Das im Jahr der Auflösung der expressionistischen Künstlergemeinschaft "Brücke" entstandene Blatt "Frau mit aufgelöstem Haar" zählt zu den Meisterwerken expressionistischer Grafik. Gerade im Holzschnitt und dem für die Technik des Hochdruckes charakteristischen pointierten Hell-Dunkel-Kontrast, dem Gegensatz von Figur und Grund sowie der kantigen Linienführung haben Kirchner und Schmidt-Rottluff ein besonderes Ausdruckspotenzial für ihre expressive Kunstauffassung erkannt. Für die Auflösung der Künstlergemeinschaft im Jahr 1913 ist neben dem Führungsanspruch Kirchners auch die Tatsache verantwortlich zu machen, dass ihre Mitglieder, allen voran Schmidt-Rottluff, Kirchner und Heckel, zu künstlerischer Reife gelangt sind und sich zunehmend vom Diktat der Gruppe zu emanzipieren beginnen. In dem Blatt "Frau mit aufgelöstem Haar" kulminiert all das, was für die Grafik des Expressionismus charakteristisch ist. Die Konzentration auf den isolierten weiblichen Akt im archaischen Haltungsmotiv des Hockens, das scharfe Umreißen der Form sowie der Kontrast von schwarzen und weißen Flächen bei weitgehendem Verzicht auf Binnenkonturen brechen sich in dieser Schöpfung Schmidt-Rottluffs meisterlich Bahn. [EH]