Auktion: 500 / Evening Sale am 17.07.2020 in München Lot 213

 

213
Georg Schrimpf
Im Hof/Geschwister, 1923.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 93.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Im Hof/Geschwister. 1923.
Öl auf Leinwand.
Praeger 1923/6. Rechts unten signiert und datiert. 68 x 48 cm (26,7 x 18,8 in).
Verso eine Variante des Gemäldes "Kuhhirte", teilweise mit Papier überklebt.

• Meisterwerk aus der epochalen Ausstellung "Neue Sachlichkeit" von 1925.
• „Schrimpfs sehr zart gehaltenes Bild ‚Im Hof‘ vor allem, aber auch Kanoldts [..] Stilleben sind nicht so rasch verlierbare Eindrücke.“ (Besprechung der Großen Berliner Kunstausstellung in: Der Cicerone, 16.1924, S. 632)
• Bedeutende Ausstellungshistorie.
• Typische Motivik aus seiner bedeutenden Schaffensphase
.

Mit einer Expertise von Dr. Christmut Präger, Heidelberg, vom 15. Oktober 2016 (Zweitschrift).

PROVENIENZ: Karl Nierendorf, Köln (1925).
Moderne Galerie Thannhauser, München (vor 1928, verso auf dem Keilrahmen mit einem Etikett).
Wohl Sammlung des Studienprofessors und Malers Franz Jaeger, München (1939).
Galerie Nikolaus Fischer, Frankfurt (verso auf dem Keilrahmen mit einem Etikett).
Privatbesitz Süddeutschland.

AUSSTELLUNG: Große Berliner Kunstausstellung 1924, Abteilung Novembergruppe, Nr. 988.
Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus, Städtische Kunsthalle Mannheim, 14.6.-13.9.1925, Nr. 112 (o. Abb.)/Sächsischer Kunstverein Dresden, 18.10-22.11.1925, Nr. 134/Chemnitz, 1925/26, Nr. 138.
Maler der 'Neuen Sachlichkeit', Kunsthaus Schaller Stuttgart, 1925, Nr. 518 ("Im Hof", verso auf dem Keilrahmen mit einem Etikett).
Neue deutsche Romantik, 126. Ausstellung der Kestner-Gesellschaft, Hannover 16.3.-29.4.1933, Nr. 3 (ohne Besitznachweis).
Georg Schrimpf. Gedächtnis-Ausstellung, Galerie Franke, München, 1939, Nr. 2+/Galerie von der Heyde, Berlin, 12.2.-6.3.1939, Nr. 2 (Leihgabe aus Münchner Privatbesitz).

LITERATUR: Franz Roh, Georg Schrimpf, in: Die Horen, 2. Jahrgang 1926, S. 255-260. Abb. S. 257 (betitelt "Geschwister").
Josef Adamiak, Georg Schrimpf. Ein Beitrag zum Problem der Malerei in der "Neuen Sachlichkeit", ungedruckte Diplomarbeit Kunstgeschichtliches Institut der Humboldt-Universität Berlin (DDR) 1961, S. 34-35 m. Abb. 40.
Wolfgang Storch, Georg Schrimpf und Maria Uhden, Berlin 1985, m. Farbabb. S. 116.

"Nach der Volksschule wollte ich gerne eine Anstalt besuchen, die mich im Zeichnen hätte unterweisen können. Aber mir fehlte der Mut und die Selbständigkeit, um mich durchzusetzen, und so schob man mich zu einem Zuckerbäcker in die Lehre". So schildert Georg Schrimpf in einer Autobiografie seine unglücklich verwirkten künstlerischen Ambitionen in jungen Jahren. Die Lehrzeit in Passau dauert drei Jahre, dann geht der 16-Jährige auf Arbeitssuche. Als Bäcker, Kellner, Kohlenschaufler durchzieht er die nächsten vier Jahre vorwiegend den Norden Deutschlands, wie überhaupt das Reisen und ein ständiger Wohnortwechsel ein wichtiger Bestandteil seiner Vita wird. 1909 geht Schrimpf nach München. Er gerät in eine anarchistische Bewegung, die ihn oft in die Schweiz und nach Italien führt, wo er sich 1913 für längere Zeit an den Lago Maggiore zurückzieht. In dieser Zeit beginnt Schrimpf, Akte von Michelangelo und Raffael zu kopieren. Dann kehrt er nach München zurück und arbeitet dort wieder als Bäcker und Koch. Doch nutzt er die freie Zeit für seine eigentliche Berufung: Er zeichnet und aquarelliert. Als Schrimpf 1915 nach Berlin kommt, nimmt er weiterhin diverse Tätigkeiten an, doch beflügelt ihn nun die aktuelle Kunst, die er hier erstmals zu sehen bekommt, zu ersten Ölgemälden. Im selben Jahr noch zeigt die Galerie "Der Sturm" zum ersten Mal die Bilder des Autodidakten. 1920 arrangiert die Galerie Goltz in München - wo Schrimpf inzwischen wieder ansässig ist - die erste Einzelausstellung für den Künstler. Bereits fünf Jahre später, 1925, ist er in der Mannheimer Ausstellung zur Neuen Sachlichkeit mit zwölf Bildern herausragend vertreten.

Auch unser Bild ist auf dieser wichtigen Mannheimer Ausstellung 1925 vertreten. Es zeigt die vielen Einflüsse, die im malerischen Werk von Georg Schrimpf vereint sind: Da ist zum einen das Vorbild der Malerei der deutschen Romantik und im besonderen die der Nazarener, zum anderen die der italienischen Renaissance. Doch auch Impulse aus den Arbeiten der Zeitgenossen sind in das malerische Werk von Georg Schrimpf eingeflossen. So ist die gängige Zuweisung seiner Malerei zur Neuen Sachlichkeit zwar richtig, aber in ihrem Kern nur bedingt zutreffend. Georg Schrimpf hat in seinen Werken, davon vor allem in den Personendarstellungen, eine Welt der Kontemplation, des Innehaltens geschaffen, die im Kontext der Malerei der Zeit ihresgleichen sucht. Die kühl distanzierte Sichtweise der Neuen Sachlichkeit war ihm fremd. Seine Motive sind von einer stillen Wärme der Empfindung getragen.

Schrimpfs Werke befinden sich in zahlreichen bedeutenden öffentlichen Sammlungen, u. a. der Akademie der Künste, Berlin, der Kunsthalle Mannheim, dem Kunstmuseum Basel, im Museum Folkwang, Essen, sowie im Von der Heydt-Museum, Wuppertal. Zudem wurden Werke Schrimpfs in einer Vielzahl von Ausstellungen gezeigt, darunter die Schau "Neue Sachlichkeit" in der Pinakothek der Moderne, München (2005), sowie "Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit" im Kunstmuseum Stuttgart (2012). [EH]



213
Georg Schrimpf
Im Hof/Geschwister, 1923.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 93.750

(inkl. Käuferaufgeld)