Auktion: 503 / Kunst nach 1945 / Zeitgenössische Kunst II am 17.07.2020 in München Lot 10

 

10
Tony Cragg
Untitled, 2009.
Bronze mit schwarz-grauer Patina
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 68.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Untitled. 2009.
Bronze mit schwarz-grauer Patina.
Signiert und datiert. Unikat. 52 x 47 x 47 cm (20,4 x 18,5 x 18,5 in).
Gegossen von der Kunstgießerei Kayser, Düsseldorf (mit dem Gießerstempel).
• Aus der berühmten Werkgruppe der "Points of View"
• Eine der seltenen Bronzen mit zweiteiligem Aufbau
• Spannungsvolle Interaktion der raumgreifenden Bewegungsmomente
• Tony Craggs Skulpturen befinden sich in zahlreichen bedeutenden öffentlichen Sammlungen wie der Tate Gallery, London, dem Museum Ludwig , Köln, und dem Von der Heydt Museum, Wuppertal
.

Mit einem Fotozertifikat des Künstlers vom 11. September 2016.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (direkt vom Künstler).

"Craggs fließende Formen, die wie Sturzbäche, wie eine Verwirrung aus Stalagmiten und Stalaktiten die Volumen richtungslos machen, liefern in den überdachten Innenhöfen des Louvre einen erregenden Kommentar zur barocken Monumentalskulptur Frankreichs des siebzehnten, achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts."
Werner Spieß zur Retrospektive "Anthony Cragg - Figure out figure in", Louvre, Paris 2011.

Mitte der 1980er Jahre vollzieht sich im Werk Tony Craggs, der als einer der international bedeutendsten Bildhauer der Gegenwart gilt, eine entscheidende Wende: Die Arrangements aus Kunststoff und die Holzobjekte des Frühwerkes werden durch raumgreifende Bronzeplastiken abgelöst, in denen sich Cragg, der bald schon als herausragender Vertreter der "New British Sculpture" gefeiert wird, immer mehr von den formalen Grenzen der Gegenständlichkeit befreit. In seiner teils aus verschiedenen Behältern entwickelten Werkreihe der "Early Forms" dehnt, knautscht und dreht Cragg die Formen verschiedener Gefäßtypen und verschmilzt sie zu neuartigen, plastisch eigenständigen Bewegungsstrukturen, deren äußere Hülle vor unserem Auge von einer inneren Energie geformt zu werden scheint. Dann folgt die berühmte Werkserie, der ursprünglich aus dem Motiv des Kopfes entwickelten säulenartigen Scheibenformationen der "Points of View", welche trotz der Massivität der Bronze wie dynamisch zu allen Seiten hin ausgreifende Tänzer wirken. Auch in unserer Arbeit, die zu diesem zentralen Werkkomplex zählt, bleiben trotz der formalen Dekonstruktion je nach Perspektive stets Assoziationen an verzerrt erscheinende Profilköpfe bestehen. Gerade die übereinandergeschichteten Strukturen aus Tony Craggs bedeutendem Spätwerk changieren in einzigartiger Weise zwischen Gegenstandslosigkeit und Biomorphismus, loten die Grenzen zwischen Abstraktion und Dinglichkeit, zwischen freier Formgebung und figürlichem Assoziationsraum aus. Sie verweisen damit nicht nur auf Craggs naturwissenschaftliche Anfänge als Labor-Assistent in den 1960er Jahren, sondern sind auch eindrucksvolle Zeugnisse seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Formen und Figurationen, die in den Raum hineinwirken, ihn als Gestaltungsmittel unmittelbar in die Komposition mit einbeziehen. Cragg ist ein äußerst minutiöser, feinsinniger Konstrukteur, was man der abschließenden Leichtigkeit seiner Schöpfungen kaum mehr anmerkt. Lediglich ihre spektakuläre Allansichtigkeit lässt noch ihren akribischen Entstehungsprozess in einer Vielzahl von Skizzen und Modellen erahnen. Die scheibenartig übereinandergeschichteten Formgebilde entwickelt Cragg zudem mithilfe von Papierschablonen und Sperrholzmodellen. Die finalen Bronzen scheinen den umgebenden Raum durch ihre Massivität einerseits zu verdrängen und wirken doch zugleich durch ihre durchbrochene, schwingende Erscheinung fragil und von ihrer körperlichen Massivität entbunden. Besonders ist an der vorliegenden Arbeit aus dem Jahr 2009 die zweiteilige Struktur, wodurch sich zwischen beiden scheibenartigen Formgebilden, die wie zwei Tänzer in ihren Bewegungen ineinandergreifen, interessante Bezüge aus Bewegung und Gegenbewegung, Wechsel und Wiederholung entwickeln.
Tony Craggs Skulpturen befinden sich heute in zahlreichen bedeutenden öffentlichen Sammlungen, wie der Londoner Tate Gallery, dem Museum Ludwig in Köln, der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, dem Museum Folkwang, Essen, sowie dem Von der Heydt Museum, Wuppertal, das Craggs spektakuläres bildhauerisches Œuvre 2016 in einer großen Retrospektive gefeiert hat. [JS]



10
Tony Cragg
Untitled, 2009.
Bronze mit schwarz-grauer Patina
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 68.750

(inkl. Käuferaufgeld)