Auktion: 490 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 22.11.2019 in München Lot 55

 

55
Franz von Stuck
Phryne, Kurz vor 1925.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Phryne. Kurz vor 1925.
Bronze mit schwarzbrauner Patina.
Unten mittig auf dem Sockel bezeichnet "Franz von Stuck" sowie in der Sockelmitte betitelt "Phryne". 51,8 x 19,3 x 10,9 cm (20,3 x 7,5 x 4,2 in).
Gegossen von Cosmas Leyrer, München (verso unten am Sockel mit dem Gießerstempel). Die Skulptur gehört zu den wenigen Exemplaren mit einer Bodenplatte unter dem würfelförmigen Sockel.

PROVENIENZ: Mary Stuck, Tochter des Künstlers.
Hochzeitsgeschenk an ihre Nichte 1928.
Seither in süddeutschem Familienbesitz.

AUSSTELLUNG: in Auswahl:
Münchner Kunstausstellung im Glaspalast, München 1925, Kat.-Nr. 2433 (wohl anderes Exemplar).
Große Berliner Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof, Berlin 1925, Kat.-Nr. 990 (wohl anderes Exemplar).
La XV Esposizione Internazionale d’Arte della Città di Venezia, Venedig 1926, Nr. 1155 (unser Exemplar, auf der Sockelinnenseite mit dem Ausstellungsetikett sowie dem Zolletikett).
Franz von Stuck, Maler - Graphiker - Bildhauer - Architekt, Museum Villa Stuck, München 1982, Kat.-Nr. 142 (m. Abb., wohl anderes Exemplar).
Spiel und Sinnlichkeit, Franz von Stuck 1863-1928, Mittelrhein-Museum, Koblenz 1998, Kat.-Nr. 63 (mit Abb., wohl anderes Exemplar).
Sünde und Secession. Franz von Stuck in Wien, Unteres Belvedere, Wien, Juli bis Oktober 2016, S. 292 (m. Abb., wohl anderes Exemplar).

LITERATUR: Angela Heilmann, Die Plastik Franz von Stucks, München 1985, Nr. 10.
Ausst.-Kat. Franz von Stuck. Gemälde, Zeichnung, Plastik aus Privatbesitz, Museum Moderner Kunst, Passau 1993/94, Abb. 79 (anderes Exemplar).
Ausst.-Kat. Franz von Stuck. 1863-1928. Eros und Pathos, Van Gogh Museum, Amesterdam, September 1995 - Januar 1996, Kat.-Nr. 59.
Claudia Gross-Roath, Das Frauenbild bei Franz von Stuck, Weimar 1999, S. 277 (ohne Abb.)
Thomas Raff, Die Kraft des Mannes und die weiche Schmiegsamkeit des Weibes. Franz von Stuck: Das plastische Werk, 2011, S. 72, Abb. 63.

Ab etwa 1917 befasst sich Franz von Stuck in mehreren Arbeiten mit der mythologischen Figur der Phryne. Die wohl bekannteste Hetäre der Antike war wegen ihrer Schönheit, ihres Geistes und ihrer mäzenatischen Gesinnung weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt Athen hinaus bekannt. Als sie dort wegen Gottlosigkeit angeklagt wurde, soll ihr Verteidiger und Liebhaber Hypereides sie entblößt haben und so einen Freispruch bei den von Phrynes Schönheit beeindruckten Richtern erwirkt haben. Diesen Moment zeigt 1861 der französische Maler Jean-Léon Gérôme in seinem Gemälde, das zur Ikone und Vorlage vieler Künstler der Zeit wird und sehr wahrscheinlich auch Franz von Stuck als Inspiration diente. Stuck, der seine späten Arbeiten überwiegend Frauengestalten aus Mythos und Legende widmet, deutet die Sage jedoch um und lässt die Heldin sich selbst entkleiden. Er verzichtet dabei in typischer Manier auf erzählendes Beiwerk und zeigt Phryne als starke, selbstbewusste Frau. Die muskulösen Arme erhoben, richtet sie den Blick über die Betrachter hinweg in die Ferne. Der leicht nach vorne gesetzte linke Fuß deutet eine Vorwärtsbewegung an. Von ihrem schleierartigen Umhang hinterfangen, präsentiert sie ohne Scheu ihren Körper. Die innere Stärke Phrynes wird unterstrichen von der ornamentalen Stilisierung und der archaischen Geschlossenheit der Statuette. Diese Formensprache nimmt ihren Anfang mit Stucks Griechenlandreise im Jahr 1904 und prägt sein gesamtes Spätwerk. Dagegen steht die bewusst flirrende Oberfläche der Figur, die im Gegensatz zu den früheren, glatt polierten Bronzen wie der Amazone oder dem Athleten steht. So verbindet Franz von Stuck in dieser besonders schönen Bronzearbeit die griechische Archaik mit dem Geist der Moderne. Das bildhauerische Werk Stucks ist im Vergleich zu seiner malerischen Produktion zwar klein, aber er gehört zweifellos in die bedeutende Reihe der Maler-Bildhauer wie etwa Courbet, Renoir oder Klinger. [EL]



55
Franz von Stuck
Phryne, Kurz vor 1925.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inkl. Käuferaufgeld)