Auktion: 459 / Klassische Moderne I am 09.12.2017 in München Lot 668

 

668
Albert Birkle
Klettenfeve und Josevetter, 1927.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 125.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Klettenfeve und Josevetter. 1927.
Öl auf Malpappe.
Kraker 430. Links unten signiert. Verso signiert und betitelt. 100,5 x 71,5 cm (39,5 x 28,1 in).

Wir danken Roswita und Viktor Pontzen, Archiv und Werkbetreuung Albert Birkle, Salzburg, für die freundliche Unterstützung. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche erweiterte Werkverzeichnis aufgenommen.

PROVENIENZ: Stadtpfarrer Heinrich Brobeil, Mengen (wohl in den 1970er Jahren direkt vom Künstler erhalten).
Privatsammlung Süddeutschland (durch Erbschaft vom Vorgenannten).

AUSSTELLUNG: Sonderausstellung Albert Birkle, 1. Kollektivausstellung, Hinrichsen im Künstlerhaus Bellevuestraße, Berlin, 1927, Ausstellungsliste Nr. 19.
Kollektivausstellung Albert Birkle, Städtisches Museum Ulm, 1929, Ausstellungsliste Nr. 23.
Albert Birkle. Ölmalerei und Pastell, Kulturamt der Stadt Salzburg und Salzburger Museum Carolino Augusteum, Museumspavillon am Mirabellgarten, 11.7.-7.9.1980, Kat.-Nr. 21 mit Farbabb.

LITERATUR: Hellweg, Zeitschrift für Deutsche Kunst, 7. Jg., Heft 22, Essen 25.11.1927 als Titelbild.
Velhagen & Klasings Monatshefte, 44. Jg., Bd. 1, Heft 2, Oktober 1929, S. 237.
Rudolf Pefferkorn. Albert Birkle, Leben und Werk. Hamburg 1983, S. 54 und 50 mit Farbabb. Nr. 33.
"Klettenfeve heißt Genoveva Klett; Vetter Joseph war früher Eisenbahnarbeiter, ist jetzt in Pension und steht unter der treusorgenden Hut der Klettenfeve. Beide sind in Birkles Augen echte Vertreter schwäbischen Bauerntums, zwei treue und liebenswerte Menschen, die Kräuter sammeln und alle Pflanzen kennen. Sie sind, wie in ihrem Beruf, auch äußerlich fern der neuen Zeit und lassen sich durch törichtes Gespött der Nachbarn nicht beirren. Sie kleiden sich nach alter Weise, d.h. so wie es ihre Arbeit verlangt und wie es deshalb, mit kleinen Wandlungen, eigentlich immer Mode gewesen ist. Sie haben, wie Birkle bewundernd sagt, stolz und königlich den Glauben an sich selbst in einer fremden Welt und Zeit."
Velhagen & Klasings Monatshefte, 1929, S. 235-236.

Der genaue, fast sezierende Blick Birkles auf seine Modelle ist von einer geradezu schockierenden Direktheit. Und doch ist auch eine Zuneigung zu den Porträtierten mit ihren deutlich erfühlten Lebenslinien nicht zu übersehen. Die akribische Malweise Birkles, die in ihrem kritischen Realismus kaum zu überbieten ist, vermittelt auch viel von der inneren Haltung der Dargestellten. In fast naiver Präsenz verkörpern sie eine gelebte Gegenwart. Die verborgene Würde des Alters auch in der Entbehrung - die in die Dreierkomposition genommene genügsame Ziege ist ein Symbol dafür - wurde kaum wieder so deutlich dargestellt wie in dieser Arbeit von Albert Birkle aus den zwanziger Jahren. Haben Zeitgenossen wie Otto Dix und George Grosz die Kleinbürgerlichkeit der Deutschen oft zum Anlass genommen, ihr in karikierender Weise nachzuspüren, um sie bloßzustellen, so ist bei Birkle eher das Gegenteil zu beobachten. Die inneren Werte des Menschen stehen bei ihm im Vordergrund, ungeachtet der sozialen Stellung. Besonders in diesen Porträts der zwanziger Jahre erarbeitet Albert Birkle ein Bild des Menschen, der als Gefangener seiner Umwelt, in der er aufwuchs, die ihm eigene Würde nicht verloren hat.



668
Albert Birkle
Klettenfeve und Josevetter, 1927.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 125.000

(inkl. Käuferaufgeld)