Auktion: 415 / Klassische Moderne am 06.06.2014 in München Lot 302

 

302
Thomas Theodor Heine
Teufel, 1904.
Bronze
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 17.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Teufel. 1904.
Bronze mit dunkelbrauner Patina.
Links auf dem Standsockel das ligierte Monogramm im Relief. Hinten auf der Standfläche bezeichnet: "Modelliert v. Th.Th. Heine". Aus einer unbekannten Auflagenhöhe. Mit Sockel: 40,8 x 18,5 x 22,4 cm (16 x 7,2 x 8,8 in).

Hervorragender Guss in bester Erhaltung.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (seit ca. 80 Jahren in Familienbesitz).

AUSSTELLUNG: Münchner Secession, München 1904, Kat.Nr. 196.
Deutscher Künstlerbund, Berlin 1905, Nr. 245.
Brakls Moderne Kunsthandlung, München 1905.
Berliner Secession, Berlin 1911, Nr. 312.
XIII. Ausstellungen der Münchner Neuen Secession, München 1927, Nr. 451.
Gedächtnisausstellung Thomas Theodor Heine, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Nr. 210.
Deutsche Bildhauer 1900-1933, Bukarest 1976, Nr. 55.
Jugendstil, Palais des Beaux Arts, Brüssel 1977, Kat.Nr. 170 mit Abb. S. 115.
Die Prinzregentenzeit, Münchner Stadtmuseum, München 1988, Kat.Nr. 6.2.3.13a mit Abb. S. 449.
Art Nouveau. Jugendstil, Tokio, Nr. 38.
Paradis perdus. L'Europe symboliste, Montreal 1995, Nr. 151.
Thomas Theodor Heine. Der Biss des Simplicissimus, Galerie im Lenbachhaus, München/Bröhan-Museum, Berlin, 2000/2001.
(Ausgestellt wurde jeweils ein anderes Exemplar.).

LITERATUR: Hermann Esswein, Thomas Theodor Heine (Moderne Illustratoren 1), München/Leipzig o.F. (1904), S. 49.
Wilhelm Michel, Das Teuflische und das Groteske in der Kunst, München 1911, S. 91f mit Abb. 78.
Armin Trübenbach, Thomas Theodor Heine. Leben und Werk in Hinblick auf sein karikaturistisches Schaffen und publizistisches Wollen (Dissertation), Berlin 1956, S. 26.
Thomas Raff, Helmut Friedel (Hrsg.), Heines Plastiken Teufel und Engel, in: Thomas Theodor Heine. Der Biss des Simplicissimus. Das künstlerische Werk, Bd. 1, München 2000, Abb. 286 (Exemplar aus den Sammlungsbeständen des Lenbachhauses München).

Der Name Thomas Theodor Heine wird heute vor allem mit dem "Simplicissimus" in Verbindung gebracht, dessen Gesicht der Künstler mit seinen Karikaturen maßgeblich mitbestimmt. Heines zeichnerisches Talent kündigt sich früh an und er provoziert schon als Schüler mit seinen Lehrerkarikaturen einen Schulverweis. 1884 wird er Malerschüler an der Düsseldorfer Akademie unter Eduard von Gebhardt und Peter Janssen. Seine Gemälde dieser Zeit sind stilistisch dem Impressionismus verbunden. 1889 übersiedelt der Künstler nach München. Als Albert Langen 1893 in Paris seinen Verlag gründet, nimmt Heine seine Mitarbeit an den "Fliegenden Blättern" auf und ist zwei Jahre später als Mitbegründer des "Simplicissimus" der wichtigste Zeichner des Blattes. Es folgen Buchillustrationen (u.a. Hugo von Hofmannsthals "Der Kaiser und die Hexe") und buchkünstlerische Arbeiten für die Zeitschrift "Die Insel" oder Thomas Manns "Wälsungenblut". Bedeutsamer noch als Heines illustratives Schaffen scheint aus heutiger Sicht sein umfangreiches gebrauchsgrafisches Schaffen, das leider nur noch in wenigen Beispielen erhalten ist. Besonders mit seinen Plakatentwürfen erbringt Heine große Leistungen auf diesem damals neu entstehenden Gebiet der Plakatkunst. Seine "11 Scharfrichter" sind nur ein Beispiel, dessen künstlerische Qualität ebenbürtig neben den Arbeiten eines Toulouse-Lautrec steht.

In den stark gedrungenen Körperformen, die Heine in der Figur des Teufels wirkungsvoll modelliert hat, ist symbolhaft eine Gestalt zu erkennen, die entgegen ihrer eigentlichen Bedeutung beim Betrachter eine leichte Sympathie erweckt. Der Teufel als Metapher für die allgegenwärtige Bereitschaft, den Pfad bürgerlicher Tugenden zu verlassen und es sich bequem mit seinen kleinen Gaunereien einzurichten, war eine Art Kampfansage an eine in ihren Konventionen erstarrte Gesellschaft, die den Blick für die sinnfälligen Lebensabläufe verloren hatte. Bei Heine ist der Teufel ein sympathischer Geselle, der gleich nebenan wohnt und hilft, die Ungerechtigkeiten des Lebens besser zu ertragen. Die plastische Ausformung dieser Gestalt hat in der Verlagerung der schweren Körperformen nach unten eine Erdenschwere, die die Nähe zur Unterwelt verdeutlicht. Das Abgründige, die Dämonie, vor allem des Sexuellen, hatte um die Entstehungszeit der Plastik Hochkonjunktur. Der Erfolg der "Sünde" von Stuck wäre sonst nicht zu erklären. Doch was bei Stuck schwülstig ausufert, ist bei Heine ins Gemütliche gekehrt. Die Hölle scheint menschlicher als der Himmel, schließlich ist dort gut geheizt.

1922 wird Heine Ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin und ist mit seinem zeichnerischen Werk in den kommenden Jahren auf mehreren Ausstellungen vertreten (Internationale Kunstausstellung, Dresden 1926, Mánes-Ausstellung, Prag 1934). In den späten Jahren wendet sich Heine wieder intensiver der Malerei zu, viele seiner Arbeiten werden jedoch im Bombenkrieg vernichtet, was eine Beurteilung seines malerischen Schaffens heute erschwert. Thomas Theodor Heine erlangt vor allem als Zeichner wahre Meisterschaft und so erkennt schon Max Liebermann in Heine "den größten deutschen Zeichner", der, wie Lovis Corinth meint, "alles kann, was er will". Mit seiner zeichnerischen Vielseitigkeit wirkt er geradezu stilbildend und beeinflusst die künstlerische Gesamthaltung des "Simplicissimus" nachhaltig. Während des Zweiten Weltkriegs flieht Heine über Prag nach Oslo und schließlich nach Stockholm, wo er bis zu seinem Tod 1948 lebt und erfolgreich arbeitet.




302
Thomas Theodor Heine
Teufel, 1904.
Bronze
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 17.500

(inkl. Käuferaufgeld)