Die französische Künstlergrafik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt in den Arbeiten der Künstler des Impressionismus einen Stilwandel, der die europäische Grafik bis in das 20. Jahrhundert weitestgehend mitbestimmt. Besonders auf dem Gebiet der Farblithografie hat Toulouse-Lautrec hier Außerordentliches geleistet. Seine kühnen Entwürfe, die er selbst auf dem Stein verwirklicht hat, oft unter Verwendung unorthodoxer technischer Methoden, sind Ausdruck einer Epoche ungehemmten Experimentierens mittels Farbe und Form. Der Künstler gibt der Farbfläche eine neue dynamische Form, die den Charakter der Komposition bestimmt. Seine Themenwelt ist die der Pariser Bohème, der Tanzpaläste und der käuflichen Frauen, die den kurzen Höhepunkt ihres Erfolges zu genießen scheinen. Die heimliche Liebeserklärung an ein Paris, das in dieser Zeit an Glanz und Verlockung alle anderen europäischen Metropolen überstrahlt, ist der Kern seiner Aussage. Und Toulouse-Lautrec tut dies mit einfachen Mitteln. Nicht die Schilderung einer eindrucksvollen Stadtlandschaft bestimmt sein Werk. Seine Botschaft ist die der Schilderung der abendlichen Vergnügungen. Die Königinnen der Nacht sind es, die, wie in unserem Blatt dominierend, einem anonymen Publikum gebieten, das ihnen willig folgt. Sie verkörpern das Paris Toulouse-Lautrecs. Schöner und eindruckvoller ist wohl kaum einer Stadt und ihrem Lebensgefühl gehuldigt worden. [FS]