Video
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
Weitere Abbildung
221
Wilhelm Lehmbruck
Gebeugter weiblicher Torso, 1912/13.
Rosarot gefärbter Gips, weiße Grundierung teilw...
Schätzung:
€ 180.000 Ergebnis:
€ 225.000 (inkl. Käuferaufgeld)
Gebeugter weiblicher Torso. 1912/13.
Rosarot gefärbter Gips, weiße Grundierung teilweise sichtbar, rosa Fassung.
Schubert 78 A 7. Auf dem Sockel mit dem Namenszug. Nach heutigem Stand existierten max. 6 Exemplare. Mit Sockel: 92 cm (36,2 in).
• Was für eine anmutige Geste, mit der Lehmbruck sich in Paris neben den Bildhauerstars Anfang des 19. Jahrhunderts behauptet.
• Mit überlängten Gesichts- und Körperformen, wie wir sie hier im „Gebeugten weiblichen Torso“ vorfinden, entwickelt Lehmbruck Skulpturen, die deutlich das Rodin’sche Thema der ‚Gebärde‘ in der Bildhauerei aufnehmen.
• Lehmbruck erfindet eine Skulptur, die allein durch ihre nahezu ungeschützte Haltung die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht.
• Aufregende Guss-Geschichte und wunderbar direkte Provenienz zur Galerie Flechtheim.
• 90 Jahre seit der Erwerbung bei Flechtheim ununterbrochen in Familienbesitz.
• 90 Jahre nicht im Kunsthandel angeboten.
PROVENIENZ: Galerie Alfred Flechtheim, Berlin/Düsseldorf (um 1930, auf der Standfläche mit dem Galerieetikett).
Erich und Ellen Raemisch, Krefeld (1930 beim Vorgenannten erworben).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Weihnachten 1931, Galerie Flechtheim, Berlin, 13.12.1931 bis Mitte Januar 1932, Nr. 5.
Wilhelm Lehmbruck, Gerhard-Marcks-Haus, Bremen, 6.2.-30.4. 2000; Georg Kolbe Museum, Berlin, 14.5.-13.8.2000 u. a., Nr. 15a.
„Der ‚Gebeugte weiblichen Torso’ zeigt eine Formgestalt, deren Bezüge sich nicht in der Frontalaufnahme, sondern im Blickwinkel schräg von halb links und von halb rechts erschließen.“
Dietrich Schubert
Rosarot gefärbter Gips, weiße Grundierung teilweise sichtbar, rosa Fassung.
Schubert 78 A 7. Auf dem Sockel mit dem Namenszug. Nach heutigem Stand existierten max. 6 Exemplare. Mit Sockel: 92 cm (36,2 in).
• Was für eine anmutige Geste, mit der Lehmbruck sich in Paris neben den Bildhauerstars Anfang des 19. Jahrhunderts behauptet.
• Mit überlängten Gesichts- und Körperformen, wie wir sie hier im „Gebeugten weiblichen Torso“ vorfinden, entwickelt Lehmbruck Skulpturen, die deutlich das Rodin’sche Thema der ‚Gebärde‘ in der Bildhauerei aufnehmen.
• Lehmbruck erfindet eine Skulptur, die allein durch ihre nahezu ungeschützte Haltung die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht.
• Aufregende Guss-Geschichte und wunderbar direkte Provenienz zur Galerie Flechtheim.
• 90 Jahre seit der Erwerbung bei Flechtheim ununterbrochen in Familienbesitz.
• 90 Jahre nicht im Kunsthandel angeboten.
PROVENIENZ: Galerie Alfred Flechtheim, Berlin/Düsseldorf (um 1930, auf der Standfläche mit dem Galerieetikett).
Erich und Ellen Raemisch, Krefeld (1930 beim Vorgenannten erworben).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Weihnachten 1931, Galerie Flechtheim, Berlin, 13.12.1931 bis Mitte Januar 1932, Nr. 5.
Wilhelm Lehmbruck, Gerhard-Marcks-Haus, Bremen, 6.2.-30.4. 2000; Georg Kolbe Museum, Berlin, 14.5.-13.8.2000 u. a., Nr. 15a.
„Der ‚Gebeugte weiblichen Torso’ zeigt eine Formgestalt, deren Bezüge sich nicht in der Frontalaufnahme, sondern im Blickwinkel schräg von halb links und von halb rechts erschließen.“
Dietrich Schubert
Es ist zweifellos eine ungewöhnliche Haltung, die sich Wilhelm Lehmbruck für diesen „Gebeugten weiblichen Torso“ ausdenkt: die Knie leicht gebeugt und festgesteckt im Sockel, der Oberkörper ab der festen Taille nach vorne geneigt mit einer weichen Drehung nach links, die Schulter mit den Arm-Verkürzungen bleiben zum Ausgleich im Lot, der Kopf ist geneigt und folgt der Drehung des Oberkörpers. Was für eine anmutige Geste, mit der Lehmbruck sich in Paris neben den Bildhauerstars Anfang des 19. Jahrhunderts behaupten will. Als Lehmbruck 1910 von Düsseldorf nach Paris geht, begegnet er Rodin, Matisse, Archipenko, Brancusi und Modigliani, deren Werke seinen Weg zur expressionistischen Plastik entscheidend beeinflussen. Während die ersten in Paris entstandenen Arbeiten noch das plastische Volumen etwa eines Maillols zeigen, findet Lehmbruck in der Folge allmählich eine Lösung, sich vom klassischen Kanon zu befreien und die Entwicklung hin zu einer entmaterialisierten, expressiven Form aufzunehmen. Mit den dort erarbeiteten, überlängten Gesichts- und Körperformen, wie wir sie hier im „Gebeugten weiblichen Torso“ vorfinden, entwickelt Lehmbruck Skulpturen, die deutlich das Rodin’sche Thema der ‚Gebärde’, die Form der Leidenschaft in der Bildhauerei aufnehmen, dabei mehr oder weniger auf Attribute verzichten und allein durch ihre nahezu ungeschützte Haltung die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Suche Lehmbrucks nach dem perfekten ‚Ganzen' eines Torso beschreibt der vielleicht einfühlsamste unter den frühen Bewunderern Lehmbrucks, der Kritiker und Sammler Paul Westheim: „Er knetet wieder und wieder an dem Werk herum, er ist versessen auf äußerste Vollkommenheit [..] Mit dem Gießer unternimmt er oft die wagehalsigsten [sic] Experimente, zerschneidet die Formen einer mehrfach schon gegossenen Figur, nimmt einen Beinansatz hinweg, der ihm zu massig aus der Fläche herauszudrängen scheint, beseitigt die Arme, womöglich auch den Kopf, um zu einem Torso von vollendetem Ebenmaß zu gelangen.“ (Paul Westheim, Wilhelm Lehmbruck, Berlin 1922, S. 11)
Der „Gebeugte weibliche Torso“ und seine belebte Geschichte
Wohl schon 1912 in Paris beginnt Lehmbruck diesen eleganten und anmutigen Torso zu entwickeln. Und in der Tat ist die Umsetzung der Steinmasse in den Guss ein komplexes Unterfangen: Der grazile Körper steckt quasi in einem gleichzeitig mitgegossenen, kompakten Sockel, um die Kräfte des sich nach vorne neigenden Körpers zu balancieren. 1913 im September präsentiert Lehmbruck den „Gebeugten weiblichen Torso“ erstmals auf Einladung des deutschen Künstlerbundes auf der Jahresausstellung der Städtischen Kunsthalle Mannheim: „Nr. 465 Gebeugter weibl. Torso (Steinmasse)“ lautet der Eintrag im Katalog. Im selben Jahr noch zeigt Lehmbruck diese Skulptur wohl im Salon d’Automne im Grand Palais (15. Nov. 1913 – 5. Jan. 1914), der Katalogeintrag lautet: „Nr.: 1258 Petit torse de femme sc“. Die Ur-Form der Skulptur in „Steinmasse“ ist also wie beschrieben nur in den Jahren 1913 und 1914 in zwei Ausstellungen zu sehen. Seit 1914 ist dieser in seiner Haltung gewagteste weibliche Torso in „Steinmasse“, so die gewählte neutrale Bezeichnung Lehmbrucks, zu Lebzeiten des Künstlers nicht mehr identifizierbar ausgestellt. Lehmbruck nimmt sich im März 1919 in Berlin das Leben; Anita Lehmbruck betreut von da an den Nachlass ihres verstorbenen Mannes.
1921 werden etwa gleichzeitig zwei Exemplare des „Gebeugten weiblichen Torso“ in „Steinmasse“ öffentlich: Im April 1921 erhält das Behnhaus in Lübeck ein Exemplar von Anita Lehmbruck aus Dankbarkeit geschenkt, weil sich der Direktor Georg Heise für den Ankauf der 1910 in Paris entstandenen „Stehenden Frauenfigur“ (Schubert 51/A4) entscheidet und sich zusätzlich eine Arbeit aussuchen darf (Schubert 78/2, 1937 beschlagnahmt, 1939 in Luzern versteigert). Am 9. August 1921 bestätigt Heise den Eingang beider Skulpturen im Behnhaus. Auch die Staatsgalerie Stuttgart interessiert sich für den „Gebeugten weiblichen Torso“ und erwirbt 1921 die Arbeit aus dem Stuttgarter Kunsthandel (Schubert 78/1, 1937 beschlagnahmt, 1941 über die Galerie Ferdinand Möller an privat verkauft).
Gut zehn Jahre später steht ein weiteres Exemplar dieses Torsos zum Verkauf: Der Sammler Erich Raemisch erwirbt 1930 den – jetzt zur Auktion kommenden – „Gebeugten weiblichen Torso“ in der Galerie Alfred Flechtheim und leiht ihn der Galerie anlässlich des 50. Geburtstages von Lehmbruck und der gleichzeitig stattfindenden „Weihnachstsausstellung“ von Dezember 1931 bis Januar 1932: Zu sehen ist eine Auswahl von 17 Skulpturen Lehmbrucks, darunter mit der Nr. 5 ein „Geneigter Frauentorso“, die Leihgabe eines Sammlers (Erich Raemisch; Schubert 78/7).
Was haben die drei Güsse miteinander zu tun? Zunächst, sie tauchen etwa gleichzeitig in einer gewissen Erscheinungsvielfalt auf. Über den Lübecker Torso haben wir zu wenig Kenntnis, hingegen können wir heute zumindest festhalten, dass der Stuttgarter Torso und der – nennen wir ihn – Flechtheim/Raemisch-Torso – mit derselben Gussform gegossen sind. Es gibt viele Gemeinsamkeiten wie etwa die ziemlich genaue Übereinstimmung in der Bearbeitung der Sockel mit grobem Zahneisen oder andere markante Details, verteilt über den Guss. Und es gibt noch eine besondere Auffälligkeit: Beide Güsse haben eine kaum auszumachende, verborgene Gussnaht im oberen Rückenbereich, die auf eine Abformung eines damals existierenden „Gebeugten weiblichen Torso“ hinweist. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede zwischen dem Stuttgarter Torso und dem Flechtheim/Raemisch-Torso. Es beginnt mit der Materialität der Gussmasse: der Stuttgarter Torso besteht aus einem Surrogat von vermutlich rosarot gefärbtem Gips mit fein verteiltem, braunen Feinsand; feine Körnung lässt sich an der Oberfläche des eher rosabeigen Gusses erkennen. Der Flechtheim/Raemisch-Torso besteht hingegen aus einer dichten, rosarot gefärbten Gipsmasse. Beiden Güssen zu eigen ist eine rosarote Oberfläche, die dann lasierend mit weißer Ölfarbe grundiert und wiederum mit einer rosaroten Fassung versehen ist. Dem Alter der Güsse entsprechend ist das heutige Erscheinungsbild der ehedem bestehenden Oberflächen bei beiden unterschiedlich verändert. Den Zeitpunkt der Gießung der verwandten Güsse können wir nur annehmen und allenfalls mit dem Zeitpunkt ihrer jeweiligen Erwerbung in Verbindung bringen: Der Stuttgarter Guss wäre dementsprechend 1921 oder davor entstanden, der Flechtheim/Raemisch-Torso 1930 oder davor. Und man muss davon ausgehen, dass Anita Lehmbruck beide Güsse in Auftrag gegeben hat.
Schon Julius Meier-Graefe ist bei seinem Atelierbesuch in Paris 1910/11 nicht nur die neue Form aufgefallen, die Nacktheit, die uns in klassischen Materialien wie Gips, Stein (Marmor) und Bronze begegnet, sondern auch die Experimentierfreude des jungen deutschen Bildhauers in Paris, der zusätzlich mit Terrakotta, gefärbtem Gips und Steingussmischungen arbeitet. Er bemerkt die unterschiedlichen Oberflächen und Farbwirkungen, beschreibt die Fragmentierung, eine Art Zerstückelung, mit der Lehmbruck seinen Skulpturen einen Weg bahnt, die Anmutung klassischer Werkformen in der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts in die Moderne zu überführen. „Variationen,“ so Meier-Graefe an anderer Stelle feststellend, „die den Betrachter mit der Mischung von Größen und Geschmeidigkeit vertraut machten. Er liebte gewisse Drehungen des Kopfes, der Hüften, um das Licht spielen zu lassen, und enthüllte dabei weitere Eigenschaften seines Frauentyps.“ (Frankfurter Zeitung vom 5. Januar 1932. Abgedruckt in: Dietrich Schubert, Die Kunst Lehmbrucks, 2. verb. Auflage Dresden 1991, S. 309ff.)
Provenienz
1930 erwirbt Erich Raemisch bei Flechtheim anlässlich der „Weihnachtsausstellung“ und zu Ehren Lehmbrucks 50. Geburtstages in Berlin den „Geneigten Frauentorso“. Bis heute verbleibt er 90 Jahre ununterbrochen in der Familie und wird im Erbgang der nachfolgenden Generation anvertraut. Erich Raemisch, gut vernetzt in der Kunstszene, ist seit 1923 Geschäftsführer des in Krefeld residierenden Vereins deutscher Seidenwebereien und gleichzeitig Vorstand der Rheinischen Kunstseide AG Krefeld. [MvL]
Der „Gebeugte weibliche Torso“ und seine belebte Geschichte
Wohl schon 1912 in Paris beginnt Lehmbruck diesen eleganten und anmutigen Torso zu entwickeln. Und in der Tat ist die Umsetzung der Steinmasse in den Guss ein komplexes Unterfangen: Der grazile Körper steckt quasi in einem gleichzeitig mitgegossenen, kompakten Sockel, um die Kräfte des sich nach vorne neigenden Körpers zu balancieren. 1913 im September präsentiert Lehmbruck den „Gebeugten weiblichen Torso“ erstmals auf Einladung des deutschen Künstlerbundes auf der Jahresausstellung der Städtischen Kunsthalle Mannheim: „Nr. 465 Gebeugter weibl. Torso (Steinmasse)“ lautet der Eintrag im Katalog. Im selben Jahr noch zeigt Lehmbruck diese Skulptur wohl im Salon d’Automne im Grand Palais (15. Nov. 1913 – 5. Jan. 1914), der Katalogeintrag lautet: „Nr.: 1258 Petit torse de femme sc“. Die Ur-Form der Skulptur in „Steinmasse“ ist also wie beschrieben nur in den Jahren 1913 und 1914 in zwei Ausstellungen zu sehen. Seit 1914 ist dieser in seiner Haltung gewagteste weibliche Torso in „Steinmasse“, so die gewählte neutrale Bezeichnung Lehmbrucks, zu Lebzeiten des Künstlers nicht mehr identifizierbar ausgestellt. Lehmbruck nimmt sich im März 1919 in Berlin das Leben; Anita Lehmbruck betreut von da an den Nachlass ihres verstorbenen Mannes.
1921 werden etwa gleichzeitig zwei Exemplare des „Gebeugten weiblichen Torso“ in „Steinmasse“ öffentlich: Im April 1921 erhält das Behnhaus in Lübeck ein Exemplar von Anita Lehmbruck aus Dankbarkeit geschenkt, weil sich der Direktor Georg Heise für den Ankauf der 1910 in Paris entstandenen „Stehenden Frauenfigur“ (Schubert 51/A4) entscheidet und sich zusätzlich eine Arbeit aussuchen darf (Schubert 78/2, 1937 beschlagnahmt, 1939 in Luzern versteigert). Am 9. August 1921 bestätigt Heise den Eingang beider Skulpturen im Behnhaus. Auch die Staatsgalerie Stuttgart interessiert sich für den „Gebeugten weiblichen Torso“ und erwirbt 1921 die Arbeit aus dem Stuttgarter Kunsthandel (Schubert 78/1, 1937 beschlagnahmt, 1941 über die Galerie Ferdinand Möller an privat verkauft).
Gut zehn Jahre später steht ein weiteres Exemplar dieses Torsos zum Verkauf: Der Sammler Erich Raemisch erwirbt 1930 den – jetzt zur Auktion kommenden – „Gebeugten weiblichen Torso“ in der Galerie Alfred Flechtheim und leiht ihn der Galerie anlässlich des 50. Geburtstages von Lehmbruck und der gleichzeitig stattfindenden „Weihnachstsausstellung“ von Dezember 1931 bis Januar 1932: Zu sehen ist eine Auswahl von 17 Skulpturen Lehmbrucks, darunter mit der Nr. 5 ein „Geneigter Frauentorso“, die Leihgabe eines Sammlers (Erich Raemisch; Schubert 78/7).
Was haben die drei Güsse miteinander zu tun? Zunächst, sie tauchen etwa gleichzeitig in einer gewissen Erscheinungsvielfalt auf. Über den Lübecker Torso haben wir zu wenig Kenntnis, hingegen können wir heute zumindest festhalten, dass der Stuttgarter Torso und der – nennen wir ihn – Flechtheim/Raemisch-Torso – mit derselben Gussform gegossen sind. Es gibt viele Gemeinsamkeiten wie etwa die ziemlich genaue Übereinstimmung in der Bearbeitung der Sockel mit grobem Zahneisen oder andere markante Details, verteilt über den Guss. Und es gibt noch eine besondere Auffälligkeit: Beide Güsse haben eine kaum auszumachende, verborgene Gussnaht im oberen Rückenbereich, die auf eine Abformung eines damals existierenden „Gebeugten weiblichen Torso“ hinweist. Es gibt aber auch deutliche Unterschiede zwischen dem Stuttgarter Torso und dem Flechtheim/Raemisch-Torso. Es beginnt mit der Materialität der Gussmasse: der Stuttgarter Torso besteht aus einem Surrogat von vermutlich rosarot gefärbtem Gips mit fein verteiltem, braunen Feinsand; feine Körnung lässt sich an der Oberfläche des eher rosabeigen Gusses erkennen. Der Flechtheim/Raemisch-Torso besteht hingegen aus einer dichten, rosarot gefärbten Gipsmasse. Beiden Güssen zu eigen ist eine rosarote Oberfläche, die dann lasierend mit weißer Ölfarbe grundiert und wiederum mit einer rosaroten Fassung versehen ist. Dem Alter der Güsse entsprechend ist das heutige Erscheinungsbild der ehedem bestehenden Oberflächen bei beiden unterschiedlich verändert. Den Zeitpunkt der Gießung der verwandten Güsse können wir nur annehmen und allenfalls mit dem Zeitpunkt ihrer jeweiligen Erwerbung in Verbindung bringen: Der Stuttgarter Guss wäre dementsprechend 1921 oder davor entstanden, der Flechtheim/Raemisch-Torso 1930 oder davor. Und man muss davon ausgehen, dass Anita Lehmbruck beide Güsse in Auftrag gegeben hat.
Schon Julius Meier-Graefe ist bei seinem Atelierbesuch in Paris 1910/11 nicht nur die neue Form aufgefallen, die Nacktheit, die uns in klassischen Materialien wie Gips, Stein (Marmor) und Bronze begegnet, sondern auch die Experimentierfreude des jungen deutschen Bildhauers in Paris, der zusätzlich mit Terrakotta, gefärbtem Gips und Steingussmischungen arbeitet. Er bemerkt die unterschiedlichen Oberflächen und Farbwirkungen, beschreibt die Fragmentierung, eine Art Zerstückelung, mit der Lehmbruck seinen Skulpturen einen Weg bahnt, die Anmutung klassischer Werkformen in der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts in die Moderne zu überführen. „Variationen,“ so Meier-Graefe an anderer Stelle feststellend, „die den Betrachter mit der Mischung von Größen und Geschmeidigkeit vertraut machten. Er liebte gewisse Drehungen des Kopfes, der Hüften, um das Licht spielen zu lassen, und enthüllte dabei weitere Eigenschaften seines Frauentyps.“ (Frankfurter Zeitung vom 5. Januar 1932. Abgedruckt in: Dietrich Schubert, Die Kunst Lehmbrucks, 2. verb. Auflage Dresden 1991, S. 309ff.)
Provenienz
1930 erwirbt Erich Raemisch bei Flechtheim anlässlich der „Weihnachtsausstellung“ und zu Ehren Lehmbrucks 50. Geburtstages in Berlin den „Geneigten Frauentorso“. Bis heute verbleibt er 90 Jahre ununterbrochen in der Familie und wird im Erbgang der nachfolgenden Generation anvertraut. Erich Raemisch, gut vernetzt in der Kunstszene, ist seit 1923 Geschäftsführer des in Krefeld residierenden Vereins deutscher Seidenwebereien und gleichzeitig Vorstand der Rheinischen Kunstseide AG Krefeld. [MvL]
221
Wilhelm Lehmbruck
Gebeugter weiblicher Torso, 1912/13.
Rosarot gefärbter Gips, weiße Grundierung teilw...
Schätzung:
€ 180.000 Ergebnis:
€ 225.000 (inkl. Käuferaufgeld)
Ihre Lieblingskünstler im Blick!
- Neue Angebote sofort per E-Mail erhalten
- Exklusive Informationen zu kommenden Auktionen und Veranstaltungen
- Kostenlos und unverbindlich