Auktion: 415 / Klassische Moderne am 06.06.2014 in München Lot 356

 

356
Georg Tappert
Fasching, Um 1920-1922.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 85.400

(inkl. Käuferaufgeld)
Fasching. Um 1920-1922.
Öl auf Leinwand.
Wietek 238. Verso von der Witwe des Künstlers handschriftlich bezeichnet "Fasching ca. 1920-22 von Georg Tappert, Annalise Tappert 1960". 70,5 x 62,8 cm (27,7 x 24,7 in). [KD].

PROVENIENZ: Privatsammlung Norddeutschland.

AUSSTELLUNG: Georg Tappert. Deutscher Expressionist, Stiftung Schleswig-Holsteinisches Landesmuseen, Schloß Gottorf, Schleswig 20.3.-12.6.2005/Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 21.7.-23.10.2005, Kat.Nr. 62 (mit Farbabb.).
Georg Tappert. Frauen 1910-1933, August Macke Haus, Bonn 30.5.-14.9.2008/Kunstmuseum Bayreuth, 25.10.2008-1.2.2009, S. 70 (mit ganzseitiger Farbtafel).

Georg Tapperts Weg in die Kunst beginnt nach einer Schneiderlehre und zwei Berufsjahren, als ihm Max Liebermann bescheinigt, "daß in demselben Anlagen sind, die des Ausbildens werth wären". Mit diesem Schreiben geht der junge Tappert 1900 an die Karlsruher Akademie, 1903/04 arbeitet er als Assistent von Paul Schultze-Naumburg an dessen Kunstschule Burg Saaleck. In Weimar wird 1904 der "Deutsche Künstlerbund" gegründet, deren Mitglied auch Tappert wird. Seine frühen Einflüsse kommen von Gauguin, Cézanne und Munch. Bevor der Künstler 1906 nach Worpswede übersiedelt, hält er sich im Jahr 1905 als freier Maler und Grafiker in Berlin auf und zeigt seine Werke in einer ersten Einzelausstellung bei Paul Cassirer. In Worpswede, wo Tappert Paula Modersohn-Becker kennen lernt, gründet er 1907 eine private Kunstschule, deren bedeutendster Schüler Wilhelm Morgner wird. Als Tappert 1909 nach Berlin zurückkehrt, beteiligt er sich an den Sezessions-Ausstellungen. Seine Tätigkeit als Kunstlehrer setzt er zusammen mit Moritz Melzer in der neu gegründeten "Schule für freie und angewandte Kunst" fort. Die Ablehnung der Werke von 27 Künstlern für die 20. Ausstellung der Sezession - unter ihnen Georg Tappert - führt zur Gründung der "Neuen Sezession 1910" und ihrer ersten Ausstellung im Mai desselben Jahres. Nach dem Präsidenten, Max Pechstein, ist Tappert bis zur Auflösung 1914 der 1. Vorsitzende der Vereinigung. Zusammen mit Käthe Kollwitz u.a. ruft er 1911 die Berliner Ausstellung der "Juryfreien" ins Leben. Bedeutend für Tapperts Kunstschaffen nach dem Militärdienst im Jahr 1918 wird die Gründung der "Novembergruppe", deren Ziel neue Formen einer volksnahen Kunst sind. 1919 nimmt der Künstler seine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunstschule wieder auf, wo er mit 41 Jahren zum Professor ernannt wird. In dieser Zeit führt er auch seine erste Ehe mit der ehemaligen Schülerin Kathleen Bagot, die er 1919 heiratet. Sie verstirbt jedoch bereits 1925.

Frauen, immer wieder Frauen sind es, die das malerische Werk von Tappert thematisch bestimmen. Ob in hoffnungsloser Situation der Vereinsamung oder in Gestalt der dominanten Verführerin, Tappert findet den Weg zu einer Weiblichkeit der ungekünstelten Normalität, die an der Grenze zum alltäglich Ungewöhnlichen angesiedelt ist. Die deftige Erotik seiner weiblichen Akte wird durch Schilderungen der kleinen Freuden des Lebens ergänzt, die im Themenkreis der Gemälde von Georg Tappert eine ebenso wichtige Rolle spielen. In unserem Bild visualisiert Tappert in den beiden am Rande eines Tisches sitzenden Frauen mit ihren überzeichneten Physiognomien, welche nicht zuletzt durch den Titel initiiert die Assoziation von Masken hervorrufen, Hoffnung und Enttäuschung zugleich. Es ist eine von Anspannung und Resignation durchsetzte Stimmung, welche die beiden Frauen mit ihren maskenhaften Gesichtszügen exemplarisch verkörpern. Georg Tappert spielt mit Rollenbildern und entwirft zugleich eine Szenerie von emanzipatorischem Charakter, denn erst in den zwanziger Jahren war es für Frauen möglich einen Ball ohne Herrenbegleitung zu besuchen, ohne nachträglich der Häme einer Leichtfertigkeit ausgesetzt zu sein. Tappert bewegt sich zwischen seinen Frauen wie ein Magier, der unterdrückte Sehnsüchte visualisiert. Weit mehr als sie auf den ersten Blick offenbaren, berichten seine Gemälde über den Zustand einer instabilen Gesellschaft, der der Glaube an tradierte Werte abhanden gekommen ist.

Mit der Machtergreifung Hitlers beginnt für Georg Tappert eine Zeit der Verfehmung. 1937 wird er aus seiner Lehrtätigkeit entlassen, weiteres künstlerisches Schaffen ist ihm untersagt, so dass sein Weg in die innere Emigration führt. 1945 widmet sich der 65-Jährige mit großem Einsatz dem Wiederaufbau der Hochschule für Kunsterziehung. Am 17. November 1957 stirbt Georg Tappert in Berlin.




356
Georg Tappert
Fasching, Um 1920-1922.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 85.400

(inkl. Käuferaufgeld)