Auktion: 470 / Kunst nach 1945 I am 09.06.2018 in München Lot 903

 

903
Enrico Castellani
Superficie bianca, 1980.
Acryl
Schätzung:
€ 250.000
Ergebnis:
€ 312.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Superficie bianca. 1980.
Acryl farbe auf reliefierter Leinwand.
Wirz/Sardella 489. Auf der umgeschlagenen Leinwand signiert, datiert und betitelt. 100 x 150 x 6 cm (39,3 x 59 x 2,3 in).

Die Arbeit ist im Archiv der Fondazione Archivio Enrico Castellani, Mailand, unter der Nummer 80-012 registriert.

PROVENIENZ: Galleria Peccolo, Livorno.
Privatsammlung.
Kunsthaus Lempertz, Auktion 749, 21. November 1997, Los 101, Abb. Farbtafel 4.
Privatsammlung Süddeutschland (in der vorgenannten Auktion erworben).

AUSSTELLUNG: ZERO, Ketterer Kunst Berlin 20.3.-11.4.2015; Ketterer Kunst Düsseldorf 15.-24.4.2015, mit Abb., o. S.

"Für mich ist Weiß keine Farbe, es ist eher die Abwesenheit von Farbe. Allein durch die Art und Weise der Behandlung der Oberflächen versuche ich in meinen Bildern etwas so objektiv wie möglich zu schaffen, und das gleiche trifft für die Farbe zu. Weiß ist für mich die Farbe, oder vielmehr die Nichtfarbe, die diese Objektivierung am meisten wahrnehmbar macht."
Enrico Castellani im Interview mit L. Vincenti, 1983, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausg. 75, München 2006, S. 2.

Angeregt durch das künstlerische Schaffen Lucio Fontanas und Piero Manzonis, entwickelt Castellani ab 1959 monochrome Oberflächenstrukturen, die unser traditionelles Bildverständnis zunehmend um das Element der Tiefe erweitern. Anfang der 1960er Jahre dann setzt Castellanis wohl bedeutendste Werkgruppe der "Superficie trapunte" ein, die kunsthistorisch als einer der entscheidenden Beiträge der italienischen Nachkriegsmoderne zu werten ist und zu der auch unser eindrucksvolles Querformat zählt. Durch eine rhythmische Gliederung der Leinwand durch die Unterfütterung derselben mit Metallstiften gelingt es Castellani, den Einfall des Lichtes als gestalterisches Element mit in die Komposition einzubeziehen. Wie Fontana, der durch seine progressive Kunstauffassung der "Bucchi" und "Concetti spaziali" als eine Art Vorbildfigur für die jüngeren Künstler des "ZERO"-Kreises gilt und bis 1965 auf allen großen Ausstellungen der Gruppe vertreten ist, sucht auch der gut 30 Jahre jüngere Castellani den Kontakt zur Künstlergruppe "ZERO" und nimmt ebenfalls bis 1965 an deren wichtigsten Ausstellungen teil. Castellanis Schöpfungen zeichnen sich durch ihren reduzierten Perfektionismus aus, der das Spiel von Licht und Schatten zum Protagonisten seiner Malerei erklärt, die fortan weder Farbe noch Linie als Ausdrucksträger benötigt. Gleichwie die vorliegende, sanft schwingende Schöpfung Castellanis dem Künstler im Zuge ihrer praktischen Umsetzung Geduld, Sorgfalt und eine geradezu meditative Hingabe abverlangt hat, findet nun auch das Auge des Betrachters in der allmählichen Erkundung der präzisen Oberflächenmodulation aus monochromen Höhen und Tiefen, konkaven und konvexen Elementen einen optischen Ruhepunkt, der ein totales Aufgehen im Gegenwärtigen und geistige Entrücktheit zu stimulieren vermag. Anders als etwa bei den Arbeiten Mark Rothkos, des Protagonisten der amerikanischen Farbfeldmalerei, sieht sich der Betrachter nicht mit einem meditativen Farbraum, sondern einem scheinbar entgrenzten, meditativen Tiefenraum konfrontiert, der ihn im Moment der Betrachtung wiederum gleichsam auf sich selbst zurückwirft. [JS]



903
Enrico Castellani
Superficie bianca, 1980.
Acryl
Schätzung:
€ 250.000
Ergebnis:
€ 312.500

(inkl. Käuferaufgeld)