Auktion: 432 / Klassische Moderne I am 11.06.2016 in München Lot 314

 

314
Otto Mueller
Zwei Mädchen auf der Waldwiese/Zwei Akte auf Waldwiese/Im Gras, Um 1910.
Tempera
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 375.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Zwei Mädchen auf der Waldwiese/Zwei Akte auf Waldwiese/Im Gras. Um 1910.
Tempera, Mischtechnik auf Leinwand.
Von Lüttichau 57. Rechts unten monogrammiert. Verso signiert und bezeichnet. 70,5 x 85,5 cm (27,7 x 33,6 in).
[EH/EL].
Marktfrisches Bild aus Privatbesitz.

Wir danken Frau Dr. Tanja Pirsig-Marshall und Herrn Dr. Mario von Lüttichau für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Hans und Ella J. Heymann, Berlin.
Galerie Flechtheim, Berlin, in Kommission aus dem Eigentum der Vorgenannten (seit 1. September 1931).
Galerie Ferdinand Möller, Berlin (Juli 1933, in Kommission, möglicherweise in Kooperation mit dem Vorgenannten).
Dr. Wilhelm Fulda, Lautawerk (im Juli 1933 durch Vermittlung des Vorgenannten erworben-1950).
Privatsammlung Sachsen-Anhalt (1950 durch Erbschaft vom Vorgenannten-1972).
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (1972 durch Erbschaft vom Vorgenannten).
Seither in Familienbesitz.
Es besteht eine Einigung und das Kunstwerk ist frei von Restitutionsansprüchen.

AUSSTELLUNG: Neuere Deutsche Kunst aus Berliner Privatbesitz, Nationalgalerie, Berlin, 1928, Kat.-Nr. 127.
Otto Mueller. Gedächtnisausstellung, Schlesisches Museum der Bildenden Künste, Breslau, 1931, Kat.-Nr. 5 (hier mit der Besitzerangabe Heymann).
Otto Mueller. Gedenk-Ausstellung, Nationalgalerie, Berlin, 1931, Kat.-Nr. 18.
Von der Heydt-Museum, Wuppertal (seit 2006 Dauerleihgabe).




Otto Mueller wird am 16. Oktober 1874 in Liebau im Riesengebirge geboren. Die ersten Jahre verbringt er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern auf dem Gutshof der Großeltern in Liebau. 1882 zieht er zum Vater nach Görlitz, besucht dort die Volksschule und später das Gymnasium. 1890-92 absolviert er eine Lithografenlehre in Görlitz und Breslau. Mueller studiert von 1894 bis vermutlich 1897 an der Dresdner Kunstakademie bei Georg Hermann Freye und für kurze Zeit bei Carl Ludwig Noah Bantzer. 1898/99 geht Mueller mit seinem Freund Paul Kother zum Studieren nach München. Trotz der Intervention von Gerhart Hauptmann wird er von Franz von Stuck nicht für das Wintersemester angenommen, da der Kurs schon voll ist. Stuck gibt ihm den Rat, es zum Sommersemester erneut zu versuchen. Mueller möchte sich lieber autodidaktisch weiterbilden und zieht nach Wolfratshausen, in den Münchner Süden. Im Herbst 1899 bricht er mit dem Fahrrad nach Dresden auf, lebt und arbeitet überwiegend dort und in der Umgebung bis zum Jahre 1908, in dem er nach Berlin geht. Dort macht Mueller die Bekanntschaft von Wilhelm Lehmbruck und Erich Heckel, der Mitglied der Künstlergruppe "Brücke" ist. Seine künstlerischen Anfänge liegen im Jugendstil. Daher rührt seine Betonung des Linearen und des Dekorativen. Wichtig wird dann der Einfluss von Wilhelm Lehmbruck, der Mueller zur Betonung der Silhouettenformen und einem klassischen, elegant-grazilen Figurenstil anregt. Er selbst wird 1910 Mitglied Künstlervereinigung "Brücke".
Beeinflusst durch seine Malerkollegen Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel, die mit ihren Sujets badender Akte an den Moritzburger Seen eine neue Welt der Freilichtmalerei entdecken, interpretiert Otto Mueller deren Vorgaben ganz für sich in einer neuen und bis dahin ungewohnten Weise. Während Kirchner und Heckel in ihren Werken das Lustvoll-Animalische visualisieren, umgibt Muellers badende Akte weitaus mehr Zurückhaltung. Kompositorisch verweist Otto Mueller in unserem Bild auf das "Déjeuner sur l`herbe" von Edouard Manet, auch wenn er ausschließlich weibliche Akte zeigt. Das sinnliche Erleben der Natur und die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers bringt Otto Mueller in harmonischen Zusammenklang, unterstrichen von der zarten, von Grün- und Blautönen dominierten Farbpalette. Die umgebende Natur ist weit stärker bildbeherrschend als bei Kirchner und Heckel. Otto Muellers Akte verharren darin wie hineingeboren. Der kecken Farbenpracht seiner Kollegen kann Mueller nichts abgewinnen, seine Arbeiten, die immer stark von einem zeichnerischen Duktus bestimmt sind, werden hier von eine Palette belebt, die ihren Grundausdruck in der Ausgeglichenheit von Gegensätzen findet.
Durch die Hinwendung zum Expressionismus verändert sich Muellers Stil: vor allem im Figürlichen wird er großflächiger, die Konturen zeichnet er schärfer. Dazu schafft er nun in einer gedämpften erdigen Farbskala seine typischen Sujets - blasse, melancholische Mädchenakte in freier, stiller, stark vereinfacht dargestellter Landschaft. Obwohl Mueller als wichtiger Vertreter des Deutschen Expressionismus gilt, trennt ihn doch auch vieles von dieser Kunstauffassung. Denn statt Leidenschaft entwirft er eine große harmonische Vereinfachung von Form, Farbe und Konturenspiel. Nach zweijährigem Kriegsdienst von 1916 bis 1918 folgt Mueller 1919 einem Ruf an die Breslauer Akademie, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1930 lehrt.



314
Otto Mueller
Zwei Mädchen auf der Waldwiese/Zwei Akte auf Waldwiese/Im Gras, Um 1910.
Tempera
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 375.000

(inkl. Käuferaufgeld)