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213
Emil Nolde
Buchsbaumgarten, 1909.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 1.200.000 Ergebnis:
€ 2.185.000 (inklusive Aufgeld)
Buchsbaumgarten. 1909.
Öl auf Leinwand.
Urban 295. Rechts unten signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen signiert und betitelt. 63 x 78 cm (24,8 x 30,7 in).
1910 und 1930 in der Handliste vermerkt.
Das Gemälde wird in einem Brief zwischen Nolde und Gosebruch vom 8. Dezember 1910 erwähnt. [SM].
• "Buchsbaumgarten" ist Zeitzeugnis der wechselvollen deutschen Geschichte mit all ihrer Dramaturgie: das Werk eines mit den Ideologien der Zeit sympathisierenden Künstlers, erworben von einem jüdischen Sammler, dessen dramatische Historie nun in einer einvernehmlichen Restitution ihre Vollendung findet.
• Das farbenprächtige Gemälde "Buchsbaumgarten" gehört zu den Weichen stellenden Werken für Noldes zukünftige expressionistische Malerei, hier findet der Künstler seinen Weg zur Farbe.
• Die Arbeiten Noldes dieser Zeit werden gleich in ihrer musealen Qualität erkannt und direkt nach ihrer Entstehung von den führenden deutschen Museen erworben.
• Ernst Gosebruch, Avantgarde-Visionär und Museumsdirektor in Essen, erwirbt das Werk direkt vom Künstler für seine private Sammlung.
Dr. Mario von Lüttichau berät Sie umfassend und exklusiv:
m.luettichau@kettererkunst.de
+49(0) 170 28 69 085.
PROVENIENZ: Sammlung Dr. Ernst Gosebruch, Essen (1910/11 direkt vom Künstler erworben, bis mindestens 1. Januar 1921, wohl bis März 1925).
Wohl Galerie Neue Kunst Fides, Dresden (im März 1925 vom Vorgenannten erworben oder in Kommission genommen).
Sammlung Dr. Ismar Littmann, Breslau (seit spätestens 1930, bis 23. September 1934).
Aus dem Nachlass von Dr. Ismar Littmann, Breslau (am 23. September 1934 durch Erbschaft von Dr. Ismar Littmann, bis 26./27. Februar 1935: Auktion Max Perl, Berlin).
Dr. Heinrich Arnhold, Dresden (am 26./27. Februar 1935 über Max Perl vom Vorgenannten erworben, bis 10. Oktober 1935).
Elise (Lisa) Arnhold, Dresden/Zürich/New York (am 10. Oktober 1935 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 29./30. Mai 1956: Auktion Stuttgarter Kunstkabinett).
Städtisches Kunstmuseum, Duisburg, heute Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg (am 29./30. Mai 1956 über das Stuttgarter Kunstkabinett von Vorgenannter erworben, bis 2021).
Restitution an die Erben nach Dr. Ismar Littmann, Breslau (2021).
AUSSTELLUNG: Kunstgewerbemuseum Flensburg, 1909.
Essener Kunstverein, April 1910.
Kunstverein Jena, Juni 1910.
Galerie Commeter, Hamburg, 1910.
Emil Nolde, Musée des Beaux-Arts, Lyon, 1969, Nr. 5.
Grupa "Die Brücke", Muzeum Narodowe, Wroclaw/Breslau, 1978, Nr. 23. (Abb. S. 106).
German Expressionists, Hermitage, Leningrad, 1981, Nr. 81.
Brücke. Die Geburt des deutschen Expressionismus, Brücke-Museum, Berlin, 1.10.2005-15.1.2006, in Kooperation mit dem Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, der Fundacion Caja Madrid und des Museu Nacional d’Art de Catalunya, Barcelona, Nr. 53 (mit Farbabb.).
LITERATUR: Stefan Koldehoff, Falscher Stolz. Das Lehmbruck-Museum hat jüdische Erben zu lange hingehalten, in: Art 10 (2021), S. 122, mit Farbabb.
Glänzende Aussichten, in: Art 10 (2021), Artplus Auktionen, S. 149f., mit Farbabb.
Stefan Koldehoff, Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst und der Fall Gurlitt, Köln 2014, S. 209-213.
Gesa Jeuthe, Kunstwerte im Wandel. Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925 bis 1955, Berlin 2011, S. 315f.
Michael Anton, Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht, Bd. 1, Berlin u. a. 2010, S. 459-464.
Sylvain Amic (Hrsg.), Emil Nolde, Begleitbuch zur Ausstellung der Réunion des Musées Nationaux, Paris 2008, S. 112f. mit Farbabb.
Jutta Hülsewig-Johnen (Hrsg.), Emil Nolde, Begegnung mit dem Nordischen. Bielefeld 2008, Farbabb. S. 29.
Anja Heuß, Die Sammlung Littmann und die Aktion „Entartete Kunst“, in: Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute, Begleitbuch zur Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Frankfurt am Main, Göttingen 2008, S. 68-74, hier S. 74.
Gunnar Schnabel und Monika Tatzkow, Nazi looted art. Handbuch Kunstrestitution weltweit, Berlin 2007, S. 262-264.
Sabine Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz. Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, Berlin 2007, S. 5-7.
Hannes Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung. Die Restitution der Beute- und Raubkunst im Kollisions- und Völkerrecht, Berlin 2005, S. 181f.
Mario-Andreas von Lüttichau, „Sonst war Herr Gosebruch sehr nett und gut“. Carl Hagemann, Ernst Gosebruch und das Museum Folkwang, in: Eva Mongi-Vollmer (Hrsg.), Künstler der Brücke in der Sammlung Hagemann. Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff, Nolde, Ostfildern-Ruit 2004, S. 145-153, hier S. 150.
Stefan Koldehoff, Wem gehört Noldes Garten?, in: Die Zeit, Nr. 29, 10.7.2003.
Peter Raue, Summum ius summa iniuria - Geraubtes jüdisches Kultureigentum auf dem Prüfstand des Juristen, in: Andreas Blühm und Andrea Baresel-Brand (Hrsg.), Museen im Zwielicht, Ankaufspolitik 1933-1945, Magdeburg 2007, S. 289f.
Christoph Brockhaus, Zum Restitutionsgesuch der Erbengemeinschaft Dr. Ismar Littmann für das Ölbild "Buchsbaumgarten" (1909) von Emil Nolde, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (Hrsg.), Beiträge öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz, Magdeburg 2001, S. 78-89 mit Farbabb.
Stefan Koldehoff, „Juristisch wie moralisch einwandfrei erworben“, in: Art 6 (2000), S. 121, mit Farbabb.
Christoph Brockhaus (Hrsg.), Gemälde. Bestandskatalog des Wilhelm-Lehmbruck-Museum der Stadt Duisburg, 2. Auflage, Duisburg 1999, S. 42.
Lothar-Günther Buchheim, Die Künstlergemeinschaft Brücke, Feldafing 1956, S. 337, Abb. 369, S. 401.
Stuttgarter Kunstkabinett, Moderne Kunst. Gemälde, Handzeichnungen, Graphik, Plastik, 24. Auktion am 29./30.5.1956, Los 944, mit Abb.
Max Perl, Bücher des 15.-20. Jahrhundert (..), Gemälde, Aquarelle, Handzeichnungen, Graphik, Kunstgewerbe, Plastik, Versteigerung am 26.-28. Februar 1935 (Katalog-Nr. 188), Los 2556.
Ferdinand Möller an Antonie Kirchhoff, Typoskript, 7.2.1935 (Nachlass Ferdinand Moller, Berlinische Galerie, BG-GFM-C,II 1,481-1,511).
Helcia Täubler an Hans Littmann, Typoskript, 16.1.1935 (Getty Research Institute - Special Collections, Wilhelm Arntz papers, box 17, folder 26-28).
Bernhard Stephan, Inventar der Sammlung Littmann ("Großes Buch"): "Blumengarten".
Öl auf Leinwand.
Urban 295. Rechts unten signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen signiert und betitelt. 63 x 78 cm (24,8 x 30,7 in).
1910 und 1930 in der Handliste vermerkt.
Das Gemälde wird in einem Brief zwischen Nolde und Gosebruch vom 8. Dezember 1910 erwähnt. [SM].
• "Buchsbaumgarten" ist Zeitzeugnis der wechselvollen deutschen Geschichte mit all ihrer Dramaturgie: das Werk eines mit den Ideologien der Zeit sympathisierenden Künstlers, erworben von einem jüdischen Sammler, dessen dramatische Historie nun in einer einvernehmlichen Restitution ihre Vollendung findet.
• Das farbenprächtige Gemälde "Buchsbaumgarten" gehört zu den Weichen stellenden Werken für Noldes zukünftige expressionistische Malerei, hier findet der Künstler seinen Weg zur Farbe.
• Die Arbeiten Noldes dieser Zeit werden gleich in ihrer musealen Qualität erkannt und direkt nach ihrer Entstehung von den führenden deutschen Museen erworben.
• Ernst Gosebruch, Avantgarde-Visionär und Museumsdirektor in Essen, erwirbt das Werk direkt vom Künstler für seine private Sammlung.
Dr. Mario von Lüttichau berät Sie umfassend und exklusiv:
m.luettichau@kettererkunst.de
+49(0) 170 28 69 085.
PROVENIENZ: Sammlung Dr. Ernst Gosebruch, Essen (1910/11 direkt vom Künstler erworben, bis mindestens 1. Januar 1921, wohl bis März 1925).
Wohl Galerie Neue Kunst Fides, Dresden (im März 1925 vom Vorgenannten erworben oder in Kommission genommen).
Sammlung Dr. Ismar Littmann, Breslau (seit spätestens 1930, bis 23. September 1934).
Aus dem Nachlass von Dr. Ismar Littmann, Breslau (am 23. September 1934 durch Erbschaft von Dr. Ismar Littmann, bis 26./27. Februar 1935: Auktion Max Perl, Berlin).
Dr. Heinrich Arnhold, Dresden (am 26./27. Februar 1935 über Max Perl vom Vorgenannten erworben, bis 10. Oktober 1935).
Elise (Lisa) Arnhold, Dresden/Zürich/New York (am 10. Oktober 1935 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 29./30. Mai 1956: Auktion Stuttgarter Kunstkabinett).
Städtisches Kunstmuseum, Duisburg, heute Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg (am 29./30. Mai 1956 über das Stuttgarter Kunstkabinett von Vorgenannter erworben, bis 2021).
Restitution an die Erben nach Dr. Ismar Littmann, Breslau (2021).
AUSSTELLUNG: Kunstgewerbemuseum Flensburg, 1909.
Essener Kunstverein, April 1910.
Kunstverein Jena, Juni 1910.
Galerie Commeter, Hamburg, 1910.
Emil Nolde, Musée des Beaux-Arts, Lyon, 1969, Nr. 5.
Grupa "Die Brücke", Muzeum Narodowe, Wroclaw/Breslau, 1978, Nr. 23. (Abb. S. 106).
German Expressionists, Hermitage, Leningrad, 1981, Nr. 81.
Brücke. Die Geburt des deutschen Expressionismus, Brücke-Museum, Berlin, 1.10.2005-15.1.2006, in Kooperation mit dem Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, der Fundacion Caja Madrid und des Museu Nacional d’Art de Catalunya, Barcelona, Nr. 53 (mit Farbabb.).
LITERATUR: Stefan Koldehoff, Falscher Stolz. Das Lehmbruck-Museum hat jüdische Erben zu lange hingehalten, in: Art 10 (2021), S. 122, mit Farbabb.
Glänzende Aussichten, in: Art 10 (2021), Artplus Auktionen, S. 149f., mit Farbabb.
Stefan Koldehoff, Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst und der Fall Gurlitt, Köln 2014, S. 209-213.
Gesa Jeuthe, Kunstwerte im Wandel. Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925 bis 1955, Berlin 2011, S. 315f.
Michael Anton, Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht, Bd. 1, Berlin u. a. 2010, S. 459-464.
Sylvain Amic (Hrsg.), Emil Nolde, Begleitbuch zur Ausstellung der Réunion des Musées Nationaux, Paris 2008, S. 112f. mit Farbabb.
Jutta Hülsewig-Johnen (Hrsg.), Emil Nolde, Begegnung mit dem Nordischen. Bielefeld 2008, Farbabb. S. 29.
Anja Heuß, Die Sammlung Littmann und die Aktion „Entartete Kunst“, in: Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute, Begleitbuch zur Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Frankfurt am Main, Göttingen 2008, S. 68-74, hier S. 74.
Gunnar Schnabel und Monika Tatzkow, Nazi looted art. Handbuch Kunstrestitution weltweit, Berlin 2007, S. 262-264.
Sabine Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz. Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, Berlin 2007, S. 5-7.
Hannes Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung. Die Restitution der Beute- und Raubkunst im Kollisions- und Völkerrecht, Berlin 2005, S. 181f.
Mario-Andreas von Lüttichau, „Sonst war Herr Gosebruch sehr nett und gut“. Carl Hagemann, Ernst Gosebruch und das Museum Folkwang, in: Eva Mongi-Vollmer (Hrsg.), Künstler der Brücke in der Sammlung Hagemann. Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff, Nolde, Ostfildern-Ruit 2004, S. 145-153, hier S. 150.
Stefan Koldehoff, Wem gehört Noldes Garten?, in: Die Zeit, Nr. 29, 10.7.2003.
Peter Raue, Summum ius summa iniuria - Geraubtes jüdisches Kultureigentum auf dem Prüfstand des Juristen, in: Andreas Blühm und Andrea Baresel-Brand (Hrsg.), Museen im Zwielicht, Ankaufspolitik 1933-1945, Magdeburg 2007, S. 289f.
Christoph Brockhaus, Zum Restitutionsgesuch der Erbengemeinschaft Dr. Ismar Littmann für das Ölbild "Buchsbaumgarten" (1909) von Emil Nolde, in: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (Hrsg.), Beiträge öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz, Magdeburg 2001, S. 78-89 mit Farbabb.
Stefan Koldehoff, „Juristisch wie moralisch einwandfrei erworben“, in: Art 6 (2000), S. 121, mit Farbabb.
Christoph Brockhaus (Hrsg.), Gemälde. Bestandskatalog des Wilhelm-Lehmbruck-Museum der Stadt Duisburg, 2. Auflage, Duisburg 1999, S. 42.
Lothar-Günther Buchheim, Die Künstlergemeinschaft Brücke, Feldafing 1956, S. 337, Abb. 369, S. 401.
Stuttgarter Kunstkabinett, Moderne Kunst. Gemälde, Handzeichnungen, Graphik, Plastik, 24. Auktion am 29./30.5.1956, Los 944, mit Abb.
Max Perl, Bücher des 15.-20. Jahrhundert (..), Gemälde, Aquarelle, Handzeichnungen, Graphik, Kunstgewerbe, Plastik, Versteigerung am 26.-28. Februar 1935 (Katalog-Nr. 188), Los 2556.
Ferdinand Möller an Antonie Kirchhoff, Typoskript, 7.2.1935 (Nachlass Ferdinand Moller, Berlinische Galerie, BG-GFM-C,II 1,481-1,511).
Helcia Täubler an Hans Littmann, Typoskript, 16.1.1935 (Getty Research Institute - Special Collections, Wilhelm Arntz papers, box 17, folder 26-28).
Bernhard Stephan, Inventar der Sammlung Littmann ("Großes Buch"): "Blumengarten".
Der Buchsbaumgarten
Die ab 1906 auf der Insel Alsen gemalten Blumenbilder von Emil Nolde bilden das großartige Farbfundament des Künstlers. Sowohl sein eigener, von Ada liebevoll angelegter Garten als auch die farbenprächtig inszenierten Beete in seiner Nachbarschaft, wie hier der Garten der Familie Burchard, zeigen üppig blühende, von Buchsbaumrabatten gerahmte Blumenbeete in leichter Aufsicht. Eng beieinander kauernd oder stehend in unterschiedlichen Farben, breitet sich auf dem Gemälde "Buchsbaumgarten" ein dichtes Blumenmeer aus, umsäumt von höheren, dicht drängenden Stauden, füllt wie ein ornamentaler Teppich das gesamte Format. Zwischen den von Buchsbaum gesäumten, organisch geformten Beeten verlaufen schmale Kieswege. Mithilfe der unruhig gesetzten Pinselstriche stellt Nolde die Vielfalt der unterschiedlichen Blumen mit ihren Blüten dar. Er wählt einen auffällig engen Bildausschnitt und verzichtet vollständig auf die Darstellung des Himmels. Die gebogenen Wege gliedern das Gemälde und lenken den Blick in die hinteren Bereiche des aufwendig und mit viel Empathie für die Natur gepflegten Gartens.
Die in dieser Zeit entstandenen Blumengemälde faszinieren und ziehen die Betrachtenden zweifellos in ihren Bann. Eine wohl fast gleichzeitig entstehende Gartenansicht, "Burchards Garten" von 1907, gehört zu den ersten Werken, die in die Sammlung eines öffentlichen Museums Eingang finden: Das Westfälische Landesmuseum erwirbt "Burchards Garten" ein Jahr nach seiner Entstehung. Noldes Werk orientiert sich hier in seiner vibrierenden Malweise zwar noch am Impressionismus, bereitet jedoch in der von Vincent van Gogh inspirierten Farbintensität den Durchbruch zu einer eigenständigen Bildsprache vor, bei der die Farbe zum dominanten Ausdrucksträger der Malerei wird. Im Februar 1906 luden die „Brücke“-Künstler den weit älteren Maler mit Erfolg ein, ihrer Künstlergruppe beizutreten. Karl Schmidt Rottluff besuchte ihn gleich mehrere Wochen auf Alsen, beide haben zeitweise zusammen gearbeitet. Doch schon Ende des folgenden Jahres verlässt Nolde, der viel für ihren Erfolg eingebracht hat, die Künstlergemeinschaft "Brücke". Die unverkennbar wahrzunehmende Veränderung in der Ausdruckskraft der Farbe ist vielleicht einer der wenigen Erfahrungschätze, die Nolde aus der für ihn persönlich bedrückenden Mitgliedschaft in der Künstlergemeinschaft „Brücke“ von Februar 1906 bis November 1907 behalten wird und das ausdrucksvolle Temperament seiner Bilder sichtbar verändert.
Im Jahr 1909, zeitgleich mit der Entstehung des farbenprächtigen Gemäldes "Buchsbaumgarten", erlangt Emil Nolde zunehmend künstlerische Anerkennung; so wird er aufgefordert, Mitglied der Berliner Secession zu werden. Gleichzeitig aber verändern sich auch die Lebensumstände und das Umfeld des Künstlers in dieser aufstrebenden, großen Metropole. Die Ereignisse bis zum Ersten Weltkrieg, die Nolde 1934 in seiner Selbstbiografie treffend mit "Jahre der Kämpfe" überschreiben wird, gestalten sich für den auf sich bezogenen, persönlich äußerst sensibel reagierenden Künstler immer aufreibender. Die Auseinandersetzungen mit den Künstlerkollegen und den Vorständen in den Verbänden, besonders in der von Max Liebermann, Lovis Corinth und Paul Cassirer dominierten Berliner Secession, sieht Nolde immer kritischer. Ein Höhepunkt bildet der Ausschluss von Werken zahlreicher Künstler durch die Jury der Secession, wodurch der Unmut und die Kritik an der Berliner Secession sich auf weite Kreise der Berliner Künstlerschaft ausdehnt und schließlich zur umgehenden Gründung der Neuen Secession führt. Die Jury hatte unter anderem Noldes ebenfalls 1909 gemaltes "Abendmahl" abgelehnt, mit dem der Künstler im selben Entstehungsjahr des vorliegenden Gemäldes "Buchsbaumgarten" einen weiteren Schwerpunkt in seinem Werk aufscheinen lässt: Noldes Auseinandersetzung mit religiösen Themen.
Einordnung des Gemäldes und seine Bedeutung im Gesamtwerk des Malers
von Prof. Dr. Manfred Reuther
Das Jahr 1909 war in Emil Noldes künstlerischer Entwicklung von außerordentlicher Bedeutung, führte es ihn in seinem Gestaltungswillen wie in seinem grundsätzlichen Ausdrucksverlangen, für ihn selbst zunächst überraschend, auf eine qualitativ neue Ebene. Unterschwellig hatte sich eine eigenwillige Bildsprache ausgebildet und innerlich gefestigt, die unversehens einen Durchbruch erfuhr und sich gleichsam rauschhaft in ersten Werken äußerte. Auffällige Veränderungen in seiner persönlichen Ausdrucksweise hatten sich schon früher angedeutet: etwa in dem Gemälde "Freigeist" von 1906, wie in den Jahren darauf in heftigen, erregten Tuschzeichnungen mit spontanen, durchdringenden Selbstbildnissen, mit turbulenten Tanzzeichnungen in einer Art "écriture automatique" oder den Aquarellen von Cospeda bei Jena unter Einbeziehung des Zufalls sowie der "Mitarbeit der Natur". Oft "habe ich [...] mit dem Gemalten mich selbst überrascht und zuweilen auch, wie bei dem 'Freigeist', über mich selbst hinaus geschaffen, wo ich das ganz Ungewollte erst später fassen konnte", bemerkt Nolde in seiner Autobiografie.
In diesem Sommer 1909 entstanden im Fischerdorf Ruttebüll nahe der Nordsee neben zahlreichen Bildern mit Landschaften und aus dem Landleben, mit weidenden Tieren und tanzenden Dorfkindern unvermittelt vier Gemälde mit biblischer Thematik in einer aufgebrachten Lebenssituation. "Mit Bildern 'Abendmahl' und 'Pfingsten' erfolgte", wie er in seiner Autobiografie festhält, "die Wende vom optisch äußerlichen Reiz zum empfundenen inneren Wert. Marksteine wurden sie, - wohl nicht nur in meinem Werk", ist er überzeugt. Zugleich beendet er die frühe Bildfolge mit dem Motiv der Bauerngärten seiner Nachbarn von Alsen. Eines der letzten Gemälde dieser Folge war der "Buchsbaumgarten" gleichsam als nachhaltiger Abschluss, der im Juni nebenan im Garten der befreundeten Nachbarfamilie Burchard entstanden ist, wie schon einige vergleichbare Gemälde in den Jahren zuvor. Der Garten war dem Maler vertraut, er kannte gut das Motiv und seine bildnerischen Möglichkeiten. Der Vordergrund ist fast greifbar nah von oben gesehen, die weitere Szenerie verliert sich im hellen Farbenlicht einer mehr ungewissen Tiefe. Schon bald hatten die frühen, farbenprächtigen Blumen- und Gartenbilder, bei denen Nolde meist einen eng begrenzten Ausschnitt und eine nahe Sichtweise bevorzugte, die Aufmerksamkeit der jungen "Brücke"-Künstler gefunden.
Über Jahre hatte Emil Nolde gemeinsam mit seiner dänischen Frau Ada Vilstrup an der Südseite der Insel dicht am Rand eines hohen Buchenwaldes ein kleines Fischerhaus gemietet und sich am nahen Ostseestrand aus Brettern ein Atelier errichtet. Von den Blumen und Gärten angeregt, hatte er, wie er gesteht, zur Farbe als seinem eigentlichen Ausdrucksmittel gefunden. "Es war auf Alsen mitten im Sommer. Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an und fast plötzlich war ich beim Malen", berichtet er in seiner Autobiografie. "Die blühenden Farben der Blumen und die Reinheit dieser Farben, ich liebte sie." Solche Äußerungen bezeugen zugleich sein inniges, ursprüngliches Verhältnis zur Natur, auch als wesentliches Moment für sein künstlerisches Schaffen. Die frühen Blumen- und Gartenbilder haben die Ausbildung seiner persönlichen Bildsprache entscheidend gefördert. Sie sind keineswegs als ein Nolde-avant-Nolde einzuordnen, vielmehr sind sie ein wesentlicher, authentischer Part von besonderem, originalen Rang in seinem Gesamtwerk. Unter dem Einfluss der Malerei von Vincent van Gogh und Paul Gauguin, dessen Werke er erstmals im Sommer 1905 nach der Rückkehr von seinem längeren Sizilien-Aufenthalt in einer Ausstellung in Weimar mit Begeisterung kennengelernt hatte, oder von dem höchst geschätzten Edvard Munch findet er zu einer aufgelösten, dynamischen Malweise, die zeichnerische Elemente vernachlässigt. Die Farben werden unmittelbar mit lebhaften Pinselstrichen meist ungebrochen auf die Leinwand aufgetragen; dabei sollte das kontrollierende, abwägende Denken als störende Einflussnahme möglichst ausgeschaltet bleiben. "Je schneller mir ein Bild entstehen konnte", beschreibt er sein Vorgehen, "um so besser war es. Oft erst mehrere Anläufe gaben ein Resultat [...]." Das Bild entwickelt sich, wie auch die Gestaltung des "Buchsbaumgarten", ohne vorbereitende Skizzen oder Entwürfe im Malvorgang selbst und erwächst wie ein Naturereignis nahezu eigenständig aus der Farbe. "Ich wollte im Malen auch immer gern, dass die Farben durch mich als Maler auf der Leinwand sich so folgerichtig auswirkten, wie die Natur selbst ihre Gebilde schafft", erläutert er seine Schaffensweise. "Den Pinselstrich im Bild - die Handschrift - sah ich gern. Ganz nahe gesehen, wollte ich an Struktur und Reiz der Farben gleiche sinnliche Freude erleben wie in einiger Entfernung am Bild."
Nach der Rückkehr von der Südseereise 1913/1914 greift Nolde das Motiv der Gartenbilder wieder auf, teils mit Figuren, als er im Sommer 1915 die Familien seiner Geschwister im nahen Nordschleswig um Tondern besucht. Überall, wo Nolde sich niedergelassen hat, suchte er sein Umfeld zu gestalten und Blumengärten anzulegen: als er die Insel Alsen verlässt und an die Nordseeküste nahe Ruttebüll zieht, am Deichhang vor seinem Haus Utenwarf, und schließlich weit eigenwilliger, großzügiger und reicher in Seebüll, verbunden mit seinem Wohn- und Atelierhaus zu einem Gesamtkunstwerk.
Manfred Reuther kommt 1972 als wissenschaftlicher Assistent in die Ada und Emil Nolde Stiftung nach Seebüll, 1992 löst er Martin Urban als Direktor der Stiftung ab und steht dieser bis zu seinem Ruhestand 2012 vor. Er ist der weltweit anerkannte Experte für das Werk Emil Noldes.
Nolde und das Kunstmuseum in Essen
1907 inszeniert Karl Ernst Osthaus in seinem Museum Folkwang in Hagen die erste Ausstellung für Nolde. Auf seine Empfehlung wird auch die erste Ausstellung Noldes in Essen zurückzuführen sein, die Ernst Gosebruch 1910 mit Unterstützung des Essener Kunstvereins in den Räumen des Grillohauses im Zentrum der Stadt ausrichtet. Ernst Gosebruch ist mit Osthaus gut befreundet. Er teilt nicht nur die Vorlieben des privaten Sammlers für die Franzosen und die zeitgenössische deutsche Kunst, sondern als junger Direktor der seit 1906 bestehenden Essener Kunstsammlung entwickelt sich Gosebruch neben Osthaus auch zu einem der fortschrittlichsten und vor allem der neuen Kunst des Expressionismus gegenüber aufgeschlossenen Museumsleiter in Deutschland. Im Gosebruch besucht Nolde in Alsen, um die Präsentation in Essen vorzubereiten. "Drei meiner schönsten Ausstellungen sind im Essener Kunstverein und im Museum Folkwang gewesen", so Nolde in seiner Selbstbiografie "Jahre der Kämpfe". "Ernst Gosebruch besonders früh schon schätzte meine Kunst. Im Alsener Waldhaus besuchte er uns. Er schlief in der Enge des Raumes mit dem [Christus in] Bethanienbild, mit seiner Sonntagsruhe hochsteigend vor seinen Füßen. In der Morgenstunde es lange anschauend, sagte er uns nachher besonders schöne Worte. Wir immer liebten den einsichtigen, künstlerfreundlichen Menschen, der nichts Äußerliches in Kunst und Ansehen erstrebte, aber tatenvollster Museumsleiter geworden war. Für seine schöne Folkwangsammlung hätte Karl Ernst Osthaus keinen feinsinnigeren Nachfolger erhalten können" (Emil Nolde, Mein Leben, Köln 1993, S. 223). Und Gosebruch ist entschlossen, auch den "Buchsbaumgarten" neben weiteren Blumenbildern, Landschaften und zum ersten Mal auch Gemälde mit religiösen Themen in Essen zu zeigen.
Die Ausstellung eröffnet am 3. April 1910 und sorgt für einigen Wirbel. Das Essener Publikum, offensichtlich noch nicht an diese farbsprühende Malerei gewöhnt, schätzt beziehungsweise toleriert allenfalls die gediegene Moderne des regionalen deutschen Impressionismus. "Es sind neue, für Essen gänzlich unerhörte Wege, die dieser merkwürdige Künstler geht. Allein, er geht sie mit einer Kraft und Freudigkeit, welche die Kunstfreunde unserer Stadt aufs tiefste bewegt", schreibt Gosebruch am 21. April an einen Mäzen des Museums (Emil Nolde. Ausstellungen in Essen, Essen 1967, S. 10). "Wie herrlich hingen damals in dem traulichen Sälchen, das wir hoch oben im Seitenflügel nach der Surmanngasse für die bescheidene Veranstaltung eingerichtet hatten", so Gosebruch 1927 in seiner Eröffnungsrede für Nolde, "die leuchtenden Blumenbeete unseres Freundes und seine von frischem Wind gekräuselten Meerbilder, auf denen die Lichtreflexe lustig wie bunte Eierschalen einhersegelten! Aber zwischen ihnen thronte in unnennbarer Hoheit das Abendmahlbild mit dem wundersamen Christus, der unter allen Heilandsdarstellungen der neueren Kunst sicherlich die tiefste, gnadenbringendste ist." (Ernst Gosebruch, in: Emil Nolde, Ausst.-Kat. Essen 1927, S. 4) Gosebruch nimmt, wie schon Osthaus in Hagen, die Ausstellung in Essen 1910 zum Anlass, sich mit dem Ankauf eines Gemäldes für die Sammlung zu beschäftigen und bei dieser Gelegenheit auch für sich persönlich ein Werk des Künstlers zu erwerben. In einem Brief ohne Datum, wohl von April/Mai 1910, schreibt Ada Nolde an Gosebruch, der wohl um eine Entscheidung der Wahl ringt: "Ich würde von den Bildern den Buxbaumgarten [sic] für’s Museum wählen. Ihre Einwendungen gegen die gelbe Frau finde ich unrecht, u. Sie selbst würden sie auch nicht empfinden, wenn Sie das Bild allein hätten. Diese stillstehende Hitze", so fährt Ada Nolde fort, "die im Bilde dargestellt ist, verlangt eine ganz andere Technik als z. B. Grobers Bild, wo alle die verschiedenen Blumen u. Farben nebeneinander flimmern. Ebenso mit dem Stiefmütterchenbild. Es ist schlicht u. stark, brilliert nicht in der Gesellschaft, hat Eigenschaften, die man suchen u. um die man werben muß, u. ist deshalb nicht weniger wertvoll." Gosebruch entscheidet, das "Stiefmütterchenbild" für das junge Kunstmuseum zu erwerben und den "Buchsbaumgarten" für sich zu reservieren, denn in einem weiteren Schreiben vom 9. Mai 1910 an Gosebruch bestätigt Ada Nolde: "Wir sind ja nicht pedantisch u. für 1000 M. soll das Museum das Bild haben. Ihr Bild wollen wir gern für die Ausst. in Jena mithaben .... Am 1. Juni spätestens sind die Bilder nach Jena versprochen." Und ein paar Tage später, am 27. Mai 1910, schreibt nun Emil Nolde an Gosebruch aus Weißernhof, wo sich seine Frau erneut zur Kur aufhält: "Wir freuen uns zu wissen, daß das Stiefmütterchenbild in Ihrem Museum bleibt. Es ist wie ein erleichterndes Aufatmen, wenn man weiß, daß ein liebes Bild einen guten Platz gefunden hat". 1915 wird Gosebruch "Blumengarten. Stiefmütterchen", so der korrekte Titel, bei Nolde gegen das im selben Jahr entstandene Gemälde "Blumengarten H mit Maria" tauschen, noch heute in der Essener Sammlung. Die Bezahlung in Höhe von 900 Mark für den "Buchsbaumgarten" erfolgt erst Anfang Januar 1911. Ada Nolde war im Preis Gosebruch nochmals entgegengekommen und bat auch eindringlich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Das Gemälde "Buchsbaumgarten", um das es hier geht, erwirbt Gosebruch trotz anfänglicher Zweifel dann doch für sich persönlich. In einem Neujahrsbrief vom 1. Januar 1921 teilt Gosebruch Nolde mit, dass er aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf des Bildes in Erwägung ziehe, aber doch vorerst Abstand nehmen würde. Im März 1925 allerdings, so ein Hinweis in der Nolde-Gosebruch-Korrespondenz, schickt Gosebruch ein Gemälde, vermutlich ist es der "Buchsbaumgarten", zu Rudolf Probst, Galerie Neue Kunst Fides, nach Dresden. Könnte Ismar Littmann, dessen Kontakte nach Dresden bekannt sind, das Werk bei Probst gekauft haben? In jedem Fall wird der "Buchsbaumgarten" 1930 in seinem Sammlungsinventar erfasst. Dieses berühmte "Große Buch", das der Kunsthistoriker Bernhard Stephan 1930 erstellt hat, enthält nicht weniger als 347 Ölgemälde und Aquarelle – auch das hier präsentierte Gemälde "Buchsbaumgarten".
Dr. Ismar Littmann. Der Sammler
Der Breslauer Rechtsanwalt und Notar Dr. Ismar Littmann gehört zu den aktivsten und bedeutendsten Sammlern der Kunst des deutschen Expressionismus. Als Kaufmannssohn am 2. Juli 1878 im oberschlesischen Groß Strehlitz geboren, lässt er sich 1906 als promovierter Rechtswissenschaftler in Breslau nieder, wo er wenig später Käthe Fränkel zur Frau nimmt. Als Rechtsanwalt wird Ismar Littmann beim Landgericht zugelassen. Er führt schon bald seine eigene Kanzlei, später gemeinsam mit seinem Kompagnon Max Loewe, und wird 1921 zum Notar erhoben.
Der wohlhabende Jurist Dr. Ismar Littmann ist ein großzügiger Mäzen und Förderer der modernen, progressiven Kunst. Sein großes Engagement gilt insbesondere zeitgenössischen Künstlern aus dem Umfeld der Akademie der Bildenden Künste in Breslau, wie etwa dem "Brücke"-Maler und Akademieprofessor Otto Mueller. Sprichwörtlich ist heute die "Breslauer Künstlerbohème", die Ismar Littmann als Sammler und Mäzen prägt, fördert und begleitet.
Ab den späten 1910er Jahren beginnt Dr. Ismar Littmann, seine bald berühmt gewordene Kunstsammlung aufzubauen. Die Sammlung Littmann umfasst Werke namhafter deutscher Künstler des Impressionismus und Expressionismus, darunter Otto Mueller, Käthe Kollwitz, Emil Nolde, Max Pechstein, Alexander Kanoldt und Lovis Corinth. Zu einigen der Genannten hat Littmann auch eine enge persönliche Verbindung. Erst die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 setzt einer weiteren Fortführung der Sammelleidenschaft ein Ende. Fast 6.000 bedeutende Kunstwerke, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafik ebenso wie Gemälde, hat Littmann bis dahin zusammengetragen.
Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten bringt jedoch den jähen Wandel. Früh und mit ganzer Härte setzt die Verfolgung des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Ismar Littmann ein. Seine Berufsgruppe zählt zu den ersten, die die Nationalsozialisten wirtschaftlich und gesellschaftlich vernichten wollen. Bereits ab dem Frühjahr 1933 ist es weder Dr. Ismar Littmann selbst noch seinen Kindern mehr möglich, ihren Berufen nachzugehen. Seiner Lebensgrundlage und Lebensfreude beraubt, steht Ismar Littmann vor den Trümmern einer glanzvollen Existenz. Tiefe Verzweiflung treibt ihn am 23. September 1934 in den Selbstmord. Ismar Littmann lässt seine Witwe Käthe sowie vier gemeinsame Kinder zurück. Mit Glück können die Überlebenden später aus der nationalsozialistischen Diktatur fliehen.
Um die Flucht finanzieren und den Lebensunterhalt bestreiten zu können, muss die Familie Littmann Teile der bedeutenden Kunstsammlung verkaufen. Im Berliner Auktionshaus Max Perl werden am 26. und 27. Februar 1935 rund 200 Werke der Sammlung Littmann innerhalb einer Sammelauktion angeboten. Darunter findet sich auch Emil Noldes "Buchsbaumgarten".
Die Auktion bei Perl steht unter keinem guten Stern. Die Diskussion um die sogenannte "entartete Kunst" flammt bereits auf. 64 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen, darunter auch 18 Kunstwerke aus der Sammlung Littmann, werden noch vor der Auktion von der Gestapo als Beispiele "kulturbolschewistischer Tendenz" beschlagnahmt und im Jahr darauf der Berliner Nationalgalerie zugesandt. Deren damaliger Direktor Eberhard Hanfstaengl nimmt einige Werke als "Zeitdokumente" in Aufbewahrung und lässt den Rest auf Anordnung der Gestapo am 23. März 1936 in der Heizung des Kronprinzenpalais verbrennen. (Vgl. Annegret Janda, Das Schicksal einer Sammlung, 1986, S. 69) 1937 werden die von Hanfstaengl ‚geretteten‘ Werke ein weiteres Mal beschlagnahmt und mit der Ausstellung "Entartete Kunst" in München als Besitz "Nationalgalerie Berlin" diffamiert.
Emil Noldes Gemälde "Buchsbaumgarten" bleibt von diesem Schicksal verschont. Die Gestapo beschlagnahmt das Gemälde nicht, es kommt bei Max Perl zum Aufruf. Das im Katalog auf 800 Reichsmark geschätzte Werk wechselt im Februar 1935 den Besitzer. Den Zuschlag erhält der Dresdner Bankier Dr. Heinrich Arnhold – nicht zur Schätzung, sondern zu einem Schleuderpreis von nur 350 Reichsmark, den die Witwe Littmann in ihrer Notlage akzeptieren muss. Auch Arnholds zählen zu den Verfolgten der NS-Diktatur, können den "Buchsbaumgarten" aber über diese Epoche retten. Lisa Arnhold selbst liefert das Gemälde 1956 im Stuttgarter Kunstkabinett ein, wo es der Duisburger Museumsdirektor Gerhard Händler für 3600 D-Mark ersteigert. (Stefan Koldehoff, Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst, Frankfurt a. M. 2009, S. 178ff.)
Die herausragende Provenienz des Gemäldes "Buchsbaumgarten" sorgt in der Vergangenheit auch im Kontext eines langjährigen Restitutionsbegehrens an des Lehmbruck Museum in Duisburg für großes internationales Aufsehen. 2021 kommt es in gegenseitigem Einvernehmen zu einer Rückgabevereinbarung zwischen dem Museum und den Erben nach Ismar Littmann: ein kraftvolles Signal für den verantwortungsbewussten Umgang mit Kunstwerken aus jüdischem Eigentum – und zugleich ein weiterer spannender Moment in der bewegten Geschichte eines ikonischen Gemäldes.
[Dr. Mario-Andreas von Lüttichau]
Die ab 1906 auf der Insel Alsen gemalten Blumenbilder von Emil Nolde bilden das großartige Farbfundament des Künstlers. Sowohl sein eigener, von Ada liebevoll angelegter Garten als auch die farbenprächtig inszenierten Beete in seiner Nachbarschaft, wie hier der Garten der Familie Burchard, zeigen üppig blühende, von Buchsbaumrabatten gerahmte Blumenbeete in leichter Aufsicht. Eng beieinander kauernd oder stehend in unterschiedlichen Farben, breitet sich auf dem Gemälde "Buchsbaumgarten" ein dichtes Blumenmeer aus, umsäumt von höheren, dicht drängenden Stauden, füllt wie ein ornamentaler Teppich das gesamte Format. Zwischen den von Buchsbaum gesäumten, organisch geformten Beeten verlaufen schmale Kieswege. Mithilfe der unruhig gesetzten Pinselstriche stellt Nolde die Vielfalt der unterschiedlichen Blumen mit ihren Blüten dar. Er wählt einen auffällig engen Bildausschnitt und verzichtet vollständig auf die Darstellung des Himmels. Die gebogenen Wege gliedern das Gemälde und lenken den Blick in die hinteren Bereiche des aufwendig und mit viel Empathie für die Natur gepflegten Gartens.
Die in dieser Zeit entstandenen Blumengemälde faszinieren und ziehen die Betrachtenden zweifellos in ihren Bann. Eine wohl fast gleichzeitig entstehende Gartenansicht, "Burchards Garten" von 1907, gehört zu den ersten Werken, die in die Sammlung eines öffentlichen Museums Eingang finden: Das Westfälische Landesmuseum erwirbt "Burchards Garten" ein Jahr nach seiner Entstehung. Noldes Werk orientiert sich hier in seiner vibrierenden Malweise zwar noch am Impressionismus, bereitet jedoch in der von Vincent van Gogh inspirierten Farbintensität den Durchbruch zu einer eigenständigen Bildsprache vor, bei der die Farbe zum dominanten Ausdrucksträger der Malerei wird. Im Februar 1906 luden die „Brücke“-Künstler den weit älteren Maler mit Erfolg ein, ihrer Künstlergruppe beizutreten. Karl Schmidt Rottluff besuchte ihn gleich mehrere Wochen auf Alsen, beide haben zeitweise zusammen gearbeitet. Doch schon Ende des folgenden Jahres verlässt Nolde, der viel für ihren Erfolg eingebracht hat, die Künstlergemeinschaft "Brücke". Die unverkennbar wahrzunehmende Veränderung in der Ausdruckskraft der Farbe ist vielleicht einer der wenigen Erfahrungschätze, die Nolde aus der für ihn persönlich bedrückenden Mitgliedschaft in der Künstlergemeinschaft „Brücke“ von Februar 1906 bis November 1907 behalten wird und das ausdrucksvolle Temperament seiner Bilder sichtbar verändert.
Im Jahr 1909, zeitgleich mit der Entstehung des farbenprächtigen Gemäldes "Buchsbaumgarten", erlangt Emil Nolde zunehmend künstlerische Anerkennung; so wird er aufgefordert, Mitglied der Berliner Secession zu werden. Gleichzeitig aber verändern sich auch die Lebensumstände und das Umfeld des Künstlers in dieser aufstrebenden, großen Metropole. Die Ereignisse bis zum Ersten Weltkrieg, die Nolde 1934 in seiner Selbstbiografie treffend mit "Jahre der Kämpfe" überschreiben wird, gestalten sich für den auf sich bezogenen, persönlich äußerst sensibel reagierenden Künstler immer aufreibender. Die Auseinandersetzungen mit den Künstlerkollegen und den Vorständen in den Verbänden, besonders in der von Max Liebermann, Lovis Corinth und Paul Cassirer dominierten Berliner Secession, sieht Nolde immer kritischer. Ein Höhepunkt bildet der Ausschluss von Werken zahlreicher Künstler durch die Jury der Secession, wodurch der Unmut und die Kritik an der Berliner Secession sich auf weite Kreise der Berliner Künstlerschaft ausdehnt und schließlich zur umgehenden Gründung der Neuen Secession führt. Die Jury hatte unter anderem Noldes ebenfalls 1909 gemaltes "Abendmahl" abgelehnt, mit dem der Künstler im selben Entstehungsjahr des vorliegenden Gemäldes "Buchsbaumgarten" einen weiteren Schwerpunkt in seinem Werk aufscheinen lässt: Noldes Auseinandersetzung mit religiösen Themen.
Einordnung des Gemäldes und seine Bedeutung im Gesamtwerk des Malers
von Prof. Dr. Manfred Reuther
Das Jahr 1909 war in Emil Noldes künstlerischer Entwicklung von außerordentlicher Bedeutung, führte es ihn in seinem Gestaltungswillen wie in seinem grundsätzlichen Ausdrucksverlangen, für ihn selbst zunächst überraschend, auf eine qualitativ neue Ebene. Unterschwellig hatte sich eine eigenwillige Bildsprache ausgebildet und innerlich gefestigt, die unversehens einen Durchbruch erfuhr und sich gleichsam rauschhaft in ersten Werken äußerte. Auffällige Veränderungen in seiner persönlichen Ausdrucksweise hatten sich schon früher angedeutet: etwa in dem Gemälde "Freigeist" von 1906, wie in den Jahren darauf in heftigen, erregten Tuschzeichnungen mit spontanen, durchdringenden Selbstbildnissen, mit turbulenten Tanzzeichnungen in einer Art "écriture automatique" oder den Aquarellen von Cospeda bei Jena unter Einbeziehung des Zufalls sowie der "Mitarbeit der Natur". Oft "habe ich [...] mit dem Gemalten mich selbst überrascht und zuweilen auch, wie bei dem 'Freigeist', über mich selbst hinaus geschaffen, wo ich das ganz Ungewollte erst später fassen konnte", bemerkt Nolde in seiner Autobiografie.
In diesem Sommer 1909 entstanden im Fischerdorf Ruttebüll nahe der Nordsee neben zahlreichen Bildern mit Landschaften und aus dem Landleben, mit weidenden Tieren und tanzenden Dorfkindern unvermittelt vier Gemälde mit biblischer Thematik in einer aufgebrachten Lebenssituation. "Mit Bildern 'Abendmahl' und 'Pfingsten' erfolgte", wie er in seiner Autobiografie festhält, "die Wende vom optisch äußerlichen Reiz zum empfundenen inneren Wert. Marksteine wurden sie, - wohl nicht nur in meinem Werk", ist er überzeugt. Zugleich beendet er die frühe Bildfolge mit dem Motiv der Bauerngärten seiner Nachbarn von Alsen. Eines der letzten Gemälde dieser Folge war der "Buchsbaumgarten" gleichsam als nachhaltiger Abschluss, der im Juni nebenan im Garten der befreundeten Nachbarfamilie Burchard entstanden ist, wie schon einige vergleichbare Gemälde in den Jahren zuvor. Der Garten war dem Maler vertraut, er kannte gut das Motiv und seine bildnerischen Möglichkeiten. Der Vordergrund ist fast greifbar nah von oben gesehen, die weitere Szenerie verliert sich im hellen Farbenlicht einer mehr ungewissen Tiefe. Schon bald hatten die frühen, farbenprächtigen Blumen- und Gartenbilder, bei denen Nolde meist einen eng begrenzten Ausschnitt und eine nahe Sichtweise bevorzugte, die Aufmerksamkeit der jungen "Brücke"-Künstler gefunden.
Über Jahre hatte Emil Nolde gemeinsam mit seiner dänischen Frau Ada Vilstrup an der Südseite der Insel dicht am Rand eines hohen Buchenwaldes ein kleines Fischerhaus gemietet und sich am nahen Ostseestrand aus Brettern ein Atelier errichtet. Von den Blumen und Gärten angeregt, hatte er, wie er gesteht, zur Farbe als seinem eigentlichen Ausdrucksmittel gefunden. "Es war auf Alsen mitten im Sommer. Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an und fast plötzlich war ich beim Malen", berichtet er in seiner Autobiografie. "Die blühenden Farben der Blumen und die Reinheit dieser Farben, ich liebte sie." Solche Äußerungen bezeugen zugleich sein inniges, ursprüngliches Verhältnis zur Natur, auch als wesentliches Moment für sein künstlerisches Schaffen. Die frühen Blumen- und Gartenbilder haben die Ausbildung seiner persönlichen Bildsprache entscheidend gefördert. Sie sind keineswegs als ein Nolde-avant-Nolde einzuordnen, vielmehr sind sie ein wesentlicher, authentischer Part von besonderem, originalen Rang in seinem Gesamtwerk. Unter dem Einfluss der Malerei von Vincent van Gogh und Paul Gauguin, dessen Werke er erstmals im Sommer 1905 nach der Rückkehr von seinem längeren Sizilien-Aufenthalt in einer Ausstellung in Weimar mit Begeisterung kennengelernt hatte, oder von dem höchst geschätzten Edvard Munch findet er zu einer aufgelösten, dynamischen Malweise, die zeichnerische Elemente vernachlässigt. Die Farben werden unmittelbar mit lebhaften Pinselstrichen meist ungebrochen auf die Leinwand aufgetragen; dabei sollte das kontrollierende, abwägende Denken als störende Einflussnahme möglichst ausgeschaltet bleiben. "Je schneller mir ein Bild entstehen konnte", beschreibt er sein Vorgehen, "um so besser war es. Oft erst mehrere Anläufe gaben ein Resultat [...]." Das Bild entwickelt sich, wie auch die Gestaltung des "Buchsbaumgarten", ohne vorbereitende Skizzen oder Entwürfe im Malvorgang selbst und erwächst wie ein Naturereignis nahezu eigenständig aus der Farbe. "Ich wollte im Malen auch immer gern, dass die Farben durch mich als Maler auf der Leinwand sich so folgerichtig auswirkten, wie die Natur selbst ihre Gebilde schafft", erläutert er seine Schaffensweise. "Den Pinselstrich im Bild - die Handschrift - sah ich gern. Ganz nahe gesehen, wollte ich an Struktur und Reiz der Farben gleiche sinnliche Freude erleben wie in einiger Entfernung am Bild."
Nach der Rückkehr von der Südseereise 1913/1914 greift Nolde das Motiv der Gartenbilder wieder auf, teils mit Figuren, als er im Sommer 1915 die Familien seiner Geschwister im nahen Nordschleswig um Tondern besucht. Überall, wo Nolde sich niedergelassen hat, suchte er sein Umfeld zu gestalten und Blumengärten anzulegen: als er die Insel Alsen verlässt und an die Nordseeküste nahe Ruttebüll zieht, am Deichhang vor seinem Haus Utenwarf, und schließlich weit eigenwilliger, großzügiger und reicher in Seebüll, verbunden mit seinem Wohn- und Atelierhaus zu einem Gesamtkunstwerk.
Manfred Reuther kommt 1972 als wissenschaftlicher Assistent in die Ada und Emil Nolde Stiftung nach Seebüll, 1992 löst er Martin Urban als Direktor der Stiftung ab und steht dieser bis zu seinem Ruhestand 2012 vor. Er ist der weltweit anerkannte Experte für das Werk Emil Noldes.
Nolde und das Kunstmuseum in Essen
1907 inszeniert Karl Ernst Osthaus in seinem Museum Folkwang in Hagen die erste Ausstellung für Nolde. Auf seine Empfehlung wird auch die erste Ausstellung Noldes in Essen zurückzuführen sein, die Ernst Gosebruch 1910 mit Unterstützung des Essener Kunstvereins in den Räumen des Grillohauses im Zentrum der Stadt ausrichtet. Ernst Gosebruch ist mit Osthaus gut befreundet. Er teilt nicht nur die Vorlieben des privaten Sammlers für die Franzosen und die zeitgenössische deutsche Kunst, sondern als junger Direktor der seit 1906 bestehenden Essener Kunstsammlung entwickelt sich Gosebruch neben Osthaus auch zu einem der fortschrittlichsten und vor allem der neuen Kunst des Expressionismus gegenüber aufgeschlossenen Museumsleiter in Deutschland. Im Gosebruch besucht Nolde in Alsen, um die Präsentation in Essen vorzubereiten. "Drei meiner schönsten Ausstellungen sind im Essener Kunstverein und im Museum Folkwang gewesen", so Nolde in seiner Selbstbiografie "Jahre der Kämpfe". "Ernst Gosebruch besonders früh schon schätzte meine Kunst. Im Alsener Waldhaus besuchte er uns. Er schlief in der Enge des Raumes mit dem [Christus in] Bethanienbild, mit seiner Sonntagsruhe hochsteigend vor seinen Füßen. In der Morgenstunde es lange anschauend, sagte er uns nachher besonders schöne Worte. Wir immer liebten den einsichtigen, künstlerfreundlichen Menschen, der nichts Äußerliches in Kunst und Ansehen erstrebte, aber tatenvollster Museumsleiter geworden war. Für seine schöne Folkwangsammlung hätte Karl Ernst Osthaus keinen feinsinnigeren Nachfolger erhalten können" (Emil Nolde, Mein Leben, Köln 1993, S. 223). Und Gosebruch ist entschlossen, auch den "Buchsbaumgarten" neben weiteren Blumenbildern, Landschaften und zum ersten Mal auch Gemälde mit religiösen Themen in Essen zu zeigen.
Die Ausstellung eröffnet am 3. April 1910 und sorgt für einigen Wirbel. Das Essener Publikum, offensichtlich noch nicht an diese farbsprühende Malerei gewöhnt, schätzt beziehungsweise toleriert allenfalls die gediegene Moderne des regionalen deutschen Impressionismus. "Es sind neue, für Essen gänzlich unerhörte Wege, die dieser merkwürdige Künstler geht. Allein, er geht sie mit einer Kraft und Freudigkeit, welche die Kunstfreunde unserer Stadt aufs tiefste bewegt", schreibt Gosebruch am 21. April an einen Mäzen des Museums (Emil Nolde. Ausstellungen in Essen, Essen 1967, S. 10). "Wie herrlich hingen damals in dem traulichen Sälchen, das wir hoch oben im Seitenflügel nach der Surmanngasse für die bescheidene Veranstaltung eingerichtet hatten", so Gosebruch 1927 in seiner Eröffnungsrede für Nolde, "die leuchtenden Blumenbeete unseres Freundes und seine von frischem Wind gekräuselten Meerbilder, auf denen die Lichtreflexe lustig wie bunte Eierschalen einhersegelten! Aber zwischen ihnen thronte in unnennbarer Hoheit das Abendmahlbild mit dem wundersamen Christus, der unter allen Heilandsdarstellungen der neueren Kunst sicherlich die tiefste, gnadenbringendste ist." (Ernst Gosebruch, in: Emil Nolde, Ausst.-Kat. Essen 1927, S. 4) Gosebruch nimmt, wie schon Osthaus in Hagen, die Ausstellung in Essen 1910 zum Anlass, sich mit dem Ankauf eines Gemäldes für die Sammlung zu beschäftigen und bei dieser Gelegenheit auch für sich persönlich ein Werk des Künstlers zu erwerben. In einem Brief ohne Datum, wohl von April/Mai 1910, schreibt Ada Nolde an Gosebruch, der wohl um eine Entscheidung der Wahl ringt: "Ich würde von den Bildern den Buxbaumgarten [sic] für’s Museum wählen. Ihre Einwendungen gegen die gelbe Frau finde ich unrecht, u. Sie selbst würden sie auch nicht empfinden, wenn Sie das Bild allein hätten. Diese stillstehende Hitze", so fährt Ada Nolde fort, "die im Bilde dargestellt ist, verlangt eine ganz andere Technik als z. B. Grobers Bild, wo alle die verschiedenen Blumen u. Farben nebeneinander flimmern. Ebenso mit dem Stiefmütterchenbild. Es ist schlicht u. stark, brilliert nicht in der Gesellschaft, hat Eigenschaften, die man suchen u. um die man werben muß, u. ist deshalb nicht weniger wertvoll." Gosebruch entscheidet, das "Stiefmütterchenbild" für das junge Kunstmuseum zu erwerben und den "Buchsbaumgarten" für sich zu reservieren, denn in einem weiteren Schreiben vom 9. Mai 1910 an Gosebruch bestätigt Ada Nolde: "Wir sind ja nicht pedantisch u. für 1000 M. soll das Museum das Bild haben. Ihr Bild wollen wir gern für die Ausst. in Jena mithaben .... Am 1. Juni spätestens sind die Bilder nach Jena versprochen." Und ein paar Tage später, am 27. Mai 1910, schreibt nun Emil Nolde an Gosebruch aus Weißernhof, wo sich seine Frau erneut zur Kur aufhält: "Wir freuen uns zu wissen, daß das Stiefmütterchenbild in Ihrem Museum bleibt. Es ist wie ein erleichterndes Aufatmen, wenn man weiß, daß ein liebes Bild einen guten Platz gefunden hat". 1915 wird Gosebruch "Blumengarten. Stiefmütterchen", so der korrekte Titel, bei Nolde gegen das im selben Jahr entstandene Gemälde "Blumengarten H mit Maria" tauschen, noch heute in der Essener Sammlung. Die Bezahlung in Höhe von 900 Mark für den "Buchsbaumgarten" erfolgt erst Anfang Januar 1911. Ada Nolde war im Preis Gosebruch nochmals entgegengekommen und bat auch eindringlich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Das Gemälde "Buchsbaumgarten", um das es hier geht, erwirbt Gosebruch trotz anfänglicher Zweifel dann doch für sich persönlich. In einem Neujahrsbrief vom 1. Januar 1921 teilt Gosebruch Nolde mit, dass er aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf des Bildes in Erwägung ziehe, aber doch vorerst Abstand nehmen würde. Im März 1925 allerdings, so ein Hinweis in der Nolde-Gosebruch-Korrespondenz, schickt Gosebruch ein Gemälde, vermutlich ist es der "Buchsbaumgarten", zu Rudolf Probst, Galerie Neue Kunst Fides, nach Dresden. Könnte Ismar Littmann, dessen Kontakte nach Dresden bekannt sind, das Werk bei Probst gekauft haben? In jedem Fall wird der "Buchsbaumgarten" 1930 in seinem Sammlungsinventar erfasst. Dieses berühmte "Große Buch", das der Kunsthistoriker Bernhard Stephan 1930 erstellt hat, enthält nicht weniger als 347 Ölgemälde und Aquarelle – auch das hier präsentierte Gemälde "Buchsbaumgarten".
Dr. Ismar Littmann. Der Sammler
Der Breslauer Rechtsanwalt und Notar Dr. Ismar Littmann gehört zu den aktivsten und bedeutendsten Sammlern der Kunst des deutschen Expressionismus. Als Kaufmannssohn am 2. Juli 1878 im oberschlesischen Groß Strehlitz geboren, lässt er sich 1906 als promovierter Rechtswissenschaftler in Breslau nieder, wo er wenig später Käthe Fränkel zur Frau nimmt. Als Rechtsanwalt wird Ismar Littmann beim Landgericht zugelassen. Er führt schon bald seine eigene Kanzlei, später gemeinsam mit seinem Kompagnon Max Loewe, und wird 1921 zum Notar erhoben.
Der wohlhabende Jurist Dr. Ismar Littmann ist ein großzügiger Mäzen und Förderer der modernen, progressiven Kunst. Sein großes Engagement gilt insbesondere zeitgenössischen Künstlern aus dem Umfeld der Akademie der Bildenden Künste in Breslau, wie etwa dem "Brücke"-Maler und Akademieprofessor Otto Mueller. Sprichwörtlich ist heute die "Breslauer Künstlerbohème", die Ismar Littmann als Sammler und Mäzen prägt, fördert und begleitet.
Ab den späten 1910er Jahren beginnt Dr. Ismar Littmann, seine bald berühmt gewordene Kunstsammlung aufzubauen. Die Sammlung Littmann umfasst Werke namhafter deutscher Künstler des Impressionismus und Expressionismus, darunter Otto Mueller, Käthe Kollwitz, Emil Nolde, Max Pechstein, Alexander Kanoldt und Lovis Corinth. Zu einigen der Genannten hat Littmann auch eine enge persönliche Verbindung. Erst die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 setzt einer weiteren Fortführung der Sammelleidenschaft ein Ende. Fast 6.000 bedeutende Kunstwerke, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafik ebenso wie Gemälde, hat Littmann bis dahin zusammengetragen.
Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten bringt jedoch den jähen Wandel. Früh und mit ganzer Härte setzt die Verfolgung des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Ismar Littmann ein. Seine Berufsgruppe zählt zu den ersten, die die Nationalsozialisten wirtschaftlich und gesellschaftlich vernichten wollen. Bereits ab dem Frühjahr 1933 ist es weder Dr. Ismar Littmann selbst noch seinen Kindern mehr möglich, ihren Berufen nachzugehen. Seiner Lebensgrundlage und Lebensfreude beraubt, steht Ismar Littmann vor den Trümmern einer glanzvollen Existenz. Tiefe Verzweiflung treibt ihn am 23. September 1934 in den Selbstmord. Ismar Littmann lässt seine Witwe Käthe sowie vier gemeinsame Kinder zurück. Mit Glück können die Überlebenden später aus der nationalsozialistischen Diktatur fliehen.
Um die Flucht finanzieren und den Lebensunterhalt bestreiten zu können, muss die Familie Littmann Teile der bedeutenden Kunstsammlung verkaufen. Im Berliner Auktionshaus Max Perl werden am 26. und 27. Februar 1935 rund 200 Werke der Sammlung Littmann innerhalb einer Sammelauktion angeboten. Darunter findet sich auch Emil Noldes "Buchsbaumgarten".
Die Auktion bei Perl steht unter keinem guten Stern. Die Diskussion um die sogenannte "entartete Kunst" flammt bereits auf. 64 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen, darunter auch 18 Kunstwerke aus der Sammlung Littmann, werden noch vor der Auktion von der Gestapo als Beispiele "kulturbolschewistischer Tendenz" beschlagnahmt und im Jahr darauf der Berliner Nationalgalerie zugesandt. Deren damaliger Direktor Eberhard Hanfstaengl nimmt einige Werke als "Zeitdokumente" in Aufbewahrung und lässt den Rest auf Anordnung der Gestapo am 23. März 1936 in der Heizung des Kronprinzenpalais verbrennen. (Vgl. Annegret Janda, Das Schicksal einer Sammlung, 1986, S. 69) 1937 werden die von Hanfstaengl ‚geretteten‘ Werke ein weiteres Mal beschlagnahmt und mit der Ausstellung "Entartete Kunst" in München als Besitz "Nationalgalerie Berlin" diffamiert.
Emil Noldes Gemälde "Buchsbaumgarten" bleibt von diesem Schicksal verschont. Die Gestapo beschlagnahmt das Gemälde nicht, es kommt bei Max Perl zum Aufruf. Das im Katalog auf 800 Reichsmark geschätzte Werk wechselt im Februar 1935 den Besitzer. Den Zuschlag erhält der Dresdner Bankier Dr. Heinrich Arnhold – nicht zur Schätzung, sondern zu einem Schleuderpreis von nur 350 Reichsmark, den die Witwe Littmann in ihrer Notlage akzeptieren muss. Auch Arnholds zählen zu den Verfolgten der NS-Diktatur, können den "Buchsbaumgarten" aber über diese Epoche retten. Lisa Arnhold selbst liefert das Gemälde 1956 im Stuttgarter Kunstkabinett ein, wo es der Duisburger Museumsdirektor Gerhard Händler für 3600 D-Mark ersteigert. (Stefan Koldehoff, Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst, Frankfurt a. M. 2009, S. 178ff.)
Die herausragende Provenienz des Gemäldes "Buchsbaumgarten" sorgt in der Vergangenheit auch im Kontext eines langjährigen Restitutionsbegehrens an des Lehmbruck Museum in Duisburg für großes internationales Aufsehen. 2021 kommt es in gegenseitigem Einvernehmen zu einer Rückgabevereinbarung zwischen dem Museum und den Erben nach Ismar Littmann: ein kraftvolles Signal für den verantwortungsbewussten Umgang mit Kunstwerken aus jüdischem Eigentum – und zugleich ein weiterer spannender Moment in der bewegten Geschichte eines ikonischen Gemäldes.
[Dr. Mario-Andreas von Lüttichau]
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Emil Nolde
Buchsbaumgarten, 1909.
Öl auf Leinwand
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