begüterter Landadeliger von früh an Privatlehrer, zu deren Kompetenzen unbedingt auch mythologische Themen gehörten. Offenbar fand er daran besonderen Gefallen und wählte später immer wieder Themen aus dieser Schatztruhe, besonders bei seinen großformatigen "offiziellen" Gemälden. Die kunsthistorische Bedeutung des Bildes jedoch liegt vor allem in dessen Entstehungszeit 1912, als der französische Kubismus durch eine große Ausstellung in Deutschland bekannt wurde und Bechtejeff, Franz Marc und August Macke sich sofort von der neuen Stilrichtung inspirieren ließen. Die unterschiedliche Malweise zwischen Bechtejeffs "Rossebändiger" (Lenbachhaus München, Kat. Murnau, S. 93) und der kurz darauf entstandenen "Leda" ist offensichtlich: statt fließender, ungestümer Bewegung nun eine Stilisierung auf härtere kubistische Art – nicht nur die Berge und Felsen, sondern sogar die Meereswellen erscheinen als kantige und gezackte Formen. Allein Ledas Schönheit bleibt unversehrt, Picasso-artige Deformationen des menschlichen Körpers kämen für den feinsinnigen Ästheten Bechtejeff nicht in Frage. Ledas Gestalt mit dem sie umschmeichelnden Schwan hat er also noch auf seine typische Weise als "Linienornament" behandelt, dem Jugendstil und der Cloisonné-Technik verpflichtet, nur ein wenig rigider als wir dies von seinen früheren Bildern kennen, zum Beispiel in "Zwei badende Frauen" von 1910 (Museum Abteiberg, Mönchengladbach, Kat. Murnau, S. 80). Das Gemälde "Leda" stellt zweifellos einen wichtigen Meilenstein dar zwischen dem "Rossebändiger", 1912, und der "Diana auf der Jagd", 1912/13, (Staatsgalerie Stuttgart, Kat. Murnau, S. 91). Das "Selbstporträt als Harlekin" von 1914-1916 (Coll. of Boris and Marina Molchanov, Kat. Murnau, S. 101) dagegen ist schon eine Stufe weiter, als der Künstler die kubistische Methode weiterentwickelt hat.
1902–1914 – Zur zentralen Bedeutung der Münchner Jahre in Bechtejeffs Schaffen
Von der Bedeutung Bechtejeffs in seiner Münchener Zeit von 1902 bis 1914 zeugen noch seine Bilder in mehreren deutschen Museen; das Gemälde "Rossebändiger" zum Beispiel hängt seit den 1960er Jahren im Lenbachhaus München und ist in vielen Publikationen zur expressionistischen Epoche abgebildet. Folgendes positives Kollegenurteil von Franz Marc aus dem Jahr 1910 ist nur eine von mehreren wertschätzenden Aussagen:
"Der bedeutendste der 'Neuen Münchener Künstlervereinigung' scheint mir bei weitem Wladimir von Bechtejeff zu sein. Er hat erreicht, wonach Marées vergebens gerungen hat, was Feuerbach versagt blieb. Beide suchten mit den ganz ausgezogenen Mitteln der Renaissance Menschen darzustellen, ohne daß sie es wagten, ihn als Linienornament in ihre ornamentalen Kompositionen einzufügen. Die Sicherheit der großen Linie in Form und Gruppierung, die Feinheit der Farben Bechtejeffs übertreffen weitaus die Versuche Feuerbachs und Trübners in demselben Problem."
Ein anderer Kollege, Adolf Erbslöh, der nach Kandinsky den Vorsitz der Vereinigung übernahm, hat sofort von Bechtejeff gekauft und sein Haus bald mit einem monumentalen Wandbild, weiteren Gemälden sowie einer Bronze-Frauenstatue des Freundes ausgestattet. Jawlensky sah den jüngeren Landsmann als "Naturtalent", nahm ihn in seine Obhut und empfahl ihn weiter an den Pädagogen Knirr, um die in Moskau begonnene, in Venedig und bei Cormon in Paris weitergeführte Ausbildung abzuschließen. Der bedeutende Kunsthistoriker Richard Reiche urteilte 1912:
"Es ist uns Pflicht und Freude, [..] den überragenden geistigen und künstlerischen Anteil der russischen Künstler Münchens an der Gründung und dem Erfolg der damals entstandenen 'Neuen Künstlervereinigung' zu bezeugen. [..] Bechtejeff und die Baronin Werefkin waren starke Elemente dieses Bundes."
Wichtige und häufige Ausstellungsbeteiligungen sowie Bildverkäufe bis 1914 sprechen ebenfalls für Bechtejeffs Rang in der damaligen deutschen Kunstszene.
Erster Weltkrieg und Rückkehr nach Russland – Bechtejeffs Rückzug in die grafischen Künste
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war vorerst Schluss mit innovativer Malerei. Als Russe musste Bechtejeff Deutschland sofort verlassen, natürlich unter Zurücklassung zahlreicher Bilder, die hin und wieder im Kunsthandel auftauchen. In Moskau wurde er als ehemaliger Kavallerist sofort in die Armee eingegliedert, danach bald zum Staatlichen Zirkus "strafversetzt", wo er zu seinem Glück die Gelegenheit nutzen konnte, in Kostüm- und Szenenentwürfen seine Art von Kubismus weiterzuentwickeln. Eine Beteiligung an der Ausstellung "Vom Impressionismus zur ungegenständlichen Malerei", 1918/19, im Staatlichen Museum für Bildende Kunst in Moskau ist bezeugt. Leider dauerte diese Epoche des künstlerischen Aufbruchs der russischen Avantgarde nur wenige Jahre. Als adliger Großgrunderbe, mit einer ebenfalls adligen Ehefrau, wurde Bechtejeff für acht Jahre nach Sibirien verbannt. In dieser Zeit half ihm sicher, wenigstens zeichnen zu dürfen: nun aber in feiner "naturalistischer" Manier, denn Abstraktion war bekanntlich verboten. Seine Meisterschaft als Grafiker fand schließlich offizielle Anerkennung, und zurück in Moskau erlangte er bald großen Ruhm als Illustrator von etwa 120 Büchern. Seine Zeichnungen und Aquarelle wurden auch öfter in russischen Museen ausgestellt.
Zur kunsthistorischen Würdigung von Bechtejeffs hochkarätigem Frühwerk
Und heute? Wiederentdeckt, auch in Russland, wo der Mangel an frühen Werken nun sehr bedauert wird. Die Zäsur durch den Weltkrieg und die Spaltung von West und Ost konnte nie mehr überbrückt werden, auch wenn die Zahl von über 60 Ausstellungsbeteiligungen und 200 Katalogen und Artikeln in Deutschland, aber überwiegend in Russland (s. Ildar Galeyev, 2005) keinen Zweifel an der Bedeutung Bechtejeffs aufkommen lässt. In Deutschland ist 2018 endlich eine große Einzelausstellung im Murnauer Schlossmuseum gelungen, mit schönem Katalog, in welchem das große, vielseitige Talent Bechtejeffs eindrucksvoll dokumentiert ist.
Jelena Hahl-Fontaine (vormals Hahl-Koch), Dr. phil. in Kunstgeschichte und Slawistik, ehem. Kuratorin am Lenbachhaus München, hat Bechtejeff noch in den 1960er Jahren in Moskau besucht und interviewt. Seither forscht und publiziert sie zu Bechtejeff, Kandinsky und der Kunst des "Blauen Reiters".
Zur Provenienz – In Barmen und Dresden
Bechtejeffs "Leda" ist nicht nur ein künstlerisch faszinierendes Werk, sondern hat auch eine faszinierende Geschichte. Schon bald nach seiner Entstehung 1912 wird das fast mannshohe Bild nach Barmen geschickt. Der dortige Kunstverein ist unter Richart Reiche zu einem vibrierenden Zentrum der Moderne geworden. Im Dezember 1912 beteiligt sich Bechtejeff hier an einer Ausstellung von 41 Werken der expressionistischen "Neuen Künstlervereinigung München" (N.K.V.M.), der Keimzelle des "Blauen Reiters". Und wie der Zufall es will, stellt gleichzeitig auch der Düsseldorfer Sammler und "Kunstmaler" Werner Dücker (1887-1945, gest. in Kriegsgefangenschaft) seine herausragende Sammlung in Barmen aus. Gezeigt werden 18 Gemälde und eine Skulptur von französischen Künstlern wie Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Paul Gauguin, aber auch von so herausragenden deutschen Malern wie Franz Marc, Alexej von Jawlensky und, nicht zuletzt, Wladimir von Bechtejeff. Auch wenn beide Ausstellungen ohne Katalog blieben, kann man sich doch lebhaft vorstellen, dass Dücker bei seinen Streifzügen durch die Ausstellungsräume in der "N.K.V.M."-Abteilung das große Gemälde "Leda" entdeckt haben wird. Denn vom Kunstverein Barmen kauft er das Bild wenig später, wie in den Geschäftsbüchern vermerkt ist.
Im Januar 1914 präsentiert die Dresdner Galerie Arnold das Werk schließlich auf der von Richart Reiche organisierten, wichtigen Ausstellung "Die neue Malerei", der ersten größeren Expressionisten-Schau in Dresden. Leihgeber ist Werner Dücker, der seine "Leda" im Katalog als unverkäuflich markieren lässt.
Ein faszinierender Sammler
Der Sammler Werner Dücker, ein katholischer Rheinländer, war, soweit die spärlichen Quellen darüber Auskunft geben, eine schillernde Figur: wohlhabend und weltgewandt, fortschrittlich und frei. Eine enge Freundschaft verbindet Dücker und seine Frau, die Bildhauerin Marta Zahn, mit Richard Schultz, der beide mit der lebendigen Homosexuellenszene Berlins in Kontakt bringt (zum Folgenden Karl-Heinz Steinle, der literarische Salon bei Richard Schultz, Berlin 2002). Der Freundeskreis trifft sich zu literarischen Salons, frönt der Freikörperkultur mit der FKK-Koryphäe Adolf Koch, besucht die legendäre "Westend-Klause" bei Wirt Walter Franke. Von dieser Modernität, sexuellen Freiheit und Offenheit fühlt sich Werner Dücker offenbar intensiv angezogen. Und auch Bechtejeffs "Leda mit dem Schwan" ist ein Bild mit deutlicher sexueller Aufladung und einer so eleganten wie prägnanten Erotik. Es erstaunt nicht, dass gerade Werner Dücker bereit war, 1913 die beträchtliche Summe von 1650 Mark für das Werk auszugeben.
Allzu lange aber kann Dücker sich wohl nicht an seiner "Leda" erfreuen. 1923 verliert er in der Inflation sein gesamtes Vermögen. Marta eröffnet daraufhin einen Modesalon, um etwas mehr Geld zu verdienen als mit der Bildhauerei, und die hochbedeutende Kunstsammlung muss verkauft werden. Richard Schultz übernimmt einige Werke von seinem Freund Dücker – doch ein Hinweis auf "Leda" ist im Nachlass von Schultz nicht auszumachen. Erst vor wenigen Jahrzehnten taucht Bechtejeffs Meisterwerk, als solches unerkannt, in einer Privatsammlung wieder auf. [AT]
"Leda und der Schwan" – Wiederentdeckung einer monumentalen mythologischen Komposition
Sofort besticht dieses typische, großformatige Gemälde durch seine zeitlose Schönheit, seine dezente Erotik und raffinierte Komposition. Als Vorwand, den nackten Frauenkörper ungestraft feiern zu dürfen, diente – wie es nicht nur bei dem kulturell versierten russischen Künstler, sondern in der gesamten Kunstgeschichte üblich war – ein mythologisches Thema: hier also "Leda und der Schwan", ein allgemein beliebtes Motiv. Wladimir von Bechtejeff hatte als Sohn begüterter Landadeliger von früh an Privatlehrer, zu deren Kompetenzen unbedingt auch mythologische Themen gehörten. Offenbar fand er daran besonderen Gefallen und wählte später immer wieder Themen aus dieser Schatztruhe, besonders bei seinen großformatigen "offiziellen" Gemälden. Die kunsthistorische Bedeutung des Bildes jedoch liegt vor allem in dessen Entstehungszeit 1912, als der französische Kubismus durch eine große Ausstellung in Deutschland bekannt wurde und Bechtejeff, Franz Marc und August Macke sich sofort von der neuen Stilrichtung inspirieren ließen. Die unterschiedliche Malweise zwischen Bechtejeffs "Rossebändiger" (Lenbachhaus München, Kat. Murnau, S. 93) und der kurz darauf entstandenen "Leda" ist offensichtlich: statt fließender, ungestümer Bewegung nun eine Stilisierung auf härtere kubistische Art – nicht nur die Berge und Felsen, sondern sogar die Meereswellen erscheinen als kantige und gezackte Formen. Allein Ledas Schönheit bleibt unversehrt, Picasso-artige Deformationen des menschlichen Körpers kämen für den feinsinnigen Ästheten Bechtejeff nicht in Frage. Ledas Gestalt mit dem sie umschmeichelnden Schwan hat er also noch auf seine typische Weise als "Linienornament" behandelt, dem Jugendstil und der Cloisonné-Technik verpflichtet, nur ein wenig rigider als wir dies von seinen früheren Bildern kennen, zum Beispiel in "Zwei badende Frauen" von 1910 (Museum Abteiberg, Mönchengladbach, Kat. Murnau, S. 80). Das Gemälde "Leda" stellt zweifellos einen wichtigen Meilenstein dar zwischen dem "Rossebändiger", 1912, und der "Diana auf der Jagd", 1912/13, (Staatsgalerie Stuttgart, Kat. Murnau, S. 91). Das "Selbstporträt als Harlekin" von 1914-1916 (Coll. of Boris and Marina Molchanov, Kat. Murnau, S. 101) dagegen ist schon eine Stufe weiter, als der Künstler die kubistische Methode weiterentwickelt hat.
1902–1914 – Zur zentralen Bedeutung der Münchner Jahre in Bechtejeffs Schaffen
Von der Bedeutung Bechtejeffs in seiner Münchener Zeit von 1902 bis 1914 zeugen noch seine Bilder in mehreren deutschen Museen; das Gemälde "Rossebändiger" zum Beispiel hängt seit den 1960er Jahren im Lenbachhaus München und ist in vielen Publikationen zur expressionistischen Epoche abgebildet. Folgendes positives Kollegenurteil von Franz Marc aus dem Jahr 1910 ist nur eine von mehreren wertschätzenden Aussagen:
"Der bedeutendste der 'Neuen Münchener Künstlervereinigung' scheint mir bei weitem Wladimir von Bechtejeff zu sein. Er hat erreicht, wonach Marées vergebens gerungen hat, was Feuerbach versagt blieb. Beide suchten mit den ganz ausgezogenen Mitteln der Renaissance Menschen darzustellen, ohne daß sie es wagten, ihn als Linienornament in ihre ornamentalen Kompositionen einzufügen. Die Sicherheit der großen Linie in Form und Gruppierung, die Feinheit der Farben Bechtejeffs übertreffen weitaus die Versuche Feuerbachs und Trübners in demselben Problem."
Ein anderer Kollege, Adolf Erbslöh, der nach Kandinsky den Vorsitz der Vereinigung übernahm, hat sofort von Bechtejeff gekauft und sein Haus bald mit einem monumentalen Wandbild, weiteren Gemälden sowie einer Bronze-Frauenstatue des Freundes ausgestattet. Jawlensky sah den jüngeren Landsmann als "Naturtalent", nahm ihn in seine Obhut und empfahl ihn weiter an den Pädagogen Knirr, um die in Moskau begonnene, in Venedig und bei Cormon in Paris weitergeführte Ausbildung abzuschließen. Der bedeutende Kunsthistoriker Richard Reiche urteilte 1912:
"Es ist uns Pflicht und Freude, [..] den überragenden geistigen und künstlerischen Anteil der russischen Künstler Münchens an der Gründung und dem Erfolg der damals entstandenen 'Neuen Künstlervereinigung' zu bezeugen. [..] Bechtejeff und die Baronin Werefkin waren starke Elemente dieses Bundes."
Wichtige und häufige Ausstellungsbeteiligungen sowie Bildverkäufe bis 1914 sprechen ebenfalls für Bechtejeffs Rang in der damaligen deutschen Kunstszene.
Erster Weltkrieg und Rückkehr nach Russland – Bechtejeffs Rückzug in die grafischen Künste
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war vorerst Schluss mit innovativer Malerei. Als Russe musste Bechtejeff Deutschland sofort verlassen, natürlich unter Zurücklassung zahlreicher Bilder, die hin und wieder im Kunsthandel auftauchen. In Moskau wurde er als ehemaliger Kavallerist sofort in die Armee eingegliedert, danach bald zum Staatlichen Zirkus "strafversetzt", wo er zu seinem Glück die Gelegenheit nutzen konnte, in Kostüm- und Szenenentwürfen seine Art von Kubismus weiterzuentwickeln. Eine Beteiligung an der Ausstellung "Vom Impressionismus zur ungegenständlichen Malerei", 1918/19, im Staatlichen Museum für Bildende Kunst in Moskau ist bezeugt. Leider dauerte diese Epoche des künstlerischen Aufbruchs der russischen Avantgarde nur wenige Jahre. Als adliger Großgrunderbe, mit einer ebenfalls adligen Ehefrau, wurde Bechtejeff für acht Jahre nach Sibirien verbannt. In dieser Zeit half ihm sicher, wenigstens zeichnen zu dürfen: nun aber in feiner "naturalistischer" Manier, denn Abstraktion war bekanntlich verboten. Seine Meisterschaft als Grafiker fand schließlich offizielle Anerkennung, und zurück in Moskau erlangte er bald großen Ruhm als Illustrator von etwa 120 Büchern. Seine Zeichnungen und Aquarelle wurden auch öfter in russischen Museen ausgestellt.
Zur kunsthistorischen Würdigung von Bechtejeffs hochkarätigem Frühwerk
Und heute? Wiederentdeckt, auch in Russland, wo der Mangel an frühen Werken nun sehr bedauert wird. Die Zäsur durch den Weltkrieg und die Spaltung von West und Ost konnte nie mehr überbrückt werden, auch wenn die Zahl von über 60 Ausstellungsbeteiligungen und 200 Katalogen und Artikeln in Deutschland, aber überwiegend in Russland (s. Ildar Galeyev, 2005) keinen Zweifel an der Bedeutung Bechtejeffs aufkommen lässt. In Deutschland ist 2018 endlich eine große Einzelausstellung im Murnauer Schlossmuseum gelungen, mit schönem Katalog, in welchem das große, vielseitige Talent Bechtejeffs eindrucksvoll dokumentiert ist.
Jelena Hahl-Fontaine (vormals Hahl-Koch), Dr. phil. in Kunstgeschichte und Slawistik, ehem. Kuratorin am Lenbachhaus München, hat Bechtejeff noch in den 1960er Jahren in Moskau besucht und interviewt. Seither forscht und publiziert sie zu Bechtejeff, Kandinsky und der Kunst des "Blauen Reiters".
Zur Provenienz – In Barmen und Dresden
Bechtejeffs "Leda" ist nicht nur ein künstlerisch faszinierendes Werk, sondern hat auch eine faszinierende Geschichte. Schon bald nach seiner Entstehung 1912 wird das fast mannshohe Bild nach Barmen geschickt. Der dortige Kunstverein ist unter Richart Reiche zu einem vibrierenden Zentrum der Moderne geworden. Im Dezember 1912 beteiligt sich Bechtejeff hier an einer Ausstellung von 41 Werken der expressionistischen "Neuen Künstlervereinigung München" (N.K.V.M.), der Keimzelle des "Blauen Reiters". Und wie der Zufall es will, stellt gleichzeitig auch der Düsseldorfer Sammler und "Kunstmaler" Werner Dücker (1887-1945, gest. in Kriegsgefangenschaft) seine herausragende Sammlung in Barmen aus. Gezeigt werden 18 Gemälde und eine Skulptur von französischen Künstlern wie Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Paul Gauguin, aber auch von so herausragenden deutschen Malern wie Franz Marc, Alexej von Jawlensky und, nicht zuletzt, Wladimir von Bechtejeff. Auch wenn beide Ausstellungen ohne Katalog blieben, kann man sich doch lebhaft vorstellen, dass Dücker bei seinen Streifzügen durch die Ausstellungsräume in der "N.K.V.M."-Abteilung das große Gemälde "Leda" entdeckt haben wird. Denn vom Kunstverein Barmen kauft er das Bild wenig später, wie in den Geschäftsbüchern vermerkt ist.
Im Januar 1914 präsentiert die Dresdner Galerie Arnold das Werk schließlich auf der von Richart Reiche organisierten, wichtigen Ausstellung "Die neue Malerei", der ersten größeren Expressionisten-Schau in Dresden. Leihgeber ist Werner Dücker, der seine "Leda" im Katalog als unverkäuflich markieren lässt.
Ein faszinierender Sammler
Der Sammler Werner Dücker, ein katholischer Rheinländer, war, soweit die spärlichen Quellen darüber Auskunft geben, eine schillernde Figur: wohlhabend und weltgewandt, fortschrittlich und frei. Eine enge Freundschaft verbindet Dücker und seine Frau, die Bildhauerin Marta Zahn, mit Richard Schultz, der beide mit der lebendigen Homosexuellenszene Berlins in Kontakt bringt (zum Folgenden Karl-Heinz Steinle, der literarische Salon bei Richard Schultz, Berlin 2002). Der Freundeskreis trifft sich zu literarischen Salons, frönt der Freikörperkultur mit der FKK-Koryphäe Adolf Koch, besucht die legendäre "Westend-Klause" bei Wirt Walter Franke. Von dieser Modernität, sexuellen Freiheit und Offenheit fühlt sich Werner Dücker offenbar intensiv angezogen. Und auch Bechtejeffs "Leda mit dem Schwan" ist ein Bild mit deutlicher sexueller Aufladung und einer so eleganten wie prägnanten Erotik. Es erstaunt nicht, dass gerade Werner Dücker bereit war, 1913 die beträchtliche Summe von 1650 Mark für das Werk auszugeben.
Allzu lange aber kann Dücker sich wohl nicht an seiner "Leda" erfreuen. 1923 verliert er in der Inflation sein gesamtes Vermögen. Marta eröffnet daraufhin einen Modesalon, um etwas mehr Geld zu verdienen als mit der Bildhauerei, und die hochbedeutende Kunstsammlung muss verkauft werden. Richard Schultz übernimmt einige Werke von seinem Freund Dücker – doch ein Hinweis auf "Leda" ist im Nachlass von Schultz nicht auszumachen. Erst vor wenigen Jahrzehnten taucht Bechtejeffs Meisterwerk, als solches unerkannt, in einer Privatsammlung wieder auf. [AT]
203
Wladimir Georgiewitsch von Bechtejeff
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