Rahmenbild
209
Karl Hofer
Sibylle, 1935.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 100.000 Ergebnis:
€ 300.000 (inkl. Käuferaufgeld)
Sibylle. 1935.
Öl auf Leinwand.
Wohlert 1118. Rechts unten monogrammiert (in Ligatur) und datiert. 106 x 79 cm (41,7 x 31,1 in).
• Bis zur Entstehung zurückreichende Ausstellungshistorie.
• Mit dem tradierten mythologischen Sujet der Sibylle, einer die Zukunft vorhersagenden Prophetin, verweist Hofer auch auf das nahende Grauen des Zweiten Weltkriegs.
• Einnehmende Visualisierung der angestrebten Stimmungshaltung: einer besonders ausdrucksstarken Melancholie.
• Fast 30 Jahre als Leihgabe im Museum of Modern Art in San Francisco ausgestellt (1957-1984).
PROVENIENZ: Nierendorf Galleries, New York.
Sammlung Albert M. Bender, San Francisco.
Museum of Modern Art, San Francisco (1957-1984, ehem. Inv.-Nr. 37.2994).
Privatsammlung Großbritannien (ab Mitte der 1980er Jahre).
Privatsammlung (durch Erbschaft vom Vorgenannten erhalten).
AUSSTELLUNG: Werner Zeppenfeld: Plastik, Max Beckmann: Graphik, Karl Hofer: Ölgemälde, Kunstverein in Hamburg, 5.4.-3.5.1936, Kat.-Nr. 28.
Karl Hofer. A Retrospective View, Milwaukee Art Institute, 5.10.-25.10.1936; Museum of Modern Art, San Francisco, 5.5.-5.8.1937, Kat.-Nr. 15.
Karl Hofer. A Retrospective View, Schaeffer Galleries, New York, 4.1.-23.1.1937, Kat.-Nr. 14.
Loan Exhibition of International Art, Art Association, Los Angeles, Oktober bis Dezember 1937, Kat.-Nr. 177.
In Memoriam, American Federation of Arts (New York), San Francisco, November 1957, Kat.-Nr. 41.
LITERATUR: Magazine of Art, San Francisco Museum of Art Edition, 1949 (Januar), S. XXXXVII (mit Abb.).
Alfred Frankenstein, Letters of a German Artist. Carl Hofer, in: San Francisco Chronicle, This World, 11.1.1948, S. 24 (mit Abb.).
Christie's, New York, 17.5.1984, S. 114, Los-Nr. 397 (mit Abb.).
Kunstpreis Jahrbuch, 39.1984, 1, S. 202.
"Ihre stille, aber intensive Ausstrahlung beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem strengen Bildbau und einer Formensprache verhaltener Expressivität, die den Gegenstand bewahrt, ihn aber nicht bloß abbildet, deren Geheimnis wohl das kaum merkliche, aber unlösbare Ineinander von Farben und Form ist [..]."
Karl Hofer, zit. nach: Ausst.-Kat. Karl Hofer. Von Lebensspuk und stiller Schönheit, Hamburg 2012, S. 126.
Öl auf Leinwand.
Wohlert 1118. Rechts unten monogrammiert (in Ligatur) und datiert. 106 x 79 cm (41,7 x 31,1 in).
• Bis zur Entstehung zurückreichende Ausstellungshistorie.
• Mit dem tradierten mythologischen Sujet der Sibylle, einer die Zukunft vorhersagenden Prophetin, verweist Hofer auch auf das nahende Grauen des Zweiten Weltkriegs.
• Einnehmende Visualisierung der angestrebten Stimmungshaltung: einer besonders ausdrucksstarken Melancholie.
• Fast 30 Jahre als Leihgabe im Museum of Modern Art in San Francisco ausgestellt (1957-1984).
PROVENIENZ: Nierendorf Galleries, New York.
Sammlung Albert M. Bender, San Francisco.
Museum of Modern Art, San Francisco (1957-1984, ehem. Inv.-Nr. 37.2994).
Privatsammlung Großbritannien (ab Mitte der 1980er Jahre).
Privatsammlung (durch Erbschaft vom Vorgenannten erhalten).
AUSSTELLUNG: Werner Zeppenfeld: Plastik, Max Beckmann: Graphik, Karl Hofer: Ölgemälde, Kunstverein in Hamburg, 5.4.-3.5.1936, Kat.-Nr. 28.
Karl Hofer. A Retrospective View, Milwaukee Art Institute, 5.10.-25.10.1936; Museum of Modern Art, San Francisco, 5.5.-5.8.1937, Kat.-Nr. 15.
Karl Hofer. A Retrospective View, Schaeffer Galleries, New York, 4.1.-23.1.1937, Kat.-Nr. 14.
Loan Exhibition of International Art, Art Association, Los Angeles, Oktober bis Dezember 1937, Kat.-Nr. 177.
In Memoriam, American Federation of Arts (New York), San Francisco, November 1957, Kat.-Nr. 41.
LITERATUR: Magazine of Art, San Francisco Museum of Art Edition, 1949 (Januar), S. XXXXVII (mit Abb.).
Alfred Frankenstein, Letters of a German Artist. Carl Hofer, in: San Francisco Chronicle, This World, 11.1.1948, S. 24 (mit Abb.).
Christie's, New York, 17.5.1984, S. 114, Los-Nr. 397 (mit Abb.).
Kunstpreis Jahrbuch, 39.1984, 1, S. 202.
"Ihre stille, aber intensive Ausstrahlung beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem strengen Bildbau und einer Formensprache verhaltener Expressivität, die den Gegenstand bewahrt, ihn aber nicht bloß abbildet, deren Geheimnis wohl das kaum merkliche, aber unlösbare Ineinander von Farben und Form ist [..]."
Karl Hofer, zit. nach: Ausst.-Kat. Karl Hofer. Von Lebensspuk und stiller Schönheit, Hamburg 2012, S. 126.
Hofers meisterliche Figurenbilder
"Die große Leistung Karl Hofers liegt zweifelsohne im Figurenbild", schreibt Dr. Frank Schmidt, damaliger Direktor der Emdener Kunsthalle, 2012 im Katalog zur Ausstellung "Karl Hofer. Von Lebensspuk und stiller Schönheit" (S. 92). Hofers Fähigkeiten zeigen sich auch in der hier vorliegenden Arbeit, mit der er ein Figurenbildnis schafft, das wie so häufig in seinem Œuvre mit einem sparsamen Einsatz von Gegenständen und Staffage, dem typischen Verzicht auf einen bestimmbaren, erzählerischen Umraum und einer nur angedeuteten Nacktheit auskommt, und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - eine Bildwirkung von würdevoller, seltsam zeitloser Zurückhaltung und zugleich starker Anziehungskraft vermittelt. Geschickt verortet Hofer seine weibliche Protagonistin in einem leeren, sie neblig-umwabernden Flächenraum, so als habe er ihre Aura vergegenwärtigen wollen. Durch die reduzierte, gar minimalistische Darstellung rückt die Figur selbst in den Mittelpunkt, nur sie ist hier von Bedeutung.
Picasso, Tizian, Michelangelo und der Naumburger Meister - Eine Fülle von kunsthistorischen Inspirationen
Auch bei der nur im Ansatz gezeigten Nacktheit handelt es sich um einen raffinierten Kunstgriff. Das die Figur umschlingende weiße Tuch lässt eine intime Atmosphäre entstehen, baut ein subtiles Spannungsfeld zwischen Enthüllung und Verhüllen auf und eröffnet ein Spiel mit den Erwartungen des Betrachters. Hofer wagt hier den Rückgriff auf ein tradiertes kunsthistorisches Sujet, das bereits in Darstellungen aus der Antike und der Renaissance vertreten ist. Nicht nur die partielle Nacktheit der Dargestellten und ihr vom Betrachter abgewandter Blick, sondern auch ihre assoziativ zu einem "V" gespreizten Finger und das altmeisterlich drapierte Tuch wecken Erinnerungen an weibliche Figurendarstellungen der italienischen Renaissance, bspw. Tizians "Flora". Tatsächlich beschäftigt sich Hofer während eines mehrjährigen Aufenthalts in Rom ab 1903 intensiv mit den Werken der Antike, des Quattrocento und der Renaissance. So ist wohl auch das statuesk-skulpturale Innehalten und die scheinbare geistige Entrücktheit der Figuren auf Inspirationen aus der Kunstgeschichte zurückzuführen, etwa auf die Stifterfigur der "Uta" im Naumburger Dom, die Hofer in seinen Ausführungen über allgemeingültige Formensprache explizit erwähnt (in: D. Kupper (Hrsg.), Schriften, 1995, S. 114). Die statuenhafte Regungslosigkeit bildet dabei einen starken Kontrast zu der subtil-erotischen Sinnlichkeit der fast entblößten Dargestellten, doch eigentlich geht es Hofer mit dieser formalen Reduzierung vielmehr um eine künstlerische Verallgemeinerung, eine Allgemeingültigkeit der Form und um die malerische Visualisierung einer Stimmungshaltung: der ihm selbst so vertrauten Melancholie dieser Jahre. Sein Bestreben bestätigt Hofer zum einen als hochgradig modernen Maler, zum anderen zeigt sich darin womöglich auch seine Wertschätzung für die Arbeiten Pablo Picassos, der mithilfe ebendieser Suche nach Allgemeingültigkeit von Schönheit und Form den Weg in die Abstraktion beschritt.
Umbruch in den 1930er Jahren. Hofers prophetische Kunst
Eine unser Bild vorbereitende Ölskizze mit der Widmung "Gehört meiner lieben Frau Lisb. Hofer" (Wohlert 1117) befindet sich bis zu deren Tod im Besitz Elisabeth Hofers. Dieses Detail wie auch die zeitliche Verortung unseres Werks in Bezug auf Hofers damaliges Leben geben einen Hinweis darauf, welch hohen Stellenwert das Kunstwerk für ihn gehabt haben muss. Wenige Jahre vor Entstehung unserer Arbeit befindet sich der Künstler noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In insgesamt 27 Museen zeigt man seine Werke und auch sein internationaler Erfolg wächst. 1933 findet all das ein jähes Ende. Hofer wird suspendiert, über 300 seiner Werke werden als "entartete Kunst" aus öffentlichen Sammlungen entfernt, er erhält Arbeits- und Ausstellungsverbot. Er widersetzt sich jedoch und malt stoisch weiter, u. a. zahlreiche prophetische Werke, welche in Ansätzen die Gräueltaten und die apokalyptischen Geschehnisse des nahenden Zweiten Weltkriegs vorherzusagen scheinen. Auch mit der hier angebotenen Arbeit, deren Titel sich auf die mythologische Figur der "Sibylle", einer die Zukunft vorhersagenden Prophetin, bezieht, scheint Hofer den Betrachter auf zukünftige Ereignisse hinzuweisen, die sich 1935 bereits im Ansatz ankündigen.
"Ich habe nie so viel und so gut gearbeitet". Karl Hofers Schaffen in den 1930er Jahren
Kurz vor Entstehung der vorliegenden Arbeit schreibt er in einem Brief: "Ich fühle eine unbändige Energie zum Schaffen in mir, habe nie so viel und so gut gearbeitet. Wäre das nicht, so hätte ich meinem Leben ein Ende machen müssen." (zit. nach: Ausst.-Kat. Karl Hofer, Hamburg 2012, S. 128). "Der empfindsame, von Natur aus zu Melancholie und Bitterkeit neigende Maler, überlebte die menschen- und kunstfeindliche Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nur mit Hilfe seiner Malerei, in der er ein Ventil fand für sein Entsetzen, in der er mahnend Partei ergreifen konnte; die es ihm aber auch ermöglichte, der Realität zu entfliehen, die Räume der Stille und Harmonie aufzusuchen, nach denen er sich sehnte." (Ebd., S. 128). [CH]
"Die große Leistung Karl Hofers liegt zweifelsohne im Figurenbild", schreibt Dr. Frank Schmidt, damaliger Direktor der Emdener Kunsthalle, 2012 im Katalog zur Ausstellung "Karl Hofer. Von Lebensspuk und stiller Schönheit" (S. 92). Hofers Fähigkeiten zeigen sich auch in der hier vorliegenden Arbeit, mit der er ein Figurenbildnis schafft, das wie so häufig in seinem Œuvre mit einem sparsamen Einsatz von Gegenständen und Staffage, dem typischen Verzicht auf einen bestimmbaren, erzählerischen Umraum und einer nur angedeuteten Nacktheit auskommt, und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - eine Bildwirkung von würdevoller, seltsam zeitloser Zurückhaltung und zugleich starker Anziehungskraft vermittelt. Geschickt verortet Hofer seine weibliche Protagonistin in einem leeren, sie neblig-umwabernden Flächenraum, so als habe er ihre Aura vergegenwärtigen wollen. Durch die reduzierte, gar minimalistische Darstellung rückt die Figur selbst in den Mittelpunkt, nur sie ist hier von Bedeutung.
Picasso, Tizian, Michelangelo und der Naumburger Meister - Eine Fülle von kunsthistorischen Inspirationen
Auch bei der nur im Ansatz gezeigten Nacktheit handelt es sich um einen raffinierten Kunstgriff. Das die Figur umschlingende weiße Tuch lässt eine intime Atmosphäre entstehen, baut ein subtiles Spannungsfeld zwischen Enthüllung und Verhüllen auf und eröffnet ein Spiel mit den Erwartungen des Betrachters. Hofer wagt hier den Rückgriff auf ein tradiertes kunsthistorisches Sujet, das bereits in Darstellungen aus der Antike und der Renaissance vertreten ist. Nicht nur die partielle Nacktheit der Dargestellten und ihr vom Betrachter abgewandter Blick, sondern auch ihre assoziativ zu einem "V" gespreizten Finger und das altmeisterlich drapierte Tuch wecken Erinnerungen an weibliche Figurendarstellungen der italienischen Renaissance, bspw. Tizians "Flora". Tatsächlich beschäftigt sich Hofer während eines mehrjährigen Aufenthalts in Rom ab 1903 intensiv mit den Werken der Antike, des Quattrocento und der Renaissance. So ist wohl auch das statuesk-skulpturale Innehalten und die scheinbare geistige Entrücktheit der Figuren auf Inspirationen aus der Kunstgeschichte zurückzuführen, etwa auf die Stifterfigur der "Uta" im Naumburger Dom, die Hofer in seinen Ausführungen über allgemeingültige Formensprache explizit erwähnt (in: D. Kupper (Hrsg.), Schriften, 1995, S. 114). Die statuenhafte Regungslosigkeit bildet dabei einen starken Kontrast zu der subtil-erotischen Sinnlichkeit der fast entblößten Dargestellten, doch eigentlich geht es Hofer mit dieser formalen Reduzierung vielmehr um eine künstlerische Verallgemeinerung, eine Allgemeingültigkeit der Form und um die malerische Visualisierung einer Stimmungshaltung: der ihm selbst so vertrauten Melancholie dieser Jahre. Sein Bestreben bestätigt Hofer zum einen als hochgradig modernen Maler, zum anderen zeigt sich darin womöglich auch seine Wertschätzung für die Arbeiten Pablo Picassos, der mithilfe ebendieser Suche nach Allgemeingültigkeit von Schönheit und Form den Weg in die Abstraktion beschritt.
Umbruch in den 1930er Jahren. Hofers prophetische Kunst
Eine unser Bild vorbereitende Ölskizze mit der Widmung "Gehört meiner lieben Frau Lisb. Hofer" (Wohlert 1117) befindet sich bis zu deren Tod im Besitz Elisabeth Hofers. Dieses Detail wie auch die zeitliche Verortung unseres Werks in Bezug auf Hofers damaliges Leben geben einen Hinweis darauf, welch hohen Stellenwert das Kunstwerk für ihn gehabt haben muss. Wenige Jahre vor Entstehung unserer Arbeit befindet sich der Künstler noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In insgesamt 27 Museen zeigt man seine Werke und auch sein internationaler Erfolg wächst. 1933 findet all das ein jähes Ende. Hofer wird suspendiert, über 300 seiner Werke werden als "entartete Kunst" aus öffentlichen Sammlungen entfernt, er erhält Arbeits- und Ausstellungsverbot. Er widersetzt sich jedoch und malt stoisch weiter, u. a. zahlreiche prophetische Werke, welche in Ansätzen die Gräueltaten und die apokalyptischen Geschehnisse des nahenden Zweiten Weltkriegs vorherzusagen scheinen. Auch mit der hier angebotenen Arbeit, deren Titel sich auf die mythologische Figur der "Sibylle", einer die Zukunft vorhersagenden Prophetin, bezieht, scheint Hofer den Betrachter auf zukünftige Ereignisse hinzuweisen, die sich 1935 bereits im Ansatz ankündigen.
"Ich habe nie so viel und so gut gearbeitet". Karl Hofers Schaffen in den 1930er Jahren
Kurz vor Entstehung der vorliegenden Arbeit schreibt er in einem Brief: "Ich fühle eine unbändige Energie zum Schaffen in mir, habe nie so viel und so gut gearbeitet. Wäre das nicht, so hätte ich meinem Leben ein Ende machen müssen." (zit. nach: Ausst.-Kat. Karl Hofer, Hamburg 2012, S. 128). "Der empfindsame, von Natur aus zu Melancholie und Bitterkeit neigende Maler, überlebte die menschen- und kunstfeindliche Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft nur mit Hilfe seiner Malerei, in der er ein Ventil fand für sein Entsetzen, in der er mahnend Partei ergreifen konnte; die es ihm aber auch ermöglichte, der Realität zu entfliehen, die Räume der Stille und Harmonie aufzusuchen, nach denen er sich sehnte." (Ebd., S. 128). [CH]
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