Auktion: 439 / Klassische Moderne II am 08.12.2016 in München Lot 126

 

126
Emil Nolde
Riesenschildkröte, 1923/24.
Aquarell
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 22.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Riesenschildkröte. 1923/24.
Aquarell.
Rechts unten signiert. Auf Japan, auf dünnem, beigefarbenen Karton aufgezogen. 33 x 47,4 cm (12,9 x 18,6 in), blattgroß.

Eine der seltenen Tierdarstellungen im Aquarellwerk Noldes.
Mit einer Fotoexpertise von Dr. Martin Urban vom 10. Februar 1979.

PROVENIENZ: Museum Wiesbaden (bis 1937, dort mit dem Titel "Wasserschildkröte").
Leonhard Hansen, Kiel (Bruder des Künstlers, direkt vom Museum erworben).
Privatsammlung Norddeutschland (direkt vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Kiel (direkt vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: 30 Deutsche Künstler aus unserer Zeit, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, Neues Museum, Wiesbaden, April-Juni 1929.

In keiner anderen Technik hat sich Emil Nolde so frei bewegt wie im Aquarell. Die reine Farbe im Japanpapier war für ihn der Inbegriff spontaner Erfassung des Sujets. Alle Unwägbarkeiten der Technik, insbesondere das Verlaufen der Aquarellfarben, dienten einem künstlerischen Ausdruck, der im engeren Sinne gewollt, im weiteren einem gestaltenden Element des Zufalls unterlag. Nolde konzentrierte sich ganz auf das Sujet, das fast immer groß in die Komposition genommen wird. Das verleiht den Aquarellen eine Authentizität, die als besonderes Merkmal von Noldes Aquarellwerk gesehen werden sollte. Abgesehen von der künstlerischen Brillanz des Blattes ist seine Geschichte eine wechselvolle. Es ist davon auszugehen, dass das Blatt Anfang des 20. Jahrhunderts dem Museum Wiesbaden gehört hat. Im Zuge der beginnenden Diffamierung expressionistischer Kunst wurde das Werk ab 1930 im Depot gelagert und kam für eine Wiederausstellung nicht mehr in Frage. Als sich dem damaligen Museumsdirektor Voss 1937 die Gelegenheit bot, die "Danae" des venezianischen Meisters Sebastiano Ricci für die Sammlung zu erwerben, wurden dafür Arbeiten von Emil Nolde eingetauscht. Leonhard Hansen, der Bruder von Emil Nolde, stellte die Mittel für den Kauf des Ricci-Gemäldes zur Verfügung und erhielt im Gegenzug Werke seines Bruders aus Museumsbesitz (vgl. Peter Forster, Miriam Olivia Merz, Provenienzforschung im Museum Wiesbaden 2009-2011, in: Erblickt, verpackt und mitgenommen - Herkunft der Dinge im Museum. Provenienzforschung im Spiegel der Zeit, hrsg. von Ulrich Krempel u. a., Hannover o. J. (2012), S. 89-107 (hier S. 95-98)). Es ist möglich, dass das vorliegende Aquarell zu den getauschten Werken gehörte. Das Blatt wurde so vor der Beschlagnahmung und Verwertung innerhalb der Aktion "Entartete Kunst" bewahrt.



126
Emil Nolde
Riesenschildkröte, 1923/24.
Aquarell
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 22.500

(inkl. Käuferaufgeld)