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304
Lyonel Feininger
Der junge Mann aus dem Dorfe / Mill with Red Man, 1917.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 350.000 Ergebnis:
€ 400.000 (inkl. Käuferaufgeld)
Der junge Mann aus dem Dorfe / Mill with Red Man. 1917.
Öl auf Leinwand.
48 x 40,5 cm (18,8 x 15,9 in).
• Außerordentlich bewegte Werkhistorie.
• Von Feininger gezwungenermaßen 1937 zurückgelassen, wird es von Hermann Klumpp verwahrt und vor den Nazis versteckt.
• Nach komplizierten Verhandlungen auch auf staatlicher Ebene kehrte das Gemälde Mitte der 1980er Jahre in den Besitz der Familie Feininger zurück und hing im Esszimmer von T. Lux Feininger.
• Ein von T. Lux Feininger stets bewundertes Bild.
• Eine der beliebten karikaturhaften Figurenkompositionen mit kubistischen Anklängen aus seiner gesuchtesten Zeit..
- Achim Moeller, Direktor des Lyonel Feininger Project LLC, New York - Berlin, hat die Echtheit dieses Werkes, das im Archiv des Lyonel Feininger Project unter der Nummer 1662-08-18-20 registriert ist, bestätigt.
- Das Gemälde ist im Werkverzeichnis der Gemälde von Lyonel Feininger (Lyonel Feininger: The Catalogue Raisonné of Paintings) von Achim Moeller unter der Nummer 196 verzeichnet.
- Weiterführende Informationen für diesen Eintrag wurden von Moeller Fine Art Projects | The Lyonel Feininger Project, New York - Berlin zur Verfügung gestellt.
PROVENIENZ: Dr. Hermann Klumpp, Quedlinburg (1902-1987, erhält um 1934 das Werk zur Verwahrung vom Künstler).
Julia Feininger, New York (mit dem Tod von Lyonel Feininger 1956 geht das Werk rechtlich in das Eigentum von Julia Feininger über, verbleibt aber in der DDR).
Nachlass Julia Feininger (mit dem Tod von Julia Feininger 1970 geht das Werk in das rechtliche Eigentum von T. Lux und Laurence Feininger über, verbleibt aber bis 1984 in den Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Berlin-Ost).
Restitution an den Nachlass Julia Feininger (1984).
Aus dem Nachlass von T. Lux Feininger, Cambridge (MA), USA.
Privatsammlung Hessen.
AUSSTELLUNG: Lyonel Feininger, Acquavella Galleries, New York, 15.10.-20.11.1985; Washington, D.C. 1986, Nr. 43 (mit Etikett auf der Rahmenrückseite).
Lyonel Feininger: At the Edge of the World, Whitney Museum of American Art, New York, 30.6.-16.10.2011 (mit Etikett auf der Rahmenrückseite).
Lyonel Feininger: From Manhattan to the Bauhaus, The Montreal Museum of Fine Arts, Montreal, 20.1.-13.5.2012.
LITERATUR: du - Die Zeitschrift für Kunst und Kultur, Zürich, Nr. 5, 1986, S. 66, Abb. S. 50.
Lyonel Feininger: Figurative Drawings 1908-1912, Achim Moeller Fine Art, 1990.
Hans Schulz-Vanselow, Lyonel Feininger und Pommern, 1999, S. 106.
Petra Werner, Der Fall Feininger, 2006, S. 155.
Peter Nisbet, Lyonel Feininger: Drawings and Watercolors from the William S. Lieberman Bequest to the Busch Reisinger Museum, 2011, S. 137.
Achim Moeller, Wolfgang Büche, Blick hinter die Kulissen, in: Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Wolfgang Büche, Lyonel Feininger: Paris 1912. Die Rückkehr eines verlorenen Gemäldes, 2016, S. 90-95.
"'Mill with Red Man' ist ebenfalls nicht signiert. Klein, aber ein bedeutendes Bild, gehört es ebenfalls zu den Werken, die ich sehr bewundere. Das es nicht mit nach Amerika reiste, war Zufall"
T. Lux Feininger, zit. nach: Interview mit Vera Graaf, in: du - Die Zeitschrift für Kunst und Kultur, 1986, S. 66.
Öl auf Leinwand.
48 x 40,5 cm (18,8 x 15,9 in).
• Außerordentlich bewegte Werkhistorie.
• Von Feininger gezwungenermaßen 1937 zurückgelassen, wird es von Hermann Klumpp verwahrt und vor den Nazis versteckt.
• Nach komplizierten Verhandlungen auch auf staatlicher Ebene kehrte das Gemälde Mitte der 1980er Jahre in den Besitz der Familie Feininger zurück und hing im Esszimmer von T. Lux Feininger.
• Ein von T. Lux Feininger stets bewundertes Bild.
• Eine der beliebten karikaturhaften Figurenkompositionen mit kubistischen Anklängen aus seiner gesuchtesten Zeit..
- Achim Moeller, Direktor des Lyonel Feininger Project LLC, New York - Berlin, hat die Echtheit dieses Werkes, das im Archiv des Lyonel Feininger Project unter der Nummer 1662-08-18-20 registriert ist, bestätigt.
- Das Gemälde ist im Werkverzeichnis der Gemälde von Lyonel Feininger (Lyonel Feininger: The Catalogue Raisonné of Paintings) von Achim Moeller unter der Nummer 196 verzeichnet.
- Weiterführende Informationen für diesen Eintrag wurden von Moeller Fine Art Projects | The Lyonel Feininger Project, New York - Berlin zur Verfügung gestellt.
PROVENIENZ: Dr. Hermann Klumpp, Quedlinburg (1902-1987, erhält um 1934 das Werk zur Verwahrung vom Künstler).
Julia Feininger, New York (mit dem Tod von Lyonel Feininger 1956 geht das Werk rechtlich in das Eigentum von Julia Feininger über, verbleibt aber in der DDR).
Nachlass Julia Feininger (mit dem Tod von Julia Feininger 1970 geht das Werk in das rechtliche Eigentum von T. Lux und Laurence Feininger über, verbleibt aber bis 1984 in den Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Berlin-Ost).
Restitution an den Nachlass Julia Feininger (1984).
Aus dem Nachlass von T. Lux Feininger, Cambridge (MA), USA.
Privatsammlung Hessen.
AUSSTELLUNG: Lyonel Feininger, Acquavella Galleries, New York, 15.10.-20.11.1985; Washington, D.C. 1986, Nr. 43 (mit Etikett auf der Rahmenrückseite).
Lyonel Feininger: At the Edge of the World, Whitney Museum of American Art, New York, 30.6.-16.10.2011 (mit Etikett auf der Rahmenrückseite).
Lyonel Feininger: From Manhattan to the Bauhaus, The Montreal Museum of Fine Arts, Montreal, 20.1.-13.5.2012.
LITERATUR: du - Die Zeitschrift für Kunst und Kultur, Zürich, Nr. 5, 1986, S. 66, Abb. S. 50.
Lyonel Feininger: Figurative Drawings 1908-1912, Achim Moeller Fine Art, 1990.
Hans Schulz-Vanselow, Lyonel Feininger und Pommern, 1999, S. 106.
Petra Werner, Der Fall Feininger, 2006, S. 155.
Peter Nisbet, Lyonel Feininger: Drawings and Watercolors from the William S. Lieberman Bequest to the Busch Reisinger Museum, 2011, S. 137.
Achim Moeller, Wolfgang Büche, Blick hinter die Kulissen, in: Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Wolfgang Büche, Lyonel Feininger: Paris 1912. Die Rückkehr eines verlorenen Gemäldes, 2016, S. 90-95.
"'Mill with Red Man' ist ebenfalls nicht signiert. Klein, aber ein bedeutendes Bild, gehört es ebenfalls zu den Werken, die ich sehr bewundere. Das es nicht mit nach Amerika reiste, war Zufall"
T. Lux Feininger, zit. nach: Interview mit Vera Graaf, in: du - Die Zeitschrift für Kunst und Kultur, 1986, S. 66.
Der Weg vom Illustrator zum Maler
Nachdem er fünfzehn Jahre lang erfolgreich als Illustrator für Zeitschriften in Berlin und Paris gearbeitet hat, wendet sich Feininger erst 1907 im Alter von 36 Jahren der Malerei zu. Als sein erstes Gemälde gilt "Der weiße Mann", die Komposition ist eine seiner veröffentlichten Karikaturen, die er nun in Öl umsetzt. „Mein Werdegang ist aber sehr merkwürdig gewesen: ich habe fast 15 Jahre als Illustrator, zwangsweise, um zu leben, gearbeitet, und es, trotzdem ich mich schrecklich quälen musste um einigermassen den Ansprüchen der Verleger zu begnügen, zu einem ganz netten 'Ruf' gebracht - so vor 6-8 Jahren. Dann, plötzlich, kam die Befreiung! Ein Kontakt mit Chicago - der mir ermöglichte, nach Paris überzusiedeln und endlich mal die Welt der Kunst kennen zu lernen." (Feininger in einem Brief an Kubin 1912, zit. nach: Ulrich Luckhardt, Matthias Mühling, Lyonel Feininger - Menschenbilder. Eine unbekannte Welt, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, 2003, S. 134). Im Juli 1906 zieht Feininger nach Paris, wo er bis 1908 bleibt und ein Atelier am Boulevard Raspail 242 mietet. Fasziniert von der Atmosphäre und den Bewohnern der Stadt, schafft Feininger eine Reihe von Werken, die das elegant gekleidete Bürgertum, aber auch exzentrisch wirkende Gestalten, denen er auf den Straßen von Paris begegnet, darstellen. In seinen Naturskizzen fertigt er Studien von Menschentypen auf den Straßen in Paris an, die er teils erst Jahre später wieder aufgreift. Sie bilden das Grundmaterial seiner frühen Figurenkompositionen. Mit dem neuen Medium der Ölmalerei kann er größere kompositorische Risiken eingehen, indem er ähnlich wie die "Fauves" auffällige Tonwertkontraste und gewagte Farbkombinationen einsetzt. Doch Feininger gibt seine Verbundenheit mit der Zeichnung nie ganz auf und betont in den nächsten Jahren zunehmend deren Bedeutung in seinen Ölgemälden. Der Einfluss der Illustration ist in „Der junge Mann aus dem Dorfe“ unverkennbar. Die Figur mit seinem dynamischen Schritt und den lang gezogenen Gesichtszügen hat Anklänge an eine Karikatur, die modellhaften Gestalten wirken wie Figurinen und werden typisch für Feiningers frühen Stil.
Der Prismaismus
Schon 1907 forderte Feininger, in der Kunst müsse das Gesehene "innerlich umgeformt und crystallisiert werden" (Brief vom 29.8.1907, zit. nach: Hans Hess, Lyonel Feininger, 1959, S. 42). Im Mai 1911 stellt Feininger im Salon des Indépendants zusammen mit den Kubisten Braque und Picasso aus. Dennoch kann man Feininger nicht stur den Kubisten zuordnen. Er entwickelt seine ganz eigene Formensprache, die er selbst als "Prismaismus" bezeichnet. Der Künstler zerlegt das Motiv in einfache geometrische und prismatische Formen. Seine Welt scheint in lauter dreieckige Formen zerlegt zu sein, dennoch bleibt die Ganzheit der Darstellung erhalten. Die flächige Zerlegung des Bildmotivs bestimmt die Komposition des Werkes „Der junge Mann aus dem Dorfe“, auch erste scharfe kristalline Formen, die zu Feiningers Markenzeichen werden, sind hier schon in Anklängen zu finden. Die Wahl einer kräftigen Farbpalette und starker Tonwertkontraste entstammen Feiningers Erfahrung als Illustrator. Sie verschafft ihm einen gestalterischen Vorteil, wenn es darum geht, dreidimensionale Wirkungen in seiner Malerei darzustellen, denn er versteht es bemerkenswert gut, räumliche Tiefe zu vermitteln, ohne dabei auf Farbabstufungen oder übermäßige Details angewiesen zu sein. Zur Dynamik der Form kommt die Klanglichkeit der Farbe. Es gibt also mehr bewegliche Kräfte, die zusammenwirken und die Summe der Möglichkeiten bereichern. Das Zusammenspiel der Farben schafft einen lebendigen, vibrierenden Eindruck, der nicht statisch, sondern fließend ist. In einem Brief an Julia äußert sich Feininger euphorisch im Sommer 1916: „heute war ein so guter, froher Arbeitstag wie jemals in meinen glücklichsten Zeiten. Ich bin jetzt im Gleichgewicht, endlich […] und habe die Farbe gefunden." (zit. nach: Peter Nisbet, Lyonel Feiningers Grüne Brücke, in: Ausst.-Kat. Lyonel Feininger. Menschenbilder: Eine unbekannte Welt, Hamburger Kunsthalle, 2003, S. 30).
Der Fall Feininger
Lyonel und Julia Feininger fühlen sich aufgrund des wachsenden politischen Drucks in Deutschland gezwungen, 1937 in die USA auszuwandern. Feininger hat durch vorhergehende Lehraufenthalte in Amerika bereits Kontakte geknüpft und er folgt dem Ruf an das Mills College. Viele ihrer Habseligkeiten lassen sie in Deutschland zurück, unter anderem auch einige Kunstwerke. Ein umfangreiches Konvolut an Arbeiten übergibt Feininger an seinen Freund Hermann Klumpp. Kennengelernt haben sie sich am Bauhaus in Dessau. Klumpp studierte dort von 1929 bis 1932 Architektur. Er verwahrt die Werke in Quedlinburg und versteckt sie vor dem Zugriff der Nazis. Lyonel Feiningers Werke gelten seit 1937 als entartet. Aus der durchaus verdienstvollen Verwahrung eines großen Teils des Feininger-Œuvres durch Hermann Klumpp entwickelt sich ein Rechtsstreit, der bis Mitte der 1980er Jahre andauert. Gerichtlich verhandelt werden muss: Wer ist der juristische Besitzer der Kunstwerke. Dr. Klumpp sieht sich als Beschützer und Bewahrer der Werke als deren moralischer Eigentümer. Nach dem Tod Julia Feiningers 1970 stellt der Nachlassverwalter im Namen des Estate Nachforschungen über den Verbleib der Werke in Deutschland an. Zunächst werden die Werke 1972 beschlagnahmt und zur sicheren Verwahrung an das Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik übergeben. Sie werden unter Polizeischutz in die Nationalgalerie in Berlin verbracht. Nach mehreren Instanzen wird der Rechtsstreit beendet und der größere Teil der Gemälde den Söhnen von Lyonel und Julia Feininger zugesprochen. Doch geht es in dem Prozess nur um die Eigentumsklärung, die Herausgabe der Werke sollte sich noch um einige Jahre verzögern. Die DDR stuft die Gemälde mittlerweile als schützenswertes Kulturgut ein, das im Land verbleiben soll. Mit dem Zuspruch an die Feininger-Erben sind die Bilder ausländisches Vermögen und unterstehen dem Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR, das zuständig dafür ist, offene Vermögensfragen zwischen der DDR und anderen Staaten festzustellen. Daraus entwickelt sich ein politisches und diplomatisches Hin und Her zwischen der jungen Republik und den mächtigen USA. Letztendlich einigt man sich darauf, dass drei Gemälde in der DDR verbleiben und die restlichen 49 Gemälde - u. a. „Der junge Mann aus dem Dorfe“ - im Frühjahr 1984 zur Ausfuhr freigegeben werden. Nach der Ankunft in Amerika werden die Werke zunächst in New York und Washington ausgestellt. Danach erhält „Der junge Mann aus dem Dorfe“ für 25 Jahre einen exponierten Platz im Esszimmer von T. Lux Feininger. [SM]
Nachdem er fünfzehn Jahre lang erfolgreich als Illustrator für Zeitschriften in Berlin und Paris gearbeitet hat, wendet sich Feininger erst 1907 im Alter von 36 Jahren der Malerei zu. Als sein erstes Gemälde gilt "Der weiße Mann", die Komposition ist eine seiner veröffentlichten Karikaturen, die er nun in Öl umsetzt. „Mein Werdegang ist aber sehr merkwürdig gewesen: ich habe fast 15 Jahre als Illustrator, zwangsweise, um zu leben, gearbeitet, und es, trotzdem ich mich schrecklich quälen musste um einigermassen den Ansprüchen der Verleger zu begnügen, zu einem ganz netten 'Ruf' gebracht - so vor 6-8 Jahren. Dann, plötzlich, kam die Befreiung! Ein Kontakt mit Chicago - der mir ermöglichte, nach Paris überzusiedeln und endlich mal die Welt der Kunst kennen zu lernen." (Feininger in einem Brief an Kubin 1912, zit. nach: Ulrich Luckhardt, Matthias Mühling, Lyonel Feininger - Menschenbilder. Eine unbekannte Welt, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, 2003, S. 134). Im Juli 1906 zieht Feininger nach Paris, wo er bis 1908 bleibt und ein Atelier am Boulevard Raspail 242 mietet. Fasziniert von der Atmosphäre und den Bewohnern der Stadt, schafft Feininger eine Reihe von Werken, die das elegant gekleidete Bürgertum, aber auch exzentrisch wirkende Gestalten, denen er auf den Straßen von Paris begegnet, darstellen. In seinen Naturskizzen fertigt er Studien von Menschentypen auf den Straßen in Paris an, die er teils erst Jahre später wieder aufgreift. Sie bilden das Grundmaterial seiner frühen Figurenkompositionen. Mit dem neuen Medium der Ölmalerei kann er größere kompositorische Risiken eingehen, indem er ähnlich wie die "Fauves" auffällige Tonwertkontraste und gewagte Farbkombinationen einsetzt. Doch Feininger gibt seine Verbundenheit mit der Zeichnung nie ganz auf und betont in den nächsten Jahren zunehmend deren Bedeutung in seinen Ölgemälden. Der Einfluss der Illustration ist in „Der junge Mann aus dem Dorfe“ unverkennbar. Die Figur mit seinem dynamischen Schritt und den lang gezogenen Gesichtszügen hat Anklänge an eine Karikatur, die modellhaften Gestalten wirken wie Figurinen und werden typisch für Feiningers frühen Stil.
Der Prismaismus
Schon 1907 forderte Feininger, in der Kunst müsse das Gesehene "innerlich umgeformt und crystallisiert werden" (Brief vom 29.8.1907, zit. nach: Hans Hess, Lyonel Feininger, 1959, S. 42). Im Mai 1911 stellt Feininger im Salon des Indépendants zusammen mit den Kubisten Braque und Picasso aus. Dennoch kann man Feininger nicht stur den Kubisten zuordnen. Er entwickelt seine ganz eigene Formensprache, die er selbst als "Prismaismus" bezeichnet. Der Künstler zerlegt das Motiv in einfache geometrische und prismatische Formen. Seine Welt scheint in lauter dreieckige Formen zerlegt zu sein, dennoch bleibt die Ganzheit der Darstellung erhalten. Die flächige Zerlegung des Bildmotivs bestimmt die Komposition des Werkes „Der junge Mann aus dem Dorfe“, auch erste scharfe kristalline Formen, die zu Feiningers Markenzeichen werden, sind hier schon in Anklängen zu finden. Die Wahl einer kräftigen Farbpalette und starker Tonwertkontraste entstammen Feiningers Erfahrung als Illustrator. Sie verschafft ihm einen gestalterischen Vorteil, wenn es darum geht, dreidimensionale Wirkungen in seiner Malerei darzustellen, denn er versteht es bemerkenswert gut, räumliche Tiefe zu vermitteln, ohne dabei auf Farbabstufungen oder übermäßige Details angewiesen zu sein. Zur Dynamik der Form kommt die Klanglichkeit der Farbe. Es gibt also mehr bewegliche Kräfte, die zusammenwirken und die Summe der Möglichkeiten bereichern. Das Zusammenspiel der Farben schafft einen lebendigen, vibrierenden Eindruck, der nicht statisch, sondern fließend ist. In einem Brief an Julia äußert sich Feininger euphorisch im Sommer 1916: „heute war ein so guter, froher Arbeitstag wie jemals in meinen glücklichsten Zeiten. Ich bin jetzt im Gleichgewicht, endlich […] und habe die Farbe gefunden." (zit. nach: Peter Nisbet, Lyonel Feiningers Grüne Brücke, in: Ausst.-Kat. Lyonel Feininger. Menschenbilder: Eine unbekannte Welt, Hamburger Kunsthalle, 2003, S. 30).
Der Fall Feininger
Lyonel und Julia Feininger fühlen sich aufgrund des wachsenden politischen Drucks in Deutschland gezwungen, 1937 in die USA auszuwandern. Feininger hat durch vorhergehende Lehraufenthalte in Amerika bereits Kontakte geknüpft und er folgt dem Ruf an das Mills College. Viele ihrer Habseligkeiten lassen sie in Deutschland zurück, unter anderem auch einige Kunstwerke. Ein umfangreiches Konvolut an Arbeiten übergibt Feininger an seinen Freund Hermann Klumpp. Kennengelernt haben sie sich am Bauhaus in Dessau. Klumpp studierte dort von 1929 bis 1932 Architektur. Er verwahrt die Werke in Quedlinburg und versteckt sie vor dem Zugriff der Nazis. Lyonel Feiningers Werke gelten seit 1937 als entartet. Aus der durchaus verdienstvollen Verwahrung eines großen Teils des Feininger-Œuvres durch Hermann Klumpp entwickelt sich ein Rechtsstreit, der bis Mitte der 1980er Jahre andauert. Gerichtlich verhandelt werden muss: Wer ist der juristische Besitzer der Kunstwerke. Dr. Klumpp sieht sich als Beschützer und Bewahrer der Werke als deren moralischer Eigentümer. Nach dem Tod Julia Feiningers 1970 stellt der Nachlassverwalter im Namen des Estate Nachforschungen über den Verbleib der Werke in Deutschland an. Zunächst werden die Werke 1972 beschlagnahmt und zur sicheren Verwahrung an das Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik übergeben. Sie werden unter Polizeischutz in die Nationalgalerie in Berlin verbracht. Nach mehreren Instanzen wird der Rechtsstreit beendet und der größere Teil der Gemälde den Söhnen von Lyonel und Julia Feininger zugesprochen. Doch geht es in dem Prozess nur um die Eigentumsklärung, die Herausgabe der Werke sollte sich noch um einige Jahre verzögern. Die DDR stuft die Gemälde mittlerweile als schützenswertes Kulturgut ein, das im Land verbleiben soll. Mit dem Zuspruch an die Feininger-Erben sind die Bilder ausländisches Vermögen und unterstehen dem Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR, das zuständig dafür ist, offene Vermögensfragen zwischen der DDR und anderen Staaten festzustellen. Daraus entwickelt sich ein politisches und diplomatisches Hin und Her zwischen der jungen Republik und den mächtigen USA. Letztendlich einigt man sich darauf, dass drei Gemälde in der DDR verbleiben und die restlichen 49 Gemälde - u. a. „Der junge Mann aus dem Dorfe“ - im Frühjahr 1984 zur Ausfuhr freigegeben werden. Nach der Ankunft in Amerika werden die Werke zunächst in New York und Washington ausgestellt. Danach erhält „Der junge Mann aus dem Dorfe“ für 25 Jahre einen exponierten Platz im Esszimmer von T. Lux Feininger. [SM]
304
Lyonel Feininger
Der junge Mann aus dem Dorfe / Mill with Red Man, 1917.
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