Auktion: 479 / Klassiker des 20. Jahrhunderts I am 08.12.2018 in München Lot 856

 

856
Georg Kolbe
Vornübergebeugter Akt, 1906.
Skulptur. Florentiner Kalkstein
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 62.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Vornübergebeugter Akt. 1906.
Skulptur. Florentiner Kalkstein.
Unikat. 72 x 55 x 34 cm (28,3 x 21,6 x 13,3 in).

Unikat, welches als verschollen galt. Eine Arbeit aus dem frühesten bildhauerischen Werk Kolbes und eines von wohl zwei Arbeiten, die der Künstler während seines Aufenthaltes in Florenz als Stipendiat in der Villa Romana anfertigte..

Mit einem Gutachten von Dr. Ursel Berger, Berlin, vom 29. Oktober 2018.

PROVENIENZ: Sammlung Paul und Herta Rohs, Radevormwald.
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (durch Erbschaft).

AUSSTELLUNG: 11. Ausstellung der Berliner Secession, Berlin 1906, Nr. 321, S. 33 (ohne Abb.).

"..mit dem Malen habe er sich herumgeschlagen - eine zerquälte Zeit! Dann kapitulierte der Maler - eine Figur wurde modeliert - ich war zum Bildhauer bestimmt. Der Wunsch meiner Kindheit hatte sich erfüllt."
Georg Kolbe, 1931, zit. nach: Ursel Berger, Georg Kolbe, Leben und Werk, Berlin, 1990, S. 23.

Georg Kolbe ist einer der erfolgreichsten Bildhauer seiner Zeit. Zunächst beginnt er mit einem Studium der Malerei in Dresden und München. 1898 reist Kolbe nach Rom, der dreijährige Aufenthalt beflügelt ihn und gibt seiner künstlerischen Arbeit neue Impulse. Er bezieht ein Atelier in der Via Margutta und kommt schnell mit der deutschen Künstlerkolonie in Rom in Kontakt. Hier lernt er August Gaul, August Kraus und Louis Tuaillon kennen. Der Übergang von der Malerei zur Bildhauerei ist ein Jahre andauernder Prozess. Der Bildhauerei nähert sich Georg Kolbe autodidaktisch unter Anleitung seiner neu gewonnenen Künstlerfreunde. Insbesondere Tuaillon unterstützt den Neuling und gibt ihm technische Hilfestellung. In dieser Zeit entstehen die ersten Porträtköpfe junger Italiener. 1901 modelliert er seine erste Figur, "Keulenschwinger", die heute als verschollen gilt. Kurzzeitig nach Deutschland zurückgekehrt, wird Kolbe 1905 auf Empfehlung von Max Klinger einer der ersten Stipendiaten der Villa Romana in Florenz. Dort bleibt er nur ein halbes Jahr, wahrscheinlich reist er aus finanziellen Gründen vor Ablauf des einjährig gedachten Aufenthalts bereits im April 1906 aus Florenz ab. Von Anfang an gilt das künstlerische Interesse Kolbes der menschlichen Figur, vor allem Akt. Er studiert die reine Beschaffenheit des Körpers und seine Erscheinung in der Bewegung, ohne verschleiernde Kleidung oder ablenkende Attribute. Dabei geht es ihm weniger um die detailgetreue Wiedergabe der Physiognomie, sondern um die Reduzierung auf das Wesentliche, die Herauskristallisierung der reinen Form. Auf dem Weg zu diesem Ideal entsteht die Skulptur "Vornübergebeugter Akt". Man erkennt bereits Kolbes interessierten Blick auf die Bewegung: der starke, gebeugte Körper des Mannes, dem man die Anstrengung der Bewegung ansieht, bei der alle Muskeln und Sehnen angespannt sind. In der Auffassung der Form ist noch ein gewisser Pathos unter Einfluss von Max Klinger und Otto Greiner zu erkennen, auch bemerkt man Georg Kolbes Bewunderung für Michelangelo. Aus Florenz schreibt er an einen Freund: "Florenz macht uns gewiss viel Vergnügen. Michelangelo und Donatello üben grosse Macht auf uns aus und sind künstlerisch das, was mich aufrecht erhält." (zit. nach: Philipp Kuhn, Die Villa Romana von ihrer Gründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, o. J, o. S., http://www.villaromana.org/upload/Texte/Archivtext2.pdf). Wie seine erste Figur "Keulenschwinger" galt auch unser Werk lange Zeit als verschollen, befand sich aber Jahrzehnte in der Familie eines großen Kolbe-Liebhabers und Sammlers, der zu Lebzeiten Kolbes die Arbeiten direkt vom Künstler erhalten hat. [SM]



856
Georg Kolbe
Vornübergebeugter Akt, 1906.
Skulptur. Florentiner Kalkstein
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 62.500

(inkl. Käuferaufgeld)