50
Kurt Schwitters
Ohne Titel (Spritzen Farbe), 1927.
Öl
Schätzung:
€ 35.000 Ergebnis:
€ 42.700 (inkl. Käuferaufgeld)
Ohne Titel (Spritzen Farbe). 1927.
Öl auf feinem hellbraunem Papier, fest auf Unterlagekarton aufgezogen, dieser nochmals fest auf Originalunterlage montiert.
Orchard/Schulz 1525. Links unten auf dem Unterlagekarton signiert und datiert. Verso auf der Originalunterlage von fremder Hand mit der vorläufigen Œuvre-Nummer "1927,439" bezeichnet. 11,8 x 8,8 cm (4,6 x 3,4 in), Blattgröße. Originalunterlage: 22,8 x 16,5 cm (8,9 x 6,4 in).
[KP].
Eine der raren nichtcollagierten Papierarbeiten der späten 1920er Jahre, die nur selten auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten werden.
PROVENIENZ: Ernst Schwitters, Lysaker (1948-1965, Sohn des Künstlers, durch Erbschaft erhalten, verso auf der Originalunterlage mit dem Etikett).
Privatbesitz Stockholm (1965/67 erworben).
AUSSTELLUNG: Kurt Schwitters, Kestner-Gesellschaft Hannover 1956 (außer Katalog, auf der Originalunterlage verso mit dem Ausstellungsetikett).
Kurt Schwitters. "Aphorismer" 1918-1947. Collage och relief, Konstsalongen Samlaren, Stockholm 1965, Kat.Nr.43 (mit Abb. S. 57).
Kurt Schwitters i svensk ägo, Konstsalongen Samlaren, Stockholm, 28.10.-13.11.1967, Kat.Nr. 23.
Von 1908 bis 1914 studiert Kurt Schwitters an der Kunstgewerbeschule in Hannover und an der Kunstakademie in Dresden. Die lange akademische Ausbildung, die er in Dresden vor allem bei dem an Frans Hals orientierten Carl Bantzer genießt, scheint eher eine konventionelle Malerlaufbahn vorzubereiten. Entsprechend wenig Einfluss der Moderne zeigt sein Frühwerk. 1917 wird Schwitters zum Kriegsdienst einberufen, den er, da er unter Epilepsie leidet, auf der Schreibstube verbringt. Nach vier Monaten wird er entlassen. Die Eindrücke des Krieges und der Inflation machen aus ihm einen modernen Künstler, der sogar den Expressionismus hinter sich lässt; erste Collagen entstehen 1918, für die Schwitters zufällig gefundene Abfälle benutzt. Er begründet mit seiner Kunst und seinen literarischen Texten in Hannover eine eigene Dada-Einrichtung, die er "Merz" nennt, ein Wortfragment von "Kommerz- und Privatbank". Die 1919 veröffentlichte Prosa- und Gedichtsammlung "Anna Blume" macht Schwitters weit über die Grenzen Hannovers hinweg bekannt. Er knüpft Kontakte zu Herwarth Walden, Hans Arp und Tristan Tzara, nimmt an "Sturm"-Ausstellungen in New York und Zürich teil. Wichtig für Schwitters wird außerdem seine enge Verbindung zu den Bauhaus-Künstlern, zu den holländischen Dadaisten und Konstruktivisten, denen er 1923 die erste Nummer der "Merz"-Zeitschrift widmet.
Wenngleich die vorliegende kleine Arbeit keine Collage und nicht in ihrem primären Sinne als "Merzzeichnung" oder "Merzmalerei" bezeichnet werden kann, so unterwirft sie Schwitters jedoch in wesentlichem Maße seiner "Merz"-Theorie, welche er wie folgt fomuliert: "Die Bilder Merzmalerei sind abstrakte Kunstwerke. Das Wort Merz bedeutet wesentlich die Zusammenfassung aller erdenklichen Materialien für künstlerische Zwecke [..]." (Kurt Schwitters zit. nach: Werner Schmalenbach, Kurt Schwitters, Köln 1967, S. 96-98). Insofern sind die ganz in dadaistischem Sinne wie zufällig aufs Papier gebrachten Farbflecke nicht weniger als eine Farbcollage, die Schwitters nach den Merz-Prinzipien gestaltet. Besonders schön bringt Schwitters darüber hinaus den Schöpfungsakt im sprechenden Titelzusatz "Spritzen Farbe" zum Ausdruck, womit die tatsächliche Handlung überaus anschaulich umschrieben wird und einmal mehr die zufällige Entstehung, das Experiment und die dadaistische Haltung der Kunst als Antikunst in den Fokus rückt.
Nachdem Schwitters bereits ab 1923 als Werbegestalter, Grafiker und Typograf für verschiedene Firmen in und außerhalb Hannovers seinen Lebensunterhalt bestreitet, gründet er 1927 den "ring neuer werbegestalter" mit Cesar Domela, Lázlo Moholy-Nagy und Friedrich Vordemberge-Gildewart, dem auch Willi Baumeister und Walter Dexel beitreten. Neben dieser beruflichen Tätigkeit führt Schwitters die Collagen und Materialbilder der "Merz"-Serie weiter. Mitte der 1930er Jahre stellen sich die ersten Erfolge ein, 1937 wandert Schwitters nach Norwegen aus. Dem Exil in Norwegen folgt 1940 die Flucht vor den deutschen Truppen nach England, wo sich die isolierte Position, unter der er schon in Norwegen litt, nicht entscheidend verbessert. 1948 stirbt Schwitters in Ambleside (Westmorland). Erst nach seinem Tod setzt die internationale Anerkennung seines Lebenswerkes ein. Schwitters wirkt seiner Zeit weit voraus und hat starken Einfluss auf die Assemblagekunst der neodadaistischen Künstler, wie zum Beispiel Robert Rauschenberg. Bis in die heutige Zeit ist Schwitters' herausragendes Œuvre Gegenstand internationaler Ausstellungen, jüngst etwa in der Londoner Tate Britain (2013) oder aktuell im Sprengel-Museum Hannover (Februar bis Mai 2014).
Öl auf feinem hellbraunem Papier, fest auf Unterlagekarton aufgezogen, dieser nochmals fest auf Originalunterlage montiert.
Orchard/Schulz 1525. Links unten auf dem Unterlagekarton signiert und datiert. Verso auf der Originalunterlage von fremder Hand mit der vorläufigen Œuvre-Nummer "1927,439" bezeichnet. 11,8 x 8,8 cm (4,6 x 3,4 in), Blattgröße. Originalunterlage: 22,8 x 16,5 cm (8,9 x 6,4 in).
[KP].
Eine der raren nichtcollagierten Papierarbeiten der späten 1920er Jahre, die nur selten auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten werden.
PROVENIENZ: Ernst Schwitters, Lysaker (1948-1965, Sohn des Künstlers, durch Erbschaft erhalten, verso auf der Originalunterlage mit dem Etikett).
Privatbesitz Stockholm (1965/67 erworben).
AUSSTELLUNG: Kurt Schwitters, Kestner-Gesellschaft Hannover 1956 (außer Katalog, auf der Originalunterlage verso mit dem Ausstellungsetikett).
Kurt Schwitters. "Aphorismer" 1918-1947. Collage och relief, Konstsalongen Samlaren, Stockholm 1965, Kat.Nr.43 (mit Abb. S. 57).
Kurt Schwitters i svensk ägo, Konstsalongen Samlaren, Stockholm, 28.10.-13.11.1967, Kat.Nr. 23.
Von 1908 bis 1914 studiert Kurt Schwitters an der Kunstgewerbeschule in Hannover und an der Kunstakademie in Dresden. Die lange akademische Ausbildung, die er in Dresden vor allem bei dem an Frans Hals orientierten Carl Bantzer genießt, scheint eher eine konventionelle Malerlaufbahn vorzubereiten. Entsprechend wenig Einfluss der Moderne zeigt sein Frühwerk. 1917 wird Schwitters zum Kriegsdienst einberufen, den er, da er unter Epilepsie leidet, auf der Schreibstube verbringt. Nach vier Monaten wird er entlassen. Die Eindrücke des Krieges und der Inflation machen aus ihm einen modernen Künstler, der sogar den Expressionismus hinter sich lässt; erste Collagen entstehen 1918, für die Schwitters zufällig gefundene Abfälle benutzt. Er begründet mit seiner Kunst und seinen literarischen Texten in Hannover eine eigene Dada-Einrichtung, die er "Merz" nennt, ein Wortfragment von "Kommerz- und Privatbank". Die 1919 veröffentlichte Prosa- und Gedichtsammlung "Anna Blume" macht Schwitters weit über die Grenzen Hannovers hinweg bekannt. Er knüpft Kontakte zu Herwarth Walden, Hans Arp und Tristan Tzara, nimmt an "Sturm"-Ausstellungen in New York und Zürich teil. Wichtig für Schwitters wird außerdem seine enge Verbindung zu den Bauhaus-Künstlern, zu den holländischen Dadaisten und Konstruktivisten, denen er 1923 die erste Nummer der "Merz"-Zeitschrift widmet.
Wenngleich die vorliegende kleine Arbeit keine Collage und nicht in ihrem primären Sinne als "Merzzeichnung" oder "Merzmalerei" bezeichnet werden kann, so unterwirft sie Schwitters jedoch in wesentlichem Maße seiner "Merz"-Theorie, welche er wie folgt fomuliert: "Die Bilder Merzmalerei sind abstrakte Kunstwerke. Das Wort Merz bedeutet wesentlich die Zusammenfassung aller erdenklichen Materialien für künstlerische Zwecke [..]." (Kurt Schwitters zit. nach: Werner Schmalenbach, Kurt Schwitters, Köln 1967, S. 96-98). Insofern sind die ganz in dadaistischem Sinne wie zufällig aufs Papier gebrachten Farbflecke nicht weniger als eine Farbcollage, die Schwitters nach den Merz-Prinzipien gestaltet. Besonders schön bringt Schwitters darüber hinaus den Schöpfungsakt im sprechenden Titelzusatz "Spritzen Farbe" zum Ausdruck, womit die tatsächliche Handlung überaus anschaulich umschrieben wird und einmal mehr die zufällige Entstehung, das Experiment und die dadaistische Haltung der Kunst als Antikunst in den Fokus rückt.
Nachdem Schwitters bereits ab 1923 als Werbegestalter, Grafiker und Typograf für verschiedene Firmen in und außerhalb Hannovers seinen Lebensunterhalt bestreitet, gründet er 1927 den "ring neuer werbegestalter" mit Cesar Domela, Lázlo Moholy-Nagy und Friedrich Vordemberge-Gildewart, dem auch Willi Baumeister und Walter Dexel beitreten. Neben dieser beruflichen Tätigkeit führt Schwitters die Collagen und Materialbilder der "Merz"-Serie weiter. Mitte der 1930er Jahre stellen sich die ersten Erfolge ein, 1937 wandert Schwitters nach Norwegen aus. Dem Exil in Norwegen folgt 1940 die Flucht vor den deutschen Truppen nach England, wo sich die isolierte Position, unter der er schon in Norwegen litt, nicht entscheidend verbessert. 1948 stirbt Schwitters in Ambleside (Westmorland). Erst nach seinem Tod setzt die internationale Anerkennung seines Lebenswerkes ein. Schwitters wirkt seiner Zeit weit voraus und hat starken Einfluss auf die Assemblagekunst der neodadaistischen Künstler, wie zum Beispiel Robert Rauschenberg. Bis in die heutige Zeit ist Schwitters' herausragendes Œuvre Gegenstand internationaler Ausstellungen, jüngst etwa in der Londoner Tate Britain (2013) oder aktuell im Sprengel-Museum Hannover (Februar bis Mai 2014).
50
Kurt Schwitters
Ohne Titel (Spritzen Farbe), 1927.
Öl
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