Auktion: 392 / Moderne Kunst am 09.06.2012 in München Lot 11

 
Lorenzo Viani - Dame mit Chrysantheme


11
Lorenzo Viani
Dame mit Chrysantheme, 1911.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 189.100

(inkl. Käuferaufgeld)
Dame mit Chrysantheme. 1911.
Öl auf Malpappe.
Cardellini Signorini 63. Rechts unten signiert und datiert. 95 x 68,7 cm (37,4 x 27 in).
Eines der eindrucksvollsten Porträts des Künstlers, dessen zeitgleich entstandenes Selbstporträt sich in der Sammlung der Galleria d`arte moderna, Florenz, befindet (vgl. Cardellini Signorini 59). Bei der Dargestellten könnte es sich um die berühmte Schauspielerin Sarah Bernhardt handeln, welche Viani bereits in einem 1909 entstandenen Tempera-Blatt festgehalten hat. (vgl. Cardellini Signorini 41).
Mit der vorliegenden Arbeit wird erstmals ein Gemälde des italienischen Expressionisten auf dem deutschen Auktionsmarkt angeboten (Quelle: www.artnet.de).

PROVENIENZ: Sammlung Falsetti, Modena.
Privatsammlung.

AUSSTELLUNG: (Auswahl)
Mostra di opere di Lorenzo Viani, Galleria di Roma, Rom, Dezember 1937, Kat.Nr. 7.
Motivi d'arte contemporanea, Galleria Narciso, Turin, 8.2.-8.3.1966, Kat.Nr. 84 (verso mit dem Etikett).
100 opere di artisti toscani, Galleria Falsetti, Prato, 20.5.-18.6.1972, Abb. 115 (verso mit dem Galeriestempel).
Mostra antologica di Lorenzo Viani, Galleria d'arte moderna, Museo Civico, Bologna 22.12.1973-27.1.1974, Tafel Nr. 8 (verso mit dem Etikett).
Du futurisme au spatalisme, Musée Rath, Genf, 6.10.1977-15.1.1978 (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Viani vive, Mostra antologica di Lorenzo Viani, Fondazione Viani, Viareggio, 8.7.-20.8.1978, Kat.Nr. 142, mit Abb. (auf dem Rahmen mit dem Etikett sowie dem Stempel der Fondazione auf der Rahmenrückwand).
Prima dell' Avanguardia - da Fattori a Modigliani, Aosta 1985/86, Musée des Augustins, Tolouse 1986, Nr. 124 (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Lorenzo Viani, Palazzo Paolina, Viareggio, 23.12.1986-15.1.1987 (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Da Van Gogh a Schiele, Palazzo Forti, Verona, 7.7.-10.10.1989, S. 137 (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Tolouse Lautrec - un artista moderno, Palazzo Vecchio, Florenz, Oktober 1995, Kat.Nr. 149, S. 270f. (Etikett auf Keilrahmen).
Lorenzo Viani. Un maestro del novecento europeo, Palazzo Mediceo, Seravezza, 8.7.-24.9.2000, Kat.Nr. 23, mit Abb. S. 121.

LITERATUR: (Auswahl)
Fortunato Bellonzi, Lorenzo Viani, in: Pittori toscani del Novecento, Florenz 1978, S. 289.
R. Monti, Torre del Lago. "Il Club della Bohème". Lorenzo Viani, in: I postmacchiaioli, Rom 1991, S. 90, Abb. 129.
Giovanna Uzzani, L'arte italiana del Novecento, Vicenza 1991, S. 88.

Der italienische Maler und Schriftsteller Lorenzo Viani wird am 1. November 1882 in der toskanischen Stadt Viareggio geboren. Im Alter von elf Jahren beginnt Viani als Lehrling bei dem Barbier Fortunato Primo Puccini zu arbeiten. Während seiner dortigen Lehrzeit kommt er in Kontakt mit berühmten Persönlichkeiten wie dem Dichter Gabriele D'Annunzio, dem Komponisten Giacomo Puccini und schließlich mit dem Maler Plinio Nomellini, welcher die künstlerische Entwicklung des jungen Viani positiv beeinflusst. Mit wachsender Leidenschaft beginnt Viani zu zeichnen. Als 18-Jähriger schreibt er sich auf Anraten von Nomellini in das Istituto d'Arte Passaglia di Lucca ein. Nach dreijährigem Kunststudium wird er 1904 in die Akademie der Schönen Künste zu Florenz aufgenommen, wo er unter anderem die Kurse von Giovanni Fattori, eines der Hauptvertreter der Florentiner Künstlergruppe der "Macchiaioli", besucht. Wieder zurück in Viareggio richtet er sich ein Atelier in Torre del Lago ein. Durch seine Teilnahme an der VII. Biennale in Venedig erlangt er erste internationale Anerkennung. Ausgehend von einer Rezension des einflussreichen Journalisten Luigi Campolonghi wird Viani schon bald allseits als virtuoser Schilderer des ungeschönten Schreckens und Elends gelobt.1908 folgt ein einjähriger Aufenthalt in Paris, der jedoch neben künstlerischer Inspiration auch von Einsamkeit und finanziellen Schwierigkeiten geprägt ist. Nach Vianis Rückkehr in die Heimat werden seine Werke von der venezianischen Biennale zurückgewiesen, woraufhin sich seine psychische und wirtschaftliche Lage noch verschlimmert. In dieser Zeit entstehen einige seiner wichtigsten Arbeiten, wie etwa das Selbstporträt, um 1910/12, heute befindlich in der Galleria d'Arte Moderna in Florenz, oder auch die Illustrationen zu Werken des Schriftstellers Enrico Pea.

Die vorliegende Arbeit "Dame mit Chrysantheme" entsteht im Jahr 1911, während jener schweren und doch künstlerisch überaus fruchtbaren Jahre im Leben des jungen Künstlers. Viani stellt eine schlanke Frauengestalt in hochgeschlossener schwarzer Kleidung und einem breitkrempigen Hut dar. Das schlichte Gewand wird lediglich von einem türkisfarbenen Kragensaum und einer gelben Chrysantheme geschmückt, die in ihrer Farbigkeit einen spannungsvollen Kontrast zum extravaganten blauen Federschmuck der Kopfbedeckung bildet. Das bleiche, beinahe durchsichtige Inkarnat, das durch die dunkle Garderobe und den düsteren Hintergrund leuchtend hervortritt, betont seinerseits die schwarzen eindringlichen Augen der Porträtierten. Der melancholische und geheimnisvolle Ausdruck, der unser Gemälde bestimmt, ist bezeichnend für Vianis Werk. Mit schnellen und zugleich sicheren Pinselstrichen sowie expressivem Farbauftrag gelingt es Viani nicht nur die physische Erscheinung seines Modells auf der Leinwand festzuhalten, sondern dem Betrachter darüber hinaus das Gefühl zu geben, einen Einblick in die Seele der Dargestellten zu erhalten.

1911 trifft Lorenzo Viani während eines erneuten Parisaufenthalts den anarchistischen Patrioten Amilcare Cipriani. In den folgenden Jahren ist Viani in Italien aktives Mitglied der anarchistischen Sozialisten. Im Februar 1912 gibt er zusammen mit dem Syndikalisten Alceste de Ambris das antimilitaristische Pamphlet "Alla gloria della guerra!" heraus, wofür er festgenommen und inhaftiert, kurz darauf jedoch wieder entlassen wird. 1916 wird Viani zum Kriegsdienst eingezogen. Nach Ende des Krieges und nach seiner Heirat 1919 mit Giulia Giorgietti kehrt er bald wieder nach Viareggio zurück. Die 1920er und 30er Jahre werden von großer schöpferischer Schaffenskraft bestimmt. Seine Romane, Illustrationen und Gemälde werden von einem internationalen Publikum gefeiert. Viani stellt von 1928 an in jeder Biennale von Venedig aus. Durch schwere asthmatische Anfälle geschwächt stirbt Lorenzo Viani im Jahr 1935 einen Tag nach seinem 54. Geburtstag an einem Herzinfarkt. [CB/KH].




11
Lorenzo Viani
Dame mit Chrysantheme, 1911.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 189.100

(inkl. Käuferaufgeld)